Der Bundestrainer hält die Kritik aus der Bundesliga an seinen Nominierungen für “unfassbar und völlig absurd“.

Köln. Der Rahmen war passend gewählt. Ins Gürzenich, ein mehr als 500 Jahre altes Festhaus, in dem einst Adlige, hohe Bürger und Ehrengäste der Stadt Köln empfangen wurden, hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Dienstagabend geladen. Theo Zwanziger, der Präsident, ehrte die Spieler der deutschen U-21-Auswahl, zu der auch die HSV-Profis Jerome Boateng, Dennis Aogo und Änis Ben-Hatira zählten, die im Juni in Schweden den Europameistertitel errungen hatten.

Als Staffage war die A-Mannschaft zum Festakt erschienen. Weil es galt, dem Nachwuchs die Ehre zu erweisen, durfte natürlich auch der Bundestrainer nicht fehlen, der unabhängig vom Titel derzeit sehr gut auf den Nachwuchs zu sprechen ist. "Weil wir endlich einmal wieder eine komfortable Situation im deutschen Fußball haben", sagte Joachim Löw. "Es drängen immer mehr junge Spieler mit guten und nachhaltigen Leistungen in die A-Mannschaft. Das ist optimal."

Viel mehr Grund zur Freude hat Löw derzeit aber nicht. Seine Mannschaft, die sich seit gestern in Köln auf das Testspiel gegen Südafrika am Sonnabend in Leverkusen und die Partie in der WM-Qualifikation am kommenden Mittwoch in Hannover gegen Aserbaidschan (beide 20.45 Uhr, ZDF live) vorbereitet, hat zuletzt nicht überzeugend gespielt und dadurch die Kritiker auf den Plan gerufen. In der Qualifikation für die WM in Südafrika 2010 liegt die Mannschaft mit 19 von 21 Punkten zwar im Soll, jedoch droht ihr bei einer Niederlage am 10. Oktober in Russland die Relegation. Löw weiß um diese Gefahr und nimmt seine Spieler deshalb in die Pflicht. "Wir müssen uns unbedingt steigern. In diesem Jahr sind wir nicht dominant genug", hat er erkannt und damit einen "großen Schwachpunkt" ausgemacht.

Die Leistung des Teams, das gestern mit Ausnahme der angeschlagenen Michael Ballack (Chelsea London), Robert Enke (Hannover), Lukas Podolski (Köln) und Mesut Özil (Bremen) einen Fitnesstest absolvierte, ist das eine. Aber auch der Bundestrainer, der keinen Ärger braucht, um in Ruhe die wichtigen Aufgaben anzugehen, hat zuletzt Angriffsfläche geboten. Im Hinblick auf seine Nominierungspolitik sieht er sich seit Tagen Vorwürfen ausgesetzt. Nachdem er es bereits in der "Welt am Sonntag" als "völlig absurd" bezeichnet hatte, bei der Auswahl der Spieler nicht immer nach dem Leistungsprinzip zu gehen, legte Löw gestern in Köln noch einmal gegen seine Kritiker nach.

"Hier wurde ganz klar über das Ziel geschossen. Es ist unfassbar, dass wir uns vorwerfen lassen müssen, dass wir unsere Entscheidungen nicht nach Leistungskriterien, sondern aus emotionalen Gründen oder nach bestimmtem Vereinen treffen würden", sagte Löw. Der Trainerstab der deutschen Nationalmannschaft, ergänzte der 49-Jährige, würde alle Personalentscheidungen und taktischen Maßnahmen der Bundesligatrainer respektieren. "Aber diesen Respekt erwarten wir umgekehrt genauso. Außerdem tragen wir die Verantwortung für das, was bei der deutschen Nationalelf passiert", stellte Löw klar.

Den Unmut hatte er sich unter anderem im Hinblick auf die Nicht-Nominierung von Tim Wiese zugezogen. Anstelle des Bremer Torhüters wurde der Schalker Manuel Neuer als dritter Torhüter neben Enke und Rene Adler (Leverkusen) nominiert, "weil wir ihn noch nicht so genau kennen", wie es Bundestorwarttrainer Andreas Köpke formulierte. Bremens Sportdirektor Klaus Allofs sagte: "Viel deutlicher kann man Tim nicht zeigen, was anscheinend das Trainerteam von ihm hält."

Am Ende, das weiß auch der Bundestrainer, werden die Spiele zeigen, ob seine Entscheidungen richtig waren. Was die Torhüter betrifft, braucht er sich ob der großen Auswahl an guten Keepern kaum Gedanken zu machen. Einen Bumerang-Effekt könnte dagegen die Besetzung des Angriffs zur Folge haben. Denn da hat er auf den derzeit besten deutschen Stürmer Stefan Kießling (Leverkusen, vier Bundesliga-Tore) verzichtet und neben Mario Gomez (FC Bayern, zwei) auf die bislang erfolglosen Miroslav Klose (Bayern), Podolski und Cacau (Stuttgart) gesetzt. Löw baut bei Klose und Podolski auf deren Erfahrung und die "fast immer guten Leistungen" in der DFB-Auswahl. Bleibt zu hoffen, dass sie ihn nicht enttäuschen. Sonst bringen sie ihren Trainer in Erklärungsnot.