Eine der berühmtesten Rennstrecken der Welt geht in die Insolvenz. Das Land Rheinland-Pfalz droht auf 330 Millionen Euro Schulden sitzen zu bleiben.

Hamburg/Mainz. Schon die Namen gehen runter wie Öl: Schwalbenschwanz. Fuchsröhre. Kesselchen. Karussell. Die berühmtesten Punkte des 25 Kilometer langen Asphaltbandes, das sich durch die Eifelwälder rund um eine Raubritterfestung aus dem elften Jahrhundert schlängelt, sind reinste PS-Poesie. Der Nürburgring hat 85 Jahre lang allen Unbilden der Geschichte getrotzt, Triumphe und Tragödien erlebt, selbst schwerste Unfälle haben seinem Ruf nichts anhaben können. Doch nun scheint es die Politik zu sein, die der legendären Rennstrecke den Garaus macht. Die Besitzergesellschaft der Nürburgring GmbH, die zu 90 Prozent dem Bundesland Rheinland-Pfalz gehört, meldet Insolvenz an.

Ministerpräsident Kurt Beck, 63, hatte eine seiner größten politischen Niederlagen zu verkünden, als er sich am Mittwoch in Mainz der Presse stellte. Die EU-Kommission werde die vom Land beantragte Rettungsbeihilfe in Höhe von 13 Millionen Euro nicht rechtzeitig genehmigen, sagte der Sozialdemokrat. Zunächst wolle die EU abschließend prüfen, ob 486 Millionen Euro an staatlichen Beihilfen unerlaubt geflossen seien. Rheinland-Pfalz könnte damit auf einem Schuldenberg von 330 Millionen Euro sitzen bleiben. Ein Totalschaden. Rennsport-Legende Hans-Joachim Stuck sagte: "Es kann nicht sein, dass es für ein Stück Kulturgut wie den Nürburgring keine Unterstützung gibt."

Beck hatte sich mit seiner Idee vom ganzjährigen Freizeitpark am Nürburgring ein Denkmal setzen wollen. Nun ist daraus ein Millionengrab geworden. Dass Boris Becker vor drei Jahren zur Eröffnung vom "Motorsport-Mekka" sprach, lockte niemanden an den Ring. FDP-Landeschef Volker Wissing ätzte: "Die Pharaonen haben sich Pyramiden in den Wüstensand gestellt, Kurt Beck den Nürburgring in die Eifel."

Bis zuletzt will Rheinland-Pfalz noch positive Signale aus Brüssel erhalten haben. Nun zürnte der Regierungschef: "Nicht entscheiden auf europäischer Ebene heißt Handlungsunfähigkeit für Rheinland-Pfalz." Einen Rücktritt lehnte Beck ab. Jetzt muss eine bereitgestellte Rücklage von 254 Millionen Euro angegriffen werden. Den Rest darf der Steuerzahler berappen.

Der Nürburgring war schon immer ein teures Pflaster. Als Landrat Otto Creutz 1925 den Grundstein für die "erste Gebirgs-, Renn- und Prüfstrecke" legte, um die strukturschwache Eifelregion zu beleben, sollte das Projekt Nürburgring 2,5 Millionen Reichsmark kosten. 1927, als Rudolf Caracciola auf einem Mercedes-Schlachtschiff der S-Klasse das erste Rennen gewann, waren daraus 15 Millionen geworden.

Die klassische Nordschleife war bis zu Niki Laudas Feuerunfall 1976 die ultimative Herausforderung für jeden Rennfahrer. Was es aber wirklich bedeutete, mit Tempo 300 über die kurzen Geraden zu rasen und im Blindflug durch die Haarnadelkurven zu rauschen, im Bewusstsein, dass bei Start und Ziel die Sonne scheint und zehn Kilometer weiter der Nebel zwischen den Bäumen hängt, das beschrieb einmal der dreimalige Ring-Meister Jackie Stewart. Der Schotte, der dem Nürburgring das Siegel "Grüne Hölle" verpasste, sagte: "In sieben Minuten um den Nürburgring erlebt jeder Rennfahrer Abenteuer, Spannung, Horror, Naturgefahren und Verbundenheit mit seiner Maschine. Mehr als andere in ihrem ganzen Leben." Wer behaupte, dass er diese Strecke liebe, fügte Stewart an, der lüge. Und doch waren die Fahrer unter ihren Lorbeerkränzen nirgendwo so glücklich wie am Nürburgring. Weil es für die meisten "der schönste Sieg" war. Und weil sie überlebt hatten.

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Der Nürburgring, für viele Fans wichtiger als der Ehering, schuf Champions und Mythen. Juan Manuel Fangio fuhr hier 1957 in einem Maserati sein größtes Rennen, als er nach einem Boxenstopp 48 Sekunden aufholte und noch gewann. "Ich möchte niemals wieder so fahren", sagte er. Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer kreierte hier die Silberpfeile. Weil die Waage für die Rennwagen aus Stuttgart 1934 vor dem Eifelrennen ein Kilo zu viel Gewicht anzeigte, soll er seine Mechaniker angewiesen haben, den weißen Lack - die deutsche Rennfarbe - abzukratzen. Eine hübsche Geschichte, die manche Historiker hübsch erfunden nennen.

Als Niki Lauda 1976 nur knapp mit dem Leben davonkam, weil ihn der Italiener Arturo Merzario bei Kilometer 10,6 in letzter Sekunde aus dem brennenden Ferrari zog, war das Schicksal der Nordschleife besiegelt. Die modernen Rennwagen waren für die 50 Jahre alte Piste zu schnell geworden. Lauda fuhr zwei Minuten schneller um den Ring als Fangio zwei Jahrzehnte zuvor.

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Einmal durfte in der Eifel noch investiert werden. Für 84 Millionen Mark entstand südlich der Nordschleife der neue Nürburgring. Eine moderne, sichere Rennstrecke, die mit der grünen Hölle nur noch den Titel gemein hat. Und Kurven ohne romantische Namen. Eine heißt "Michael-Schumacher-S".

Ob der Nürburgring eine Zukunft hat, wird in den nächsten Tagen entschieden. 2013 wäre die Eifel im turnusmäßigen Tausch mit Hockenheim, wo die Formel 1 an diesem Wochenende startet, an der Reihe. Ausgerechnet Grand-Prix-Promoter Bernie Ecclestone, der den Veranstaltern jahrelang den letzten Cent abgepresst hat, soll ein überraschendes Angebot vorgelegt haben. Er wolle selbst als Veranstalter auftreten und das Geschäft auf eigenes Risiko abwickeln, hieß es. Ein Grund mehr für Michael Schumacher, seine Karriere wenigstens um ein Jahr zu verlängern.