Nach wochenlangen Spekulationen verlässt Teamchef Ross Brawn nun tatsächlich den Mercedes-Rennstall. Das bestätigte der Rennstall. Abschied des „Superhirns“ trifft das Team in einer sensiblen Phase.

Brackley/Berlin. Mercedes muss vor dem größten Umbruch der jüngeren Formel-1-Geschichte endgültig auf Teamchef Ross Brawn verzichten. Das bestätigte der Formel-1-Rennstall am Donnerstag. „Es ist klar, dass man jemanden nicht aufhalten kann, wenn er sich dazu entschlossen hat zu gehen“, sagte Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda. Der Österreicher hatte vergeblich versucht, Brawn zum Bleiben zu bewegen. Offenbar konnten sich die Konzernvertreter nicht mit dem Briten über den zukünftigen Zuschnitt seiner Rolle einigen. In der kommenden Saison werden der ehemalige McLaren-Technikchef Paddy Lowe und Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff eine Doppelspitze bei dem Werksteam bilden. Der 59-Jährige habe den Mitarbeitern seine Entscheidung bereits verkündet.

Die Mercedes-Vertreter wollen die Macht im Team demnach auf mehrere Schultern verteilen. Künftig sollen der frühere McLaren-Technikchef Paddy Lowe und Wolff eine Doppelspitze bilden. Der personelle Umbau trifft den Rennstall in einer sensiblen Phase. Durch die umfassende Regelreform mit neuen Sechszylinder-Turbomotoren bietet die kommende Saison die große Chance, Sebastian Vettels Red-Bull-Team an der Formel-1-Spitze abzulösen. Zugleich birgt die Technik-Revolution aber auch das Risiko, kapital zu scheitern.

Auch deshalb hatte Lauda zuletzt öffentlich immer wieder betont, um den enorm erfahrenen Brawn kämpfen zu wollen. Der Top-Ingenieur hatte einst Michael Schumacher zu all seinen sieben WM-Titeln geführt und wird in der Branche als „Superhirn“ verehrt. „Ich versuche alles, ihn zum Bleiben zu bewegen“, versicherte Lauda noch vor wenigen Tagen. Bis zum Saisonfinale in Brasilien am vergangenen Sonntag gab der Österreicher dem Teamchef Zeit für einen endgültigen Entschluss. Der ist nun gefallen.

Denn Brawn will nicht mehr. Seine Meinung, dass nur ein Entscheider die Richtung in einem Formel-1-Team vorgeben kann und für alles die Verantwortung trägt, kollidierte anscheinend mit den Vorstellungen der Abgesandten des schwäbischen Autobauers.

Brawn hatte sein Weltmeister-Team nach der Saison 2009 an Mercedes verkauft, aber die Rolle des Teamchefs behalten. Nach drei frustrierenden Jahren mit dem reaktivierten Rekordchampion Schumacher gelang in dieser Saison die Wende und die Fahrt auf Platz zwei der Konstrukteurswertung. Dennoch entschied sich Brawn nun gegen eine Verlängerung seines Vertrags. Seine Zukunft ist offen.

Schon vor Wochen hatte es Spekulationen gegeben, Brawn werde wieder zu Honda gehen. Der japanische Autohersteller kehrt 2015 als Motorenlieferant für McLaren in die Formel 1 zurück. 2008 hatte Brawn als Teamchef den damaligen Honda-Rennstall in der Königsklasse geführt, ehe er das Team kaufte und prompt zum Titel führte.

Aber auch andere Optionen für Brawn wurden diskutiert. Williams, McLaren und Ferrari wurden als Interessenten gehandelt. Sogar eine Rolle beim Weltverband FIA gilt als möglich. Denkbar ist aber auch, dass der passionierte Angler und Rosenzüchter wie schon 2007 nach seiner Zeit bei Ferrari eine längere Auszeit nimmt oder sogar ganz in die Formel-1-Rente geht.