Nach der 22. Meisterschaft wollen die Münchner weitere Titel in den kommenden Wochen folgen lassen

München. Ein paar kleine Tücken hält die deutsche Sprache für Louis van Gaal selbst nach zehn Monaten noch parat. Am Sonnabendnachmittag saß der Niederländer im Diensten des FC Bayern auf dem Podium in den Katakomben der Arena und referierte: "Wir sind theoretisch deutscher Meister, aber noch nicht praktisch." Prompt fiel ihm sein Mediendirektor ins Wort. "Nein, umgekehrt", korrigierte Markus Hörwick. Van Gaal stutzte und überlegte. "Okay, das verstehe ich nicht". sagte er. Es war das einzige Missverständnis an einem Nachmittag, der nicht schöner hätte enden können für den FC Bayern.

Mit 3:1 hatten die Münchner den VfL Bochum bezwungen. Drei Punkte und 17 Tore trennen sie vor dem finalen Bundesliga-Spieltag von Konkurrent Schalke 04. An die theoretische Chance eines 0:9 der Münchner in Berlin und eines gleichzeitigen 9:0 der Schalker in Mainz am kommenden Sonnabend glaubt praktisch sowieso keiner. Und so feierten sie in München am Sonnabend ihre 22. deutsche Meisterschaft.

Doch der Ligatriumph soll erst der Anfang einer historischen Trilogie aus Meisterschaft, Pokal und Champions League sein. Man wähnt sich befreit vom Druck der vergangenen Woche. "Dieser erste Titel hilft uns beim Versuch, auch den zweiten und dritten zu gewinnen", sagte Mark van Bommel. "Wir haben in den nächsten Wochen die Riesenchance, die Saison zu vergolden", sagte Bastian Schweinsteiger.

Die Saison firmiert schon jetzt unter dem Prädikat herausragend. Für Bayern war sie wie ein zehnmonatiger Steigerungslauf. Die Last der Findungsphase haben sie längst abgelegt, mittlerweile sind sie beim furiosen Finale angelangt. Sie dominieren ihre Spiele und kombinieren, als seien die Gegenüber nur Staffage. Die ersten 30 Minuten des Genuss-Fußballs gegen Bochum stufte van Gaal hinterher als das Schönste ein, das er in der Arena gesehen habe.

Es war ein Nachmittag mit vielen Episoden. Mit der von Thomas Müller beispielsweise, dem Dreifach-Torschützen. Oder aber die Geschichte von Jörg Butt, dem 35-jährigen Torwart. Es war sein erster Titel, "ein ganz besonderer Tag", sagte er. 2002 war Butt der Vierfach-Vize - mit Leverkusen in Meisterschaft, Pokal und Champions League und mit der Nationalmannschaft bei der WM in Japan und Südkorea.

Es war auch der Nachmittag des Franck Ribéry. Möglicherweise war es sein letzter Auftritt in der Arena. Noch ist nicht klar, ob er bleibt oder geht. Die Fans jedenfalls feierten ihn, als gäbe es all die Schlagzeilen um sein ausschweifendes Privatleben und einen möglichen Abgang nicht. Und auch die Vereinsoberen demonstrierten die familiäre Bande. Am Mittwoch wird eine Bayern-Abordnung bei der Uefa vorsprechen. Es geht um Ribérys Sperre für das Champions-League-Endspiel nach seiner Roten Karte vor zwei Wochen im Halbfinale gegen Lyon.

Und natürlich war der Sonnabend der Nachmittag des Louis van Gaal. Er ist nun der erste niederländische Meistertrainer in Deutschland, er ist Meister in drei verschiedenen Ländern, mit Alkmaar und Ajax Amsterdam in den Niederlanden, mit Barcelona in Spanien und nun mit dem FC Bayern in Deutschland. "Sehr stolz" sei er darauf. Er hätte es nicht mal sagen müssen, sein ganzer Habitus strahlte jene Verzückung aus. Ob er bei einem möglichen Triple weitermachen werde, das müsse er sich noch überlegen, sagte er.

Seinen Vorgesetzen hatte van Gaal schon im Vorfeld klargemacht, dass jeder Titel extra gefeiert werde. Die spontane Meisterparty am Sonnabend, ein Restaurantbesuch, der reichlich manierlich über die Bühne ging, war nur der Auftakt. Am kommenden Sonntag folgt der offizielle Part mit den Fans und der Schale auf dem Münchner Rathausbalkon. "Dann werden wir es krachen lassen", hat Rummenigge angekündigt und bei van Gaal Zustimmung geerntet. "Ich bin ein Feierbiest", sagte jener im schönsten Deutsch. In der Theorie eine verheißungsvolle Ankündigung, in der Praxis steht der Nachweis noch aus.