Nach dem schwachen 1:1 gegen Finnland redete Michael Ballack Tacheles. Freunde unter den Fans dürfte er sich nicht gemacht haben.

Hamburg. Auf dem Spielfeld konnte Michael Ballack keine großen Akzente setzten. Dafür aber nach dem blamablen 1:1 im abschließenden Spiel der WM-Qualifikation gegen Finnland in Hamburg. Sauer war er, der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Was ihn auf die Palme brachte? Die Pfiffe der Fans, die für ihr Geld mehr als das Gebotene erwartet hatten.

„Ich habe kein Verständnis für die Pfiffe. Natürlich haben wir nicht gut gespielt, aber das hat die Mannschaft nach dieser guten Qualifikation nicht verdient. Wir sind alle enttäuscht. Ich hätte mehr Fingerspitzengefühl erwartet“, polterte Ballack.

Nur gut, dass der DFB-Elf jedenfalls eine Aktion halbwegs gelang. Als die Abwehr der finnischen Nationalmannschaft in der 89. Minute dann doch einmal die Ordnung verlor, fiel Lukas Podolski vier Meter vor dem Tor der Ball auf den Fuß. Der Kölner zog mit dem rechten Fuß ab, traf die Kugel nicht richtig, die aber dadurch ins linke Eck zum 1:1 trudelte. Eine Aktion, die symptomatisch war für den gestrigen Auftritt der deutschen Nationalmannschaft, der vor allem eines war: zum Abgewöhnen.

Vor allem die erste Halbzeit gehörte zu den schlimmsten 45 Minuten in der Länderspiel-Geschichte. Mit Folterfußball wurden die deutschen Fans im letzten Qualifikationsspiel gegen Finnland gequält.

Erbärmlich, wie pomadig die Deutschen agierten, ohne Konzentration, mit einer grauenhaften Fehlerquote, ohne Dynamik in den Zweikämpfen. Lockeres Auslaufen vor den nächsten Ligaaufgaben, bloß kein Verletzungsrisiko eingehen, so lautete offenbar die interne Devise. Man musste fast dankbar dafür sein, dass dieser erbärmliche Kick mit einem Gegentor bestraft wurde.

Von den Spielern aus der zweiten Reihe, die Löw im Hinblick auf die WM in Südafrika testen wollte, konnte sich allenfalls Cacau in Ansätzen empfehlen, der im 4-3-3-System der ersten Hälfte auf der rechten Seite agierte. Erschreckend der Auftritt des Hoffenheimers Andreas Beck. Auch Piotr Trochowski war mit seiner Aufgabe in der Zentrale überfordert.

Bereits nach 20 Minuten waren die Fans mit ihrer Geduld am Ende und pfiffen bei jeder misslungenen Aktion. "Das ist schon schade", klagte später Trochowski, "immerhin haben wir uns wenige Tage zuvor für die WM qualifiziert. Die Pfiffe haben nicht gerade geholfen."

Nachdem Bundestrainer Joachim Löw nach der Pause auf ein 4-4-2-System mit Raute im Mittelfeld umgestellt hatte, war zumindest ein Hauch von Vorwärtsdrang zu erkennen, der aber häufig weiter von etlichen Unzulänglichkeiten begleitet war. Erschreckend, wie lässig die Finnen durch die deutsche Defensive spazieren konnten. Peinlich, wie Mario Gomez den Stürmer von der traurigen Gestalt gab und sich Lukas Podolski unsichtbar zauberte. Bis zur 89. Minute. Der Ausgleich war die Belohnung für eine engagierte Schlussphase, die aber das Gesamtbild trotzdem nicht verschönern konnte. Obwohl Löw an der Außenlinie mehrfach über die Darbietungen getobt hatte, gab er sich nach dem Abpfiff gelassen: "Nach dem Russland-Spiel war es schwierig, die Frische zu haben, die Finnen waren gedanklich schneller." Die Pfiffe der Fans seien "nicht ganz unberechtigt" gewesen, weil kaum etwas zusammengelaufen sei. "Die Moral in der zweiten Halbzeit war aber gut."

Dennoch: Deutschland, so lautet die Haupterkenntnis nicht nur des gestrigen Abends, kann offenbar keine Freundschaftsspiele. Nur wenn sie wirklich gefordert ist, kann diese DFB-Elf auch Leistung abrufen. Genau das ist es, was Optimisten für die WM Mut macht. Mit dem Abpfiff wurde schon mal hoffnungsvoll der Gassenhauer "54, 74, 90, 2010" abgespielt. Aber dem Image hat dieser Auftritt sicher nicht geholfen.

Deutschland: Adler - Beck, A. Friedrich, Westermann, Lahm - Ballack (46. Özil), Hitzlsperger (46. Gentner), Trochowski - Cacau, Gomez (77. Klose), Podolski.

Finnland: Jääskeläinen - Lampi, Hyypiä, Moisander, Sparv - Heikkinen, R. Eremenko - Johansson, Hämäläinen (66. Kolkka) - Litmanen (86. Nyman), Porokara (72. Kuqi).

Tore: 0:1 Johannsson (11.), 1:1 Podolski (90.). Zuschauer: 51.500. Schiedsrichter: Atkinson (England). Gelb: Sparv.

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