Ein Trio jagt Titelverteidiger Sebastian Vettel: Fernando Alonso, Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen müssen aber auf Patzer und Pleiten des dreifachen Formel-1-Champions hoffen, um diesen noch überholen zu können.

Monza. Sebastian Vettel fährt schon wieder vorne weg. Aber noch können sich drei Verfolger Hoffnungen machen, den dreimaligen Formel-1-Weltmeister im Titelrennen abzufangen. Ferrari-Star Fernando Alonso hat als Gesamtzweiter dabei die besten Aussichten. Der Spanier (151 Punkte) liegt vor dem Großen Preis von Italien an diesem Wochenende 46 Zähler hinter Vettel (197) zurück. Für Lewis Hamilton (139 Punkte) und Kimi Räikkönen (134) sieht es wesentlich schlechter aus. Der britische Mercedes-Mann und der finnische Lotus-Pilot haben nur noch Chancen, wenn ihr deutscher Red-Bull-Rivale mehrfach patzt. Dafür spricht im Moment aber so gut wie nichts.

Gewinnt Vettel auch den zwölften Saisonlauf an diesem Sonntag (14.00 Uhr/RTL und Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) im Königlichen Park von Monza, ist sein vierter Titeltriumph in Serie so gut wie sicher. Das Trio ist bei dem italienischen Rennen also extrem gefordert.

Der deutsche Rennfahrer war dagegen sichtlich zufrieden und lächelte spitzbübisch nach dem freien Training. Schließlich hatte der Red-Bull-Pilot seinem großen Widersacher Fernando Alonso im Ferrari ausgerechnet vor dessen Fans einen Nadelstich versetzt und mit einer beeindruckenden Vorstellung den ersten Schlagabtausch klar gewonnen. „Ich bin überraschend weit vorn“, sagte der Heppenheimer, nachdem er im freien Training auf der 5,793 km langen Hochgeschwindigkeitsstrecke (über 70 Prozent Vollgasanteil, in der Spitze 340 km/h) im Königlichen Park in 1:24,453 Minuten mit Abstand die beste Zeit gefahren war: „Das war ein sehr guter Freitag, das Auto scheint zu laufen.“ Trotzdem müsse man „noch ein paar Dinge verbessern“, um auch im Qualifying am Sonnabend (14 Uhr) ganz vorne sein zu können.

Alonso, Vettels einziger ernster Konkurrent im Kampf um die Titelverteidigung, landete nur auf Platz fünf (1:25,330) und war fast eine Sekunde langsamer als sein Dauerrivale. Der Spanier muss sich deutlich steigern, wenn er Vettel in der WM-Wertung noch einmal gefährlich werden will. Zweiter wurde Vettels Teamkollege Mark Webber (1:25,076), auf Rang drei landete Kimi Räikkönen im Lotus (1:25,116) - zeitgleich mit seinem Teamkollegen Romain Grosjean. Mercedes-Pilot Lewis Hamilton, am Vormittag noch Schnellster im Feld, wurde am Ende Sechster (1:25,340). Nico Rosberg steuerte den zweiten Silberpfeil auf Rang sieben (1:25,367).

„Obwohl wir konkurrenzfähig sind, sind wir noch nicht schnell genug“, sagte Hamilton: „Wir müssen heute Abend hart arbeiten, um zu sehen, wo wir einige Verbesserungen vornehmen können.“ Adrian Sutil wurde im Force India 13. (1:26,028), Nico Hülkenberg kam mit seinem Sauber nicht über Rang 16 (1:26,385) hinaus.

Vettel blieb in der Hitze von Monza ganz cool und zermürbte Alonso im Kampf um die WM weiter. Schließlich gilt der Ferrari dem Red Bull von Vettel in Monza eigentlich als überlegen, doch in dieser Form scheint der 26-Jährige kaum noch einzuholen zu sein. Vettel könnte fünf Jahre nach seinem ersten Grand-Prix-Sieg an gleicher Stelle ausgerechnet mit einem Triumph beim Heimspiel des Erzrivalen eine Vorentscheidung im Kampf um seinen vierten WM-Titel in Serie herbeiführen.

Vor dem zwölften von 19 Rennen hat der 26-Jährige mit 197 Punkten bereits 46 Zähler Vorsprung auf seinen ärgsten Verfolger Alonso (151). Hamilton (139) und Räikkönen (134) liegen noch weiter zurück. Sollte Vettel in Monza gewinnen, würde er nach Siegen nicht nur mit Alonso (32) gleichziehen - dann wäre ihm der Titel praktisch nicht mehr zu nehmen. Das wissen auch die Konkurrenten. Alonso bezeichnete das Rennen in Monza vor tausenden fanatischen Tifosi als seine letzte Chance, den Wettlauf um die WM-Krone noch einmal spannend zu gestalten.

