Heute tritt der Rekordmeister gegen Lyon an. Mit dem Franzosen, der über die Vorwürfe nicht reden mag. Sie treffen ihn in einer schwierigen Situation.

München. Wer die Schlagzeilen nicht gelesen hatte, mochte es für ein ganz normales Abschlusstraining des FC Bayern halten. Es waren nicht mehr Journalisten als gewöhnlich zugegen. Doch die Objektive der Kameras waren vor allem auf einen gerichtet, auf Franck Ribéry (27). Jede Regung, jeden Laufweg des Franzosen fingen sie ein, wie er auf den Platz kam mit seinen lilafarbenen Schuhen. Wie er sich den Ball schnappte und zur Einstimmung ein paar feine Pässe mit Hamit Altintop spielte. Wie er mit Miroslav Klose kurz scherzte und beim Einlaufen einen Plausch mit Daniel van Buyten hielt. All das wurde dokumentiert. Und in all dem war nichts Außergewöhnliches zu erkennen.

Nun mag Franck Ribéry ein guter Schauspieler sein. Vielleicht kann er auch verdrängen, was er in den vergangenen Tagen über sich gelesen hat, vielleicht hat er diese Gabe. Und dennoch ist es ein gewaltiges Störfeuer, auf das die Bayern vor dem heutigen Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Olympique Lyon (20:45 Uhr, Sat 1 und Sky live, Ticker auf www.abendblatt.de ) gerne verzichtet hätten.

Statt über sportliche Belange ist von "Sex-Skandal" (L'Equipe) die Rede. Es geht um eine minderjährige Prostituierte, mit der sich französische Nationalspieler vergnügt haben sollen, neben Ribéry soll auch Lyons Sydney Govou darunter sein. In der vergangenen Woche war Ribéry von der Pariser Polizei geladen. Seine Anwältin Sophie Bottai sagt, Ribéry sei nur als Zeuge befragt worden. Und überhaupt es ginge nur um einen im Milieu agierenden Bekannten. Die französische Nachrichtenagentur AFP aber berichtet mit Verweis auf Ermittlungskreise, dass Ribéry sexuellen Kontakt zu jener Prostituierten zugegeben habe, ohne über ihr Alter Bescheid gewusst zu haben. Nach französischem Recht drohen bis zu drei Jahre Haft.

Die Münchner Oberen halten sich mit Kommentaren in der delikaten Angelegenheit zurück. "Er ist ja offenbar nur Zeuge", sagt Franz Beckenbauer. "In Holland sagt man: Während einer Untersuchung müssen wir immer unseren Mund halten. Ob er darunter leidet? Ich habe nicht den Eindruck", kommentiert Trainer Louis van Gaal.

Nun sind die rechtlich relevanten Dinge das eine, doch auch abseits dessen ist es keine einfache Saison für Ribéry. Seinen Status als Star Nummer eins im Bayern-Team ist er schon länger los. Vergangen scheint jene Zeit, in der er sich für seinen Sponsor mit Zepter und Gewand fotografieren ließ und auf einem überdimensional großen Plakat in der Fußgängerzone als Monarch posierte. Bayern hat wieder einen König, stand darunter. Mittlerweile hat Bayern einen holländischen Traumtor-Dribbler (Arjen Robben), einen kroatischen Dauerarbeiter (Ivica Olic) und eine funktionierende Mannschaft, die schon ohne Ribéry brilliert hat. Jenes Gefühl mag ein Vorgeschmack für ihn sein, sollte er sich gegen eine Vertragsverlängerung in München und auf ein baldiges Engagement in Madrid, Barcelona oder London spekulieren. Dort wäre er einer unter vielen Hochkarätern. Von seinem ursprünglichen Plan, in den nächsten Tagen über seine Zukunft zu entscheiden, ist er sowieso abgewichen.

Es steht außer Frage, ein Ribéry in Topform kann es überall mit jedem aufnehmen, doch noch trennen ihn fehlender Rhythmus und mangelnde Spritzigkeit von den Leistungen vergangener Jahre. Das verwundert nicht sonderlich, hat er doch eine Saison ohne Vorbereitung hinter sich. Weder im Sommer noch im Winter übte er mit der Mannschaft, dazu kam sein über Monate malades Knie. Erst acht Spiele hat er in dieser Saison über 90 Minuten bestritten. Für den Instinktfußballer Ribéry ist das nur schwer zu ertragen, weil er zuschauen muss wie andere zaubern und ihm Dinge misslingen, die früher wie selbstverständlich gelangen.

So hatte es einen Hauch von pädagogischer Aufbauarbeit, was die Münchner in den vergangenen Tagen betrieben. Als Louis van Gaal nach dem 7:0 gegen Hannover gefragt wurde, wie wichtig der dreifache Torschütze Robben sei, da sagte er: "Wir haben Spieler, die den Unterschied ausmachen können. Robben sei so einer, "aber auch Ribéry kann das." Van Gaal betont gerne, dass er Fußballlehrer sei, einer, der den zweiten Teil jener Berufsbezeichnung für unerlässlich erachtet und sich für die Belange der Seinen interessiert. Dass Ribéry verbaler Hätschelei bedarf, war ihm nicht verborgen geblieben. Ribéry steigere sich von Spiel zu Spiel, befand van Gaal. "Er hat Tore gemacht und Tore vorbereitet, und zwar immer die wichtigen." Die Dinge, die er Ribéry auftrage, erledige jener gut, "nicht nur nach vorn, auch nach hinten. Jetzt ist überall Halleluja Robben, aber gegen Lyon kann das wieder Ribéry sein."

Jenes Wirrwarr um Ribéry drängte eine für das heutige Spiel vielleicht noch wichtigere Personalie in den Hintergrund. Gegen Lyon muss Kapitän Mark van Bommel Gelb gesperrt aussetzen, auch Holger Badstuber fehlt. Ihn ersetzt Diego Contento. Doch vor allem der Ausfall van Bommels tut den Münchnern weh. Daniel Pranjic wird seinen Platz einnehmen.

Doch all das interessierte nur randläufig. Auch wenn sich die Kommunikationsabteilung redlich mühte, den Fokus auf das Spiel zu lenken. Gestern vor der internationalen Pressekonferenz disponierten sie um. Eigentlich war Ribéry neben Daniel van Buyten dafür vorgesehen, statt seiner erschien Philipp Lahm. Man beantworte nur sportliche Fragen, hieß es. Und über Ribéry gab es nur folgende Auskunft. "Er hat gut trainiert" (Co-Trainer Andries Jonker), "Er ist gut im Kopf und sehr motiviert", sagte van Buyten und mit seinem Vertrag beschäftige er sich momentan nicht. "Er will sich aufs Sportliche konzentrieren." Angesichts der Schlagzeilen dürfte das schwerfallen.