Die Hamburg Freezers sind erfolgreich wie nie. Die Punktspielrunde haben sie als bestes Team der Deutschen Eishockey Liga (DEL) abgeschlossen. Somit gehören sie vor Beginn der Playoffs zu den Titelanwärtern.

Die HSV-Fußballer erleben eine Horrorsaison, die HSV-Handballer pendeln zwischen dürftigen Resultaten und bedrohlichen Finanzproblemen. Unterdessen herrscht bei den Nachbarn im Stellinger Arena-Dorf ausgelassene Partystimmung: Die Hamburg Freezers sind erfolgreich wie nie, umjubelt, gefeiert und anscheinend auf dem Weg zum größten Triumph ihrer jungen Clubgeschichte. Die „Eisschränke“ , wie sie genannt werden, haben die Punktspielrunde als bestes der 14 Teams der Deutschen Eishockey Liga (DEL) abgeschlossen. Somit gehören sie vor Beginn der Playoffs am kommenden Sonntag zu den Titelanwärtern.

Danach sah es vor einem halben Jahr allerdings nicht aus. Verletzungsbedingte Ausfälle von Leistungsträgern hatten dazu geführt, dass das Team im Oktober auf den letzten Tabellenplatz stürzte. „Enorm wichtig war in dieser Phase, dass alle im Verein ruhig geblieben sind und niemand in hektischen Aktionismus verfallen ist“, erklärt Sportdirektor Stéphane Richer.

Zurück auf die Erfolgsspur

Was dann geschah, verblüffte Eishockey-Deutschland. Die Freezers rollten das Feld von hinten auf, waren kaum mehr zu bezwingen und enterten am 3. Januar sogar die Tabellenspitze der DEL. Innerhalb von nur 70 Tagen entkamen sie den sportlichen Niederungen und kehrten zurück auf die Erfolgsspur.

In den Augen des Sportdirektors gehörte dazu allerdings keine Magie und es war auch kein Zufall. „Dieser Erfolg ist das Ergebnis von drei Jahren zielgerichteter Aufbauarbeit. Echt erstaunlich waren nur die langen Phasen ohne Niederlage“, sagte er. Zwischenzeitlich gewann die konstant auf hohem Level spielende Mannschaft 19 Heimspiele am Stück, ehe die Superserie durch eine unglückliche 0:1-Niederlage gegen Mannheim riss.

Leider ähnelt diese „Hauptrundenmeisterschaft“ dem Herbstmeistertitel in der Fußball-Bundesliga. Und das bedeutet, ein Muster ohne Wert, außer dass der Verein damit die Teilnahmeberechtigung an der neu geschaffenen Champions League erlangt hat. Mit der ersten Viertelfinalpartie am kommenden Sonntag in der O2-World beginnen die Partien im Best-of-seven-Modus. Wer viermal verliert, scheidet aus.

Prognosen sinnlos

Prognosen sind bei der Leistungsdichte in der DEL in dieser Situation so sinnlos wie vor Saisonbeginn. „Immer, wenn es losgeht, sind Berlin, Mannheim oder neuerdings Red Bull München favorisiert“, sagt Richer, der vor vier Jahren zu den Freezers stieß. Was solche Vorhersagen taugen, zeige der Blick auf die Tabelle. München und Berlin mussten wochenlang sogar um den Einzug in die Pre-Playoffs bangen.

Die Titelchancen der Vereine aus dem Tabellenmittelfeld sind kaum geringer als die der Freezers, denen sie bisher mit 20 oder mehr Punkten hinterherhinkten. „Von der ersten Playoff-Sekunde an wird man spüren, das ist eine andere Welt“, kündigt Richer an. Jeder Einzelne mobilisiere angesichts des drohenden Ausscheidens die letzten Reserven an Physis, Schnelligkeit und mentaler Kraft.

