Nationalkeeper hat Traumangebot aus Russland. Historisches Scheitern der DEB-Auswahl in Olympia-Quali erlebte Kotschnew als Zuschauer.

Hamburg. Deutschlands Eishockeynationalteam hat ein beispielloses Debakel erlebt: Die Olympischen Winterspiele 2014 finden zum ersten Mal seit 65 Jahren ohne ein deutsches Männerteam statt. Daran konnte auch das 3:2 (1:0, 0:1, 1:1) nach Verlängerung am Sonntag gegen Österreich nichts mehr ändern. Erstmals in der Geschichte des Deutschen-Eishockey-Bundes (DEB) verpasste das Nationalteam die Olympiaqualifikation. Für die 20. Olympiateilnahme wäre zwei Tage nach dem peinlichen 1:2 nach Verlängerung gegen Italien gegen Österreich ein Sieg in regulärer Spielzeit notwendig gewesen.

Die Tore von Benedikt Kohl (19. Minute), Kapitän Michael Wolf (47.) und Patrick Reimer in der Verlängerung waren aber zu wenig für das Team von Bundestrainer Pat Cortina im "Alles-oder-nichts-Spiel". Nach Treffern von Andre Lakos (31.) und Markus Peintner fahren stattdessen die Österreicher als Sieger des Qualifikationsturniers in Bietigheim-Bissingen nach Sotschi.

"Die Nichtqualifikation ist ein großer Imageschaden für das deutsche Eishockey, denn Olympia ist die größte Bühne, auf der man sich präsentieren kann", sagte Christian Ehrhoff. Der NHL-Profi hatte das Spiel in Nordamerika via Livestream verfolgt. "Das ist eine Riesenenttäuschung. Jetzt fahren wir nicht nach Sotschi, dabei sind Olympische Spiele eine der tollsten Erfahrungen, die man als Sportler machen kann und die ich bislang hatte", sagte er.

Dabei spielte die deutsche Mannschaft am Sonntagnachmittag sein stärkstes Turnierspiel und war klar überlegen. Kurz vor dem Ende des ersten Drittels brachte ein durch den Wolfsburgs Kohl abgefälschter Schuss von Constantin Braun die nur scheinbar beruhigende Führung. Im Mittelabschnitt verpasste es Deutschland, das Spiel zu entscheiden. Alex Barta (26.) und Kapitän Michael Wolf (28.) vergaben völlig freistehend. Das rächte sich, als Lakos kurz darauf per Gewaltschuss zum Ausgleich traf. Im letzten Drittel versuchte Deutschland noch einmal alles. Bis zum Spielende geschah indes nichts mehr. Deutschland musste in die Verlängerung und verpasste die nötigen drei Punkte. Das Siegtor von Nürnbergs Reimer in der Verlängerung bescherte seinem Team nur noch den zweiten Zähler.

Ein herber Imageschaden für das deutsche Eishockey ist damit perfekt. In Sotschi geht erstmals nur ein Frauenteam für den DEB an den Start. Dem klammen Verband drohen nun auch finanzielle Einbußen wegen möglicherweise gekürzter Fördermittel des Bundes. "Natürlich ist auch immer das Abschneiden der Nationalmannschaft Gegenstand der Gespräche", hatte DEB-Präsident Uwe Harnos hinsichtlich der Zielgespräche mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem Innenministerium gesagt.

Freezers-Torwart Dimitrij Kotschnew war bei den Spielen des Olympia-Qualifikationsturniers nur Zuschauer, weil Bundestrainer Pat Cortina auf Rob Zepp (Berlin) Dennis Endras (Mannheim) setzte. Für den in Kasachstan geborenen Schlussmann wäre eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Sotschi dennoch ein Traum gewesen. Wie das Abendblatt erfuhr, könnte Kotschnews Zukunft im Verein bereits in der neuen Saison in Russland liegen.

Dem Nationalkeeper, der erst im vergangenen Sommer in seine Wahlheimat Hamburg zurückgekehrt war, liegt ein Angebot aus der russischen Top-Liga Kontinental Hockey-League (KHL) vor, das er kaum ablehnen kann. Das Jahresgehalt soll bei knapp unter einer Million US-Dollar liegen. Kotschnew selbst wollte sich am Wochenende nicht zu den Wechselplänen äußern.

Die Freezers hatten bereits vor Wochen mit den Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung begonnen, ohne sie erfolgreich abschließen zu können. Als das hoch dotierte Angebot aus Russland bei Kotschnews Berater Sana Hassan eintraf, war klar, dass es schwer wird, den Keeper zu halten. Zudem war Kotschnew irritiert darüber, dass er im Verlauf der Saison nach schwächeren Spielen immer mal wieder aus dem Tor genommen wurde. Bislang absolvierte er 30 Spiele für die Freezers, Ersatzkeeper Niklas Treutle 14. Verständnis für die Torwartrotation von Trainer Benoît Laporte hatte Kotschnew wenig. Öffentliche Beschwerden darüber gab es von dem loyalen Teamspieler jedoch nie. "Wir sind nach wie vor in Gesprächen mit Dimitrij und seinem Agenten. Klar ist, dass wir finanziell nicht mit Russland konkurrieren können. Aber Geld ist nicht alles. Er kommt aus Hamburg, seine Freundin lebt hier. Wir werden alles probieren, ihn zu halten. Aber ich kann nicht sagen, was Dimitrij in der kommenden Saison machen wird", sagt Sportdirektor Stéphane Richer.

Bereits in der kommenden Woche könnte eine Entscheidung verkündet werden. Die Freezers-Verantwortlichen wollen vor dem Saisonendspurt Klarheit bei sämtlichen Vertragsentscheidungen haben, um den Fokus ausschließlich auf den Sport zu richten. Wie sehr ein solch hohes Angebot für Ablenkung sorgen kann, weiß Kotschnew aus eigener Erfahrung. Als Torhüter der Nürnberg Ice Tigers spielte er eine sehr gute Hauptrunde 2007/08. Kurz vor den Play-offs erhielt der damals 26-Jährige ein Traumangebot aus Russland. Kotschnew versuchte, die Offerte geheim zu halten, grübelte und spielte eine schwache Endrunde. Sein Trainer war damals Benoît Laporte.

Die Freezers wollen nach Abendblatt-Informationen wieder mit zwei deutschen Torhütern in die Spielzeit 2013/14 gehen. Ein heißer Kandidat ist Patrick Ehelechner. Der aktuelle Torhüter der Augsburger Panther, dessen Vertrag 2013 ausläuft, verbindet mit Laporte ein freundschaftliches Verhältnis.