WM-Favorit Spanien unterliegt Außenseiter Schweiz mit 0:1 - Fernandes erzielt das umjubelte Tor des Tages

Durban. Lachend begrüßten sich die beiden Trainer vor Spielbeginn, der Spanier Vicente del Bosque und der Schweizer Ottmar Hitzfeld. Man kennt sich von vielen Duellen aus der Champions League, und man schätzt sich: Del Bosque nannte Hitzfeld vor dem WM-Auftakt beider Teams sogar ein Vorbild. Dass ihm dieses gestern in Durban auch ein Lehrmeister sein würde, damit konnte aber weder er rechnen noch der Rest der Fußball-Welt. Sensationell besiegte die Schweiz den zuvor ein Jahr ungeschlagenen Favoriten mit 1:0.

Es war ein historischer Sieg für die Schweiz, ihr erster jemals gegen Spanien. "Ein Geschenk" nannte ihn der nach eigener Auskunft "sehr glückliche", aber wie immer die Contenance wahrende Trainer. "Chile wird genauso schwer wie Spanien", warnte Hitzfeld sogleich. Gegen die Südamerikaner spielen die Schweizer nun am Montag plötzlich um den Gruppensieg, während der Europameister um sein Weiterkommen fürchten muss.

Noch am Vorabend hatte Hitzfeld die Spanier als Mannschaft bezeichnet, "wie sie nur einmal im Jahrhundert vorkommt." Das war ein hübsches Lob, womöglich aber auch schon mal eine vorauseilende Entschuldigung für den defensiven Spielstil, den seine Eidgenossen an den Tag legen sollten. Sie überließen den Spaniern den Ball und setzten dagegen Tugenden, die Hitzfeld-Teams nun mal so zu Eigen sind: sie waren robust, kompakt und an ästhetischen Fragen herzlich desinteressiert. "Wir wollten uns nicht rauslocken lassen", erklärte der Coach hinterher sein Meisterwerk.

Berlins van Bergen hielt die Spanier Villa und Torres in Schach

Hitzfeld ist ein exzellenter Stratege, er wusste, dass er die Spanier auf die Flügel und damit zu Flanken zwingen musste, einer Option, die sie mit ihren vielen kleinen Spielern nicht allzu sehr goutieren. Immer wieder konnte die Schweizer Verteidigung sich auf diese Art befreien. Einer wie der nach 36 Minuten für den verletzten Philippe Senderos gekommene Steve van Bergen von Hertha BSC hielt doch tatsächlich Torjäger wie David Villa und den eingewechselten Fernando Torres in Schach. Aber natürlich brauchten die Schweizer auch eine hervorragende Leistung von Torwart Diego Benaglio sowie eine gute Portion "Schlachtenglück", wie es Hitzfeld erklärte.

So hatte Innenverteidiger Gerard Piqué nach einem wunderbaren Pass von Andrés Iniesta die beste Chance der ersten Hälfte, als er mit feiner Klinge Senderos aussteigen ließ, dann jedoch an Benaglio scheiterte. In die zweite Halbzeit starteten die Europameister mit noch mehr Drang, doch dann geschah, was Del Bosque neben unnachgiebiger Verteidigung als einen weiteren Teil feindlicher Strategien ausgemacht hatte: "Jedes Team, das gut zusammenarbeitet, hat die Energie, um dir mit einem Konter weh zu tun." Nach weitem Abschlag und Kopfballablage stand plötzlich Eren Derdiyok frei vor Iker Casillas. Der spanische Torwart parierte mit dem Fuß, doch der Ball sprang zu Gelson Fernandes, und nachdem Piqué dessen ersten Schuss noch todesmutig abgewehrt hatte, versenkte der Mittelfeldspieler vom AS Saint-Etienne im zweiten Versuch (53.).

Bayers Derdiyok hätte 15 Minuten vor Schluss fast auf 2:0 erhöht

Mit der Einwechslung von Torres in der 62. Minute begann Spanien seine Schlussoffensive. Der Angreifer vom FC Liverpool, frenetisch gefeiert von den 62 453 Zuschauern, sorgte gleich für Betrieb, der daraus resultierende Schlenzer von Iniesta strich jedoch am Tor vorbei. In der 68. Minute wurde Torres dann von Villa freigespielt, doch sein Abschluss war zu kompliziert, Folge womöglich einer zwei Monate langen Verletzungspause. Weitere zwei Minuten später provozierte er eine Ecke, in deren Folge Xabi Alonso den Ball aus rund 20 Metern an die Latte drosch. Es war jetzt ein intensives, hochklassiges Fußballspiel, zu dem gelegentlich auch die Schweiz beitrug. In der 75. Minute hätte der starke Derdiyok beinahe erhöht, nach einem geradezu spanischen Solo schob er jedoch den Ball mit dem Außenrist gegen den Pfosten.

Fünf Minuten Nachspielzeit wurden angezeigt, aber die spanischen Angriffe wurden immer planloser, sie verhalfen dem Favoriten nicht mehr zu einem Tor. Am Ende gaben sich Hitzfeld und Del Bosque wieder die Hand, und der Spanier konnte sogar lächeln. "So ist der Fußball, es war heute nicht unser Tag", sagte er. Irgendwo hatte er es vielleicht doch geahnt.

Spanien: Casillas - Sergio Ramos, Puyol, Piqué, Capdevila - Busquets (61. Torres) - David Silva (62. Jesus Navas), Xabi Alonso, Xavi, Iniesta (77. Pedro) - Villa.

Schweiz: Benaglio - Lichtsteiner, Senderos (36. von Bergen), Grichting, Ziegler - Barnetta (90.+2 Eggimann), Inler, Huggel, Fernandes - Derdiyok (79. Yakin) - Nkufo.

Tor: 0:1 Fernandes (52.).

Schiedsrichter: Webb (England). Zuschauer: 62 452. Gelbe Karten: Grichting, Ziegler, Benaglio, Yakin.