Ermittlungen gegen mehr als 200 Verdächtige in insgesamt zehn Ländern. Auch ein Testspiel in Deutschland soll angeblich verschoben worden sein.

Berlin. Ein neuer Wettskandal erschüttert den internationalen Fußball. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt gegen eine international agierende Bande, der gewerbsmäßige Wettbetrügereien zur Last gelegt werden. Nach Informationen der "Berliner Morgenpost" wurden in zehn Ländern mindestens 15 Haftbefehle vollstreckt, gegen mehr als 200 Verdächtige wird in dem Verfahren ermittelt. Die Europäische Fußballunion (Uefa) unterstützte den Einsatz. "Die Beschuldigten sind verdächtig, Spieler, Trainer, Schiedsrichter und Offizielle aus hochrangigen Fußballligen gegen Geldzahlungen veranlasst zu haben, den Ausgang von Spielen im Sinne der Bande zu manipulieren", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Bochum, Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität.

Ein ranghoher Ermittler sprach von einem der größten Skandale in der Geschichte des Fußballs: "Dieses Erdbeben wird die Glaubwürdigkeit dieses Sports nachhaltig erschüttern." Es soll auch ein Spiel in Deutschland betroffen sein, das Freundschaftsmatch SSV Ulm gegen Fenerbahce Istanbul (0:5) am 14. Juli 2009. Bislang unbekannte Ulmer Spieler sollen mehrere Tausend Euro kassiert haben. Zudem sind Begegnungen in Österreich, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Ungarn, Slowenien, der Schweiz und der Türkei unter Verdacht. Die Staatsanwaltschaft Bochum wollte sich zu Details noch nicht äußern. Harald Stenger, Mediendirektor des Deutschen Fußballbundes (DFB), sagte aber: "Die Uefa- und DFB-Frühwarnsysteme für die Überwachung des Wettmarktes haben keinerlei Erkenntnisse über Spielmanipulationen in deutschen Ligen geliefert."

Gestern Morgen wurden die erste Haftbefehle vollstreckt, mindestens fünf davon in Berlin. Darunter soll sich der einschlägig bekannte Ante S. befinden, der in den Schiedsrichterskandal um Robert Hoyzer verwickelt war. Er wurde von Spezialkräften der Berliner Polizei in seiner Wohnung in Charlottenburg gestellt. S. hatte 2005 den "Hoyzer-Skandal" mit zu verantworten, in dem Hoyzer in einigen Spielen gegen Zahlung von insgesamt 67 000 Euro absichtlich falsch gepfiffen hatte.

Zusammen mit anderen wurde S. zur Vernehmung ins Landeskriminalamt gebracht, unter ihnen auch Milan S., einer seiner Brüder. Wie die "Berliner Morgenpost" aus Ermittlerkreisen erfuhr, sollen die in Berlin festgesetzten Verdächtigen insbesondere türkische Erstligaspiele beeinflusst haben. Es werde nicht ausgeschlossen, dass im Zuge der Untersuchung auch türkische Nationalspieler ins Visier der Sicherheitsbehörden kommen.

Die Uefa hatte unlängst bekannt gegeben, dass 40 Spiele auf mögliche Manipulationen untersucht werden. Dabei handelt es sich auch um Begegnungen der Champions League sowie des Uefa-Cups, vor allem um Qualifikationsspiele für die europäischen Wettbewerbe. Im April war der mazedonische Verein Pobeda Prilep für acht Jahre aus den Uefa-Wettbewerben ausgeschlossen worden. Der Verband befand den Klub der Manipulation in der Partie gegen den FC Pjunik Erewan aus Armenien für schuldig.

Die Uefa hat ein umfassendes Überwachungssystem auf- und immer weiter ausgebaut - es war eine der Lehren aus dem Hoyzer-Skandal. Seit dieser Saison werden nicht mehr nur Spiele der diversen Europapokalwettbewerbe überwacht, sondern auch sämtliche Begegnungen in den ersten und zweiten Ligen aller Mitgliedsländer sowie nationale Pokalspiele; rund 29 000 Spiele pro Saison. Und doch steht die Uefa dem Treiben von Klubfunktionären und Spielern kleiner Klubs in den wirtschaftlich schwächeren Ligen Ost- und Südosteuropas mitunter unverändert machtlos gegenüber. Nicht zuletzt deshalb wurde im Sommer 2008 der UI-Cup abgeschafft.

Die Uefa kapitulierte schlichtweg vor der kaum zu überwachenden Geldwäsche via Sportwetten, wie sie auf Sportplätzen in den hintersten Winkeln der europäischen Fußballwelt regelmäßig stattgefunden haben sollen. In ihrem Feldzug gegen Spielmanipulationen fehlt es der Uefa zumeist an der juristischen Handhabe, weil der Straftatbestand des Sportbetruges in vielen Ländern nicht gegeben ist - auch bisher in Deutschland nicht.