„Am Ende wird die Mannschaft Meister, die die wenigsten Fehler macht“, glaubt Kapitän Christoph Schubert. Der Modus, dass die Teams im äußersten Fall sieben Mal binnen zwei Wochen gegeneinander antreten müssen, ändert vieles. Spieler und Trainer kennen Vorzüge und Defizite des Kontrahenten bis ins letzte Detail. Wie zwei Boxer im Ring würden die Gegner einander belauern, stets bereit, jede Schwäche des Gegenüber blitzartig auszunutzen, zieht Richer einen sinnfälligen Vergleich.

Young Freezers schaffen Aufstieg

Bereits in den vergangenen beiden Spielzeiten schaffte das junge Hamburger Team den Sprung in die Playoff-Phase, kam aber über die erste Runde, das Viertelfinale, nicht hinaus. Daraus leitet sich das Ziel für die kommenden Wochen ab. „Diesmal wollen wir auf jeden Fall das Halbfinale erreichen“, fordert Richer. Das wäre Bestleistung für die Hamburg Freezers, die vor elf Jahren quasi aus dem Boden gestampft wurden.

Vor vier Jahren engagierte der Verein Benoit Laporte als Chefcoach und entschloss sich zu einem Strategiewechsel. Die Hamburger wollten weg vom Image einer Legionärstruppe, in der namhafte Spieler auf ihrer Rundreise durch den Eishockeykosmos mal kurz in der Hansestadt Station machen. Heute besteht der Kern der Mannschaft aus jungen, deutschen Profis – und so soll es weitergehen. Mit Boris Rousson kümmert sich ein ausgewiesener Fachmann hauptamtlich um den Nachwuchs. Rousson ist beliebt bei den Fans. Von 2002 bis 2007 hütete er als Profi das Tor der Freezers. Mehr noch: Gerade erst schaffte er mit den Young Freezers den Aufstieg in die Jugend-Bundesliga Nord.

„Wir haben aufgehört, kostspielige Spieler einzukaufen, und angefangen, selbst Talente zu erstklassigen DEL-Spielern zu formen“, skizziert Geschäftsführer Uwe Frommhold die neue Vereinsphilosophie. Von Anfang an sei klar gewesen, dass auf diesem riskanten Weg mit Rückschlägen zu rechnen ist. Es sei als Kunststück der sportlichen Führung zu werten, dass es ihr tatsächlich gelang, dem 24-köpfigen Kader den Glauben einzuimpfen, selbst eine Pleitenserie bilde einen Meilenstein beim Anstieg zum Eishockeygipfel.

Der Club will in die Gewinnzone

Rein wirtschaftlich betrachtet, müssen Profiteams immer oben mitspielen, wenn die Vermarktung funktionieren und der Investor Profite einfahren soll. Dem Eigner der Freezers, der Anschutz Entertainment Group, mussten also Geduld und Gewinnverzicht abverlangt werden. Philipp Anschütz willigte ein, weshalb Frommhold von seinem Chef schwärmt: „Er investiert ebenso viel Vertrauen wie Geld in den Verein, und er ist außerordentlich verlässlich.“

Die Gefahr, dass, wie bei anderen Clubs, der Eigentümer den Spaß an der Sache verlieren könnte und sein Kapital abzieht, sieht der ehemalige Hotelmanager nicht. Gelingt dem Club in dieser Saison der Sprung in die Gewinnzone? „Wir bemühen uns, dorthin zu kommen“, antwortet Frommhold und signalisiert per Mienenspiel, dass er nicht damit rechnet, den Break-even-Point in absehbarer Zeit zu erreichen.

Seit zwei Jahren wirkt er als Doppel-Geschäftsführer von Arena und Eishockeyteam. Gern spricht Frommhold über sein angloamerikanisches Rezept, das sowohl den betriebswirtschaftlichen wie den sportlichen Erfolg fördere. Es lautet: „Work hard, be fair, have fun“. Mit dieser Mixtur aus Tatendrang, Anstand und Lockerheit greifen die Hamburg Freezers nun nach den Sternen über dem „Planet Ice“.