Hamburg. Cheftrainer Serge Aubin sendet mit seiner Entscheidung für Neuzugang Cal Heeter ein deutliches Signal an Stammtorwart Kotschnew.

Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass am Tag, als bei den Hamburg Freezers das Torwartthema hochkochte, 24 Nachwuchskeeper im Alter von sechs bis 15 Jahren über das Eis der Volksbank-Arena schlitterten. Boris Rousson, einst Publikumsliebling beim Club aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) und aktuell als Torwarttrainer und Nachwuchscoach beschäftigt, arbeitet in den Herbstferien mit Puckfangtalenten. Wie wichtig es ist, auf dieser Position auch im eigenen Nachwuchs gut aufgestellt zu sein, wurde am Sonntagabend wieder deutlich.

Anfang des zweiten Drittels des Freezers-Gastspiels bei den Mannheimer Adlern nämlich verletzte sich der als Ersatz für den an der Bandscheibe operierten Stammkeeper Sébastien Caron verpflichtete Torhüter Cal Heeter so schwer am Knie, dass er nach dem Mannheimer Führungstor gegen Dimitrij Kotschnew ausgetauscht werden musste. Am Montagmittag konnten die Hamburger zwar Entwarnung geben, der 26-Jährige muss wegen einer Innenbandzerrung im rechten Knie zunächst bis Mittwoch mit dem Training aussetzen, anschließend wird von Tag zu Tag geschaut, wann er wieder eingesetzt werden kann. Dennoch wurden kurzzeitig Erinnerungen wach an die Saison 2005/06, in der aufgrund einer beispiellosen Verletzungsserie sieben verschiedene Torhüter im Kasten der Freezers zum Einsatz kamen.

Kommentar: Eine Degradierung ohne Not

Wie sensibel und entscheidend die Besetzung des Torwartpostens ist, zeigte sich am abgelaufenen Wochenende. Für die meisten Beobachter war es überraschend, dass Cheftrainer Serge Aubin den erst am Freitag lizenzierten Heeter am Sonntag in Mannheim bereits aufs Eis schickte. Immerhin hatte der 193 Zentimeter große US-Amerikaner nur ein einziges Mal mit seinem neuen Team trainieren können. Bei seinem bisherigen Arbeitgeber Medvescak Zagreb, der in der russischen Topliga KHL spielt, war er dritter Torhüter gewesen und hatte entsprechend wenig Spielpraxis erhalten, was der Hauptgrund für seinen Wechsel war.

Aubin wollte nach Köln-Pleite Zeichen setzen

Dennoch hatte Aubin nach der 3:4-Niederlage nach Verlängerung am Freitagabend gegen die Kölner Haie das Gefühl, ein Zeichen setzen zu müssen. Offiziell erklärte der Coach, er habe Heeter einfach seinen ersten Einsatz gewähren wollen. „Er war fit, die KHL ist stärker als die DEL, im Training am Sonnabend hat er einen guten Eindruck hinterlassen, und ich wollte ihn im Wettkampf sehen“, sagte Aubin am Montag. Es sei keine Entscheidung gegen Kotschnew gewesen. „Es hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir Dimi degradieren wollen“, sagte er.

Tatsächlich jedoch sind Aubin und Stéphane Richer, Co-Trainer und Sportdirektor in Personalunion, mit Kotschnews bisheriger Saisonleistung nicht zufrieden. Der 34-Jährige gilt als Torhüter, der dem Team zu selten Spiele gewinnt. Schon in der vergangenen Saison setzte das Trainerteam in wichtigen Spielen eher auf Caron. Unter dem Eindruck der Weltklasseleistung des Kölner Keepers Gustaf Wesslau dürfte in Aubin die Entscheidung gereift sein, mit dem sofortigen Torwartwechsel das neue Duell Kotschnew gegen Heeter einzuläuten. Zwar hat Kotschnew noch einen Vertrag bis 2017, sollte Heeter jedoch überzeugen, könnte er im kommenden Jahr Caron endgültig ersetzen. Beide haben nur Arbeitspapiere bis Saisonende.

Das Risiko, auf einen nicht eingespielten Torhüter zu setzen, wurde in Mannheim immerhin nicht bestraft. Heeter zeigte bis zur Verletzung, dass er durchaus gute Anlagen besitzt. Kotschnew war nach seiner Einwechslung so stark, dass er erst im Penaltyschießen, mit dem sich Mannheim den 2:1-Sieg sicherte, bezwungen wurde. Ob er sich degradiert gefühlt habe, wollte der frühere Nationaltorwart nicht beantworten. „Ich will nicht zu viel erzählen“, sagte er, ehe er lächelnd in die Kabine entschwand. Eine Erklärung habe er nicht erhalten, was laut Aubin jedoch nichts Besonderes sei: „Ich muss meine Entscheidungen nicht erklären“, sagte der Coach.