Der Trainer der Hamburg Freezers zieht eine schonungslose Bilanz der ersten 18 Spiele

Hamburg. Der Tag nach der 1:5-Pleite in Düsseldorf war für Stéphane Richer auch körperlich hart. Noch auf der Rückreise im Bus hatte der Trainer der Hamburg Freezers die Partie auf Video studiert. Nach der Ankunft im heimischen Halstenbek fand er erst gegen fünf Uhr morgens in den Schlaf, der vier Stunden später bereits wieder endete. Aufgewühlt und zerknittert sah er aus, als er die Abendblatt-Redakteure zum Gespräch empfing, aber seine Gedanken waren klar, und was Richer zu sagen hatte, dürfte einen Mentalitätswechsel in seinem Team einleiten, wenn die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) nach der Deutschland-Cup-Pause am 18. November den Spielbetrieb wieder aufnimmt.

Drei Zehnminutenstrafen, eine - zugegeben überharte - Spieldauerstrafe und eine Flut unnötiger Fouls waren im Rheinland in ein Debakel gemündet, das alle Freezers-Begleiter in schockierender Weise an die schlimmen Vorjahre erinnerte. Weil die Disziplinlosigkeit sich wie ein roter Faden durch die ersten 18 Hauptrundenspiele gezogen hat, will Richer nun zu seinem letzten Mittel greifen. "Ich habe es mit viel Geduld versucht und auf die Einsicht der Spieler gesetzt", sagt er, "aber nun ist meine Geduld am Ende. Wir haben genug geredet, ab sofort werde ich durchgreifen. Wer dumme Strafen nimmt, zahlt nicht nur die übliche Geldbuße, sondern sitzt im nächsten Spiel auf der Tribüne", sagt der 44 Jahre alte Kanadier. Tatsächlich gilt Richer als verständnisvoller Trainer, doch die Art und Weise, wie sich seine Mannschaft um den Lohn ihrer in der Mehrheit der Spiele gezeigten Anstrengungen brachte, hat beim Übungsleiter zum Umdenken geführt. "Ich lasse es mir nicht bieten, dass wir uns durch eigene Dummheit schlagen. Wir haben einen schlechten Ruf bei den Schiedsrichtern, weil wir zu viel meckern. Wer das nicht kapiert, der bekommt das ab sofort zu spüren", sagt er.

Gleichwohl ist Richer nicht entgangen, dass nicht nur die Disziplin eine offene Baustelle ist. Vor allem die Offensive gibt Anlass zur Sorge, weil sie zu wenige Tore schießt, zu unkreativ agiert und die Reihen nicht ausbalanciert wirken. Des Weiteren fehlt es an Konstanz. Starken Spielen wie beim 3:2-Sieg über Wolfsburg am Freitag folgen ernüchternde Auftritte wie in Düsseldorf. Richers Spielsystem, basierend auf aggressivem und entsprechend laufintensivem Forechecking, hat das auf 19 Positionen neu besetzte Ensemble noch nicht verinnerlicht, was Richer zu denken gibt. "Ich hatte erwartet, dass wir zu diesem Zeitpunkt weiter wären", sagt er, "aber jedes Gegentor bringt uns aus dem Konzept. Wenn viele Leistungsträger ihre Leistung nicht bringen, hat man es in einer so engen Liga schwer." Lediglich die Angreifer Brett Engelhardt und Colin Murphy sowie Verteidiger Patrick Traverse, so der Coach, hätten ihr Soll erfüllt. Vor allem von Torhüter Marc Lamothe und Kapitän Alexander Barta erwartet der Trainer mehr.

Richer ist allerdings nicht bereit, trotz elf Punkten Rückstand schon vom Saisonziel, direktes Erreichen der Play-offs mindestens als Sechster, abzurücken. Auch den Vorwurf, sein Team bestände aus guten Einzelspielern, die jedoch keine Mannschaft bilden, weist er entschieden zurück. "Die Jungs arbeiten hart und sind gute Typen", sagt er. Er muss es wohl sagen, schließlich hatte er bei der Kaderzusammenstellung freie Hand. Erst in ein paar Monaten sei er bereit, abschließend über die Mannschaft zu urteilen. Die Option, den Kader kurzfristig nachzurüsten, hält er sich dennoch offen. "Ich werde schon in der Deutschland-Cup-Pause reagieren. Ob sofort ein Neuer kommt, kann ich nicht sagen. Aber das Team wird spüren, dass ich unzufrieden bin."

Der Rückendeckung von Geschäftsführer Michael Pfad kann der Coach sich sicher sein. Auch wenn Richer sich über dessen beißende öffentliche Kritik ärgert und beide schon intern aneinandergeraten waren, schätzen sie einander. "Stéphane ist ein Kämpfer, was er tut, ist schlüssig. Er hat für alle Maßnahmen, von Strafen bis zu Neuverpflichtungen, freie Hand. Ich werde mich vor ihn stellen, wenn er in die Kritik gerät", sagt Pfad. Wenn auch die ultimativen Drohungen nicht fruchten, könnte dieser Tag schnell kommen.

Verteidiger Jean-Philippe Coté erlitt in Düsseldorf einen Innenbandriss im Knie und fällt zehn Wochen aus. Abwehrspieler Rainer Köttstorfer und Stürmer Jerome Flaake wurden für den Deutschland-Cup in München am Wochenende nachnominiert. Dagegen erhält Freezers-Kapitän Alex Barta eine Spielpause.