„Wenn wir nicht vor ihm ins Ziel kommen können und stattdessen weiter Punkte verlieren, dann müssen wir an das Projekt 2014 denken, denn es werden immer weniger Rennen, in denen wir einen großen Rückstand aufholen müssten“, sagte der Spanier. Und auch Räikkönens „Kampfansage“ klingt wie das berühmte Pfeifen im Walde. Wunder erwartet der 33-Jährige in diesem Jahr nicht mehr. „Es wird schwierig. Aber so lange wir noch eine Chance haben, werden wir unser Bestes geben und sehen, wohin uns das führt“, sagte er: „Es wird keine leichte Aufgabe, aber wir wollen so viele Punkte wie möglich auf Vettel aufholen.“

Für Sky-Experte Marc Surer ist der Gejagte der logische alte und neue Weltmeister: „Er vereint inzwischen die Fähigkeit von Lewis Hamilton, auf einer Runde in der Qualifikation alles aus dem Auto rauszuholen, mit dem Renninstinkt eines Fernando Alonso“, sagte der frühere Formel-1-Pilot: „Ich sehe bei ihm eigentlich keine Schwächen mehr.“

Der Hochgelobte gibt derweil die Coolness auf zwei Beinen und wiederholte einmal mehr: „Ich fokussiere mich nur auf mich und will in jedem Rennen das Maximum herausholen.“ Vettel ist sich seiner Ausnahmestellung und der Verzweiflung seiner Konkurrenten bewusst, sagte: „Ich will mit keinem anderen Fahrer tauschen, aber sicher der eine oder andere mit mir.“

Die drei Vettel-Widersacher im Formcheck

FERNANDO ALONSO: Der zweimalige Champion hat vor allem ein Problem: Sein F138 ist Vettels RB9 unterlegen. Für Monza hat die Scuderia einige Weiterentwicklungen. Es wird sich weisen, ob der „rote Renner“ den Rückstand auf den „roten Bullen“ wettmachen kann. Fahrerisch ist Alonso sicher nicht schwächer als Vettel. Viele Experten halten den 32-Jährigen sogar für den komplettesten Piloten. Alonso weiß, dass er nur noch eine Chance hat, wenn in Monza die Wende gelingt und er den Deutschen schlägt. „Wir wollen natürlich um die WM kämpfen“, bekräftigte er. Als „realistisches Ziel“ gab er für das prestigeträchtige und WM-vorentscheidende Ferrari-Heimrennen aus: „Wir wollen vor Sebastian und auf dem Podium zu landen.“

LEWIS HAMILTON: In der Qualifikation präsentiert sich der Brite in dieser Saison bereits weltmeisterlich. Er holte bislang fünf Pole-Positionen, darunter zuletzt vier in Serie. In diesem Duell führt Hamilton 5:3 gegen Vettel. Aber Mercedes kann diese Stärke und Schnelligkeit über die Renndistanz zu selten bestätigen. Um die 58 Punkte Rückstand auf den WM-Spitzenreiter aufholen zu können, muss der Weltmeister von 2008 regelmäßig vor diesem landen und auch gewinnen. Hamilton weiß, dass er nur im Fall größerer Vettel-Schwächen noch ernsthaft in den Titelkampf eingreifen kann. Zugleich ist der 28-Jährige davon überzeugt, das bessere Paket als Alonso zu haben. Läuft es in Italien perfekt, kann er den Ferrari-Kontrahenten in der WM schon am Sonntag überholen.

KIMI RÄIKKÖNEN: Der Finne profitierte bislang von der Zuverlässigkeit seines Lotus. Vor dem technischen Ausfall in Spa fuhr der „Iceman“ sagenhafte 27 Mal nacheinander in die Punkte: Eine beeindruckende Bestmarke in der Formel 1. Nach seinem Auftaktsieg in Melbourne war Räikkönen sogar erster WM-Spitzenreiter der Saison, aber nur für ein Rennen. Lotus hat von den vier Top-Teams das kleinste Budget. Bezüglich technischer Entwicklungen ein klarer Nachteil. Im Endspurt wird das Team nicht mehr viel zulegen können. Umso wichtiger ist daher, dass Räikkönen wieder kontinuierlich punktet. Von dem Quartett geht der Champion von 2007 den Kampf um die Krone aber am coolsten und entspanntesten an. Räikkönen macht sich keine Illusionen: „Der Titelgewinn wird schwer, da müssten die anderen Schwächen zeigen.“

Mit Material von dpa