Den Münchnern droht das Aus in Europas Königsklasse. Trainer Louis van Gaal ist gescheitert - an den Seinen und an seiner Philosophie.

München. Zu vorgerückter Stunde flüchtete sich Louis van Gaal gar in Plattitüden. Und das besagt bei einem Trainer wie dem selbstherrlichen Fußballlehrer recht viel über seinen Gemütszustand. "Das Leben geht weiter", sagte van Gaal auf dem Podium der Münchner Arena, das habe er zuvor auch seinen Spielern in der Kabine mitgeteilt.

Nun sollen jene Durchhalteparolen in der Umkleide nach dem blamablen 0:2 des FC Bayern München gegen Girondins Bordeaux reichlich lautstark ausgefallen sein. Und sie zeigen vor allem eines: die Ratlosigkeit eines Trainers, der sein erstes Ziel schon nach vier Monaten Amtszeit zu verpassen droht. Den Einzug ins Champions-League-Achtelfinale haben die Münchner nach ihrer erschreckend leblosen Vorstellung nicht mehr in der eigenen Hand.

Als Finale hatte van Gaal jene Partie bezeichnet. Er, der selbsternannte Prozesstrainer, hat es verloren - und zwar nicht nur aus Mangel an Glück, wie er anführte. Er ist gescheitert an vielen Unzulänglichkeiten der Seinen, aber auch an seiner Philosophie, deren Umsetzung erneut nicht gelang. Die Ideen van Gaals fußen auf einem Plus an Ballbesitz. Jenen Mehrwert boten die Bayern auch gegen Bordeaux, zu 60 Prozent hielten sie das Arbeitsgerät in ihren Reihen. Doch wie trügerisch diese Zahl ist, zeigt eine andere Statistik. Ballbesitz heißt bei den van-Gaal-Bayern uninspiriertes Hin-und-Hergeschiebe. Die häufigsten Pässe spielten sich ausgerechnet die Innenverteidiger Martin Demichelis und Holger Badstuber zu, 38-mal rollte der Ball von einem zum anderen. Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Rückpässe, verunsichertes Verantwortung-Abgeben und ideenlose Risikominimierung, das ist der FC Bayern im November 2009.

"Wir können einen französischen Meister nicht einfach wegspielen. Wir wissen, dass uns im Moment die Kreativität fehlt, wenn Arjen Robben und Franck Ribéry nicht dabei sind", sagte van Gaal. Es ist die alte Leier: Ohne den maladen Ribéry und den erst in der zweiten Hälfte eingewechselten Robben lassen die Bayern jegliches spielerische Element vermissen. Sie wirken pomadig, ihre linke Seite gar gänzlich verwaist. Noch voriges Jahr wirbelten dort Lahm, Zé Roberto und Ribéry; "die beste linke Seite Europas" nannte Franz Beckenbauer das Trio. Lahm verrichtet nach der von ihm gewünschten Umbesetzung nun auf der rechten Außenbahn seine Arbeit, was er nicht annähernd auf dem Niveau der vergangenen Jahre tut. Links durften gegen Bordeaux van Gaals Mitbringsel aus der niederländischen Liga ran, Edson Braafheid und Danijel Pranjic, Nationalspieler aus den Niederlanden und Kroatien. Sie blieben erneut den Nachweis schuldig, zu Höherem berufen zu sein.

Einen Mangel an Selbstvertrauen hatte Bordeaux-Trainer Laurent Blanc beim Gegner erkannt. Manifestieren lässt sich jener Fakt vor allem an der Münchner Offensive. Miroslav Klose schlich fast ungesehen über den Platz. Seinem eingewechselten Nationalmannschaftskollegen Mario Gomez gelang ebenso wenig. Lediglich Luca Toni ackerte, wenn auch erfolglos.

"Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Leider ist es für die Champions League schon zu spät", sagte Lahm und traf damit die allgemeine Stimmung in München, wo die Verantwortlichen in Person von Manager Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge die Stätte der Schmach wortlos verließen.