Die Eishockeyprofis David Wolf und Jerome Flaake haben sich bei den Hamburg Freezers und im Nationalteam etabliert.

Hamburg. Ein gutes Jahr ist es her, da saßen David Wolf und Jerome Flaake in einem italienischen Restaurant am Eidelstedter Platz und redeten über ihren Beruf. Das heißt, es redete eigentlich nur einer. Flaake saß daneben, schüttelte mehrfach den Kopf und amüsierte sich über die Weisheiten, die sein Kollege zu verkünden hatte. Er ist 1,89 Meter groß und damit nur einen Zentimeter kleiner als der kompakter gebaute Wolf, doch an jenem Mittag im November 2011 wirkte Jerome Flaake wie ein kleiner Junge, der mit großem Staunen in die Welt der Erwachsenen eintauchen darf.

Ein gutes Jahr später sitzen die beiden Angreifer der Hamburg Freezers wieder in einem italienischen Restaurant, diesmal am Rothenbaum. Draußen ist der erste Schnee gefallen, drinnen wird es immer wärmer, weil am Tisch viel gelacht wird. Und es ist nicht Wolf, der die Show an sich reißt, auch wenn er es versucht. Flaake kontert jeden Spruch, er hat schnell sein Terrain abgesteckt, und Wolf, der gern das letzte Wort hat, akzeptiert das. Nach einer launigen Stunde ist eines ganz deutlich: Hier sitzen zwei Jungstars, die zwar ihren eigenen Weg gehen, sich aber als Symbiose verstehen, in der der eine weiß, dass er den anderen braucht, um gut auszusehen.

Flaake, 22, und Wolf, 23, sind derzeit das wohl begehrteste Duo im deutschen Eishockey. Gemeinsam mit Garrett Festerling, mit dem sich beide privat und auf dem Eis bestens verstehen, bilden sie nicht nur die Paradereihe der Freezers, sondern laufen auch für die deutsche Nationalmannschaft auf. Die Länderspiele mit dem deutschen Perspektivkader für Olympia 2014 gegen Russlands Nachwuchs in dieser Woche hatte Flaake allerdings wegen einer Knieprellung absagen müssen. Am Dienstag (19.30 Uhr, O2 World) wird er im Punktspiel der Deutschen Eishockey-Liga gegen den ERC Ingolstadt aber spielen können. Nachdem Superstar Jamie Benn am Donnerstagmorgen aus privaten Gründen nach Nordamerika reiste und dort mindestens bis Jahresende bleiben wird, trägt die Wolf-Flaake-Reihe noch mehr Verantwortung beim Tabellendritten.

Schon in der Jugend, bei den Jungadlern Mannheim, spielten Wolf und Flaake in einer Reihe, lebten Tür an Tür im Jugend-Internat des Klubs. "Seitdem sind wir befreundet", sagt Flaake, und das sei wichtig, "weil wir dadurch diese besondere Chemie entwickelt haben, die uns jetzt hilft". Sie fahren zwar getrennt zum Training, gehen aber gemeinsam Mittagessen, verbringen ihre Nachmittage gemeinsam in der Stadt oder beim Playstation-Spielen, essen gemeinsam zu Abend. Den Plan, ihre Eidelstedter Wohnungen gegen ein gemeinsames Haus in der Stadt zu tauschen, verwarfen sie allerdings. "Man braucht auch mal Abstand voneinander", sagt Flaake, und es klingt wie das Erfolgsgeheimnis eines alten Ehepaars.

Nach der Mannheimer Zeit trennten sich ihre Wege, Wolf ging 2006 nach Crimmitschau und kam über die Hannover Scorpions im Sommer 2011 nach Hamburg. Dort traf er wieder auf Flaake, der 2007 bei den Kölner Haien den Sprung in die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) geschafft hatte und 2010 zu den Freezers gewechselt war. Seine erste Hamburger Saison war mit vier Toren und elf Assists durchschnittlich. Er blühte auf, als Wolf kam.

In der vergangenen Saison schafften beide jeweils 35 Punkte, in diesem Jahr führt Flaake die teaminterne Wertung nach 26 von 52 Hauptrundenspielen mit 24 Zählern an, Wolf hat bislang 19 Punkte gesammelt. Gerade weil sie so verschiedene Charaktere sind, ergänzen sich die beiden perfekt. Linksaußen Wolf ist nicht nur abseits des Eises extrovertiert, er ist ein begnadeter Zweikämpfer, der in den Ecken um jeden Puck fightet und sich seine Tore erarbeitet. Gleichzeitig ist er kopfgesteuerter als Flaake, nimmt sich Fehler mehr zu Herzen als sein Sturmpartner, der die Gabe hat, Erlebtes schnell verarbeiten und Negatives abhaken zu können. Rechtsaußen Flaake ist auch auf dem Eis ruhiger als Wolf, und er ist der talentiertere Spieler. "Was er mit dem Puck kann, muss ich gar nicht erst versuchen", sagt Wolf.

Wer öfters das Training der Hamburger besucht, der kann das Duo regelmäßig dabei beobachten, wie es nach Abschluss der Einheit gemeinsam Torabschlüsse übt. Diese Besessenheit schätzt nicht nur Trainer Benoît Laporte. Auch der derzeit verletzte Teamkollege Serge Aubin, der fast 400 Spiele in Nordamerikas Eliteliga NHL absolvierte, traut beiden den Sprung nach Übersee zu. "Sie haben alles, was es dazu braucht, und sie sind noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung", sagt er.

Das sehen auch Flaake und Wolf so. "Wir können uns in allen Bereichen verbessern. Vor allem müssen wir noch konstanter werden", sagt Flaake. Natürlich haben sich die Gegner mittlerweile besser auf sie eingestellt, nachdem sie im Vorjahr noch die Überraschungsreihe waren. Aber dass Laporte ihnen nun auch im Powerplay vertraut, sei sehr hilfreich für die Entwicklung. "In der vergangenen Saison saßen wir öfter im Trainerbüro und mussten uns anhören, was wir falsch gemacht haben. Daraus haben wir gelernt", sagt Wolf, was nicht heißt, dass der Trainer sie nicht mehr rügt. In dieser Saison wollen sie nicht zum Ende hin einbrechen wie in den Play-offs 2011/12, als beide in fünf Viertelfinalpartien gegen Mannheim ohne Tor oder Vorlage blieben.

In drei, vier Jahren, glaubt Flaake, werden sie ihren Leistungszenit erreichen. Für die Freezers, wo er bis 2014 und Wolf sogar ein Jahr länger unter Vertrag steht, könnte das zu spät sein. Beide träumen davon, den Schritt in eine bessere Liga zu schaffen, nach Russland, Schweden oder in die NHL. Sie wären sogar bereit, sich dafür zu trennen. "Vielleicht haben wir in ein paar Jahren das Gefühl, dass wir uns trennen müssen, um den nächsten Schritt zu machen", sagt David Wolf. Jerome Flaake sagt nichts, aber er guckt nicht so, als könne er sich das derzeit vorstellen.