Beim Spiel gegen Dänemark könnte er als Erster in Europa die Bestmarke mit nur 27 Jahren erreichen

Danzig. Auf den ersten Blick betrachtet ist die 100 eine genauso wichtige oder auch unwichtige Zahl wie die 99 oder die 101. Aber Fußball ist bekanntlich keine Mathematik, weswegen DFB-Pressesprecher Harald Stenger am Freitagmittag auf der turnusmäßigen Pressekonferenz etwas weiter als gewohnt ausholte. "Es war einmal", fing Stenger im Duktus eines Märchenonkels an und erzählte dann, wie der blutjunge Lukas Podolski im Sommer 2004 erstmals zur Nationalmannschaft stieß. 99 Länderspiele sind seitdem vergangen, und wenn sich nicht alle täuschen, dann dürfte der um acht Jahre gereifte Podolski, der auf dem erhöhten Pult neben Stenger am Freitag noch immer wie der Lausbub von 2004 aussah, an diesem Sonntag im Spiel gegen Dänemark (20.45 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) zu seinem 100. Einsatz kommen.

"Ich habe immer gesagt: 100 ist ein Ziel, eine Marke, ein Traum", sagte der Noch-Kölner, der aber bei dieser EM noch eine ganz andere Zahl im Kopf hat. So sei es ein noch viel größeres Ziel, sein 103. Länderspiel im Finale am 1. Juli in Kiew zu bestreiten, mit dem er sogar mit Kaiser Franz Beckenbauer gleichziehen könnte. Und Schluss, das stellte der Dauerbrenner klar, ist dann noch lange nicht. Zum Vergleich: Ägyptens Nationalspieler Ahmed Hassan, 37, hat gerade sein 184. Länderspiel bestritten, Weltrekord, und danach hat er keineswegs erklärt, dass er nun aufhören wolle. Und mit gerade 27 Jahren finge für Podolski der Spaß in der Nationalmannschaft doch gerade erst an.

Wie groß dieser Spaß tatsächlich ist, beweist ein Satz, der mehr als alles andere Podolskis Verbundenheit mit dem DFB-Team dokumentiert: "Wäre die Nationalmannschaft ein Klub, dann wäre sie ein Verein wie der FC." Der "Effzeh", also der 1. FC Köln, das ist Podolskis eigentliche Liebe. Und obwohl er sein Köln nun im Sommer Richtung Arsenal London verlässt, wird der Klub aus der Domstadt doch immer in seinem Herzen bleiben, genauso wie mittlerweile auch die Nationalmannschaft: "Das ist ein Team, das mir ans Herz gewachsen ist, in dem man sich wohlfühlt, wo auch die Atmosphäre optimal ist. Wenn man eingeladen wird, ist man froh, den Adler auf der Brust zu haben."

Am Sonntag, wenn das DFB-Team in Lwiw gegen Dänemark um den Sieg in der Gruppe B spielt, wird er diesen nun also zum 100. Mal auf der Brust tragen - es sei denn, Joachim Löw überlegt es sich bis zum Anpfiff doch noch mal anders. Zwar gehört Podolski, ähnlich wie Philipp Lahm und Miroslav Klose, zu den erklärten Lieblingsspielern des Bundestrainers, aber das hat auch Podolskis "Spezi" Klose nicht vor einem Platz auf der Bank bewahrt. Und auch der Neu-Londoner hat mit André Schürrle und Marco Reus gleich zwei formstarke Konkurrenten im Nacken.

Nach dem 2:1 gegen die Niederlande am Mittwoch ist jedenfalls wieder mal eine Diskussion entbrannt, ob Podolski überhaupt in die Stammelf gehört. 41 Ballkontakte hatte er gegen Holland, 46 zuvor gegen Portugal. Das ist der viertschlechteste Wert im DFB-Team, eine Zeitung berichtete gar vom "Problemfall Poldi". Natürlich spüre er "den Druck, den junge Spieler wie Schürrle oder Reus auf mich ausüben", sagte der kölsche Jung, "aber Sorgen mache ich mir keine." Warum auch?

Der "Poldi" aus Bergheim wird vermutlich am Sonntag, spätestens aber in den nächsten Tagen, der erste Spieler in Europa sein, der dem legendären Hunderter-Klub schon im zarten Alter von 27 Jahren beitritt. Auch die 150 Einsätze von Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, selbst die 184 Spiele von Weltrekordler Ahmed Hassan sind keine Utopie mehr. Zwar wären solche Zahlen "ein Traum" und würden ihn mit "einem gewissen Stolz" erfüllen, "doch es gibt nach dem Fußball 1000 wichtigere Dinge als solche Statistiken", behauptet Podolski. Wobei 1000 auch wieder nur so eine Zahl ist. Nicht wichtiger als 999 oder 1001, auf den ersten Blick betrachtet.

Abendblatt-Redakteur Kai Schiller schreibt täglich aus dem DFB-Quartier einen Brief an Hamburg www.abendblatt.de/schillersbriefe