Der erste Saisonerfolg des Doppel-Weltmeisters wird von Zusammenstößen und Protesten der Regimegegner in Bahrain überschattet.

Sakhir. Bahrains Herrscher hatten alles aufgefahren, was das königliche Reservoir an Selbstinszenierung hergab: singende Kinder, in die Landesfarben Rot und Weiß gehüllte Flaggenträger, ein Jet der staatlichen Fluglinie Gulf Air über der Formel-1-Strecke von Manama. Der Sieger des Grand Prix stand für König Hamad bin-Khalifa deshalb schon vor der ersten Runde fest: "Bahrain ist der Gewinner", sagte er unwidersprochen in eine RTL-Kamera.

Rund zwei Stunden später korrigierte ihn Sebastian Vettel . Mit einer fehlerfreien Fahrt strich der Titelverteidiger zum ersten Mal in dieser Saison 25 Punkte auf einmal ein und rehabilitiere sich damit für den mittelmäßigen Start ins Jahr. Der Heppenheimer gewann den Großen Preis von Bahrain vor dem Lotus-Duo Kimi Räikkönen aus Finnland und Romain Grosjean aus Frankreich.

Vettel, 24, übernahm damit auch die Führung in der WM-Gesamtwertung von McLaren-Pilot Lewis Hamilton, der nach zwei verpatzten Boxenstopps als Achter ins Ziel gekommen war. Der Deutsche war im vierten WM-Lauf 2012 der vierte Gewinner aus dem vierten Rennstall. Überschwänglich freuen konnte sich Vettel über seinen 22. Grand-Prix-Sieg freilich nicht. Gemeinsam mit Landsmann Nico Rosberg, der im Mercedes Fünfter wurde, verzichtete er auf die obligatorische Ehrenrunde und lenkte seinen Red Bull unmittelbar hinter dem Zielstrich in die Ausfahrt der Boxengasse. "Es war ein sehr schwieriges Rennen, extrem hart", begründete er: "Zum ersten Mal war die Balance des Autos so, dass ich an die Grenzen gehen konnte."

Der gebürtige Wiesbadener Rosberg parkte neben Vettel ein, um sein beschädigtes Auto nicht noch weiter zu gefährden. Mercedes-Stallgefährte Michael Schumacher sicherte sich als Zehnter seinen zweiten Punkt in der laufenden Weltmeisterschaft. "Ich weiß nicht, ob ich glücklich sein soll oder nicht", sagte der Rekordweltmeister: "Immerhin bin ich zum ersten Mal in diesem Jahr bei einem Trockenrennen durchgefahren. Aber ein Punkt ist besser als gar nichts. Da hat sich die Arbeit also ein bisschen gelohnt."

Obwohl wenige Minuten vor dem Rennen noch ein kurzer Regenschauer über der Steinwüste niedergegangen war, forderte die Hitze von mehr als 30 Grad Celsius ihren Tribut von den Fahrern und ihren Dienstwagen. "Es war sehr eng, die Lotus waren verdammt schnell. Aber unsere Strategie, das Auto - alles scheint funktioniert zu haben", sagte Vettel. Nur zögerlich schoss er bei der Siegerehrung den Korken aus der traditionell mit Rosenwasser gefüllten Champagnerflasche.

Weiter nördlich im Wüstenstaat müssen diese Bilder wie ein Hohn gewirkt haben. Auch am Renntag war es unweit des Bahrain International Circuit wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der omnipräsenten Polizei gekommen. Dabei wurde auch Zaynab al-Khawaja, die Tochter des seit mehr als 70 Tagen hungerstreikenden Oppositionsführers Abdulhadi al-Khawaja, festgenommen. Sie hatte mit einem Plakat, das ein Foto des ausgemergelten 50-Jährigen zeigt, dessen Freilassung gefordert. Insgesamt sollen bei Demonstrationen rund um das Rennen mehrere Hundert Menschen inhaftiert worden sein.

+++ Zahlen: Großer Preis von Bahrain +++

Von der Strecke aus konnte jeder vor dem Rennstart dunkle Rauchwolken in den Himmel aufsteigen sehen. Offenbar hatten Aktivisten alte Autoreifen angezündet, um auf sich und die Probleme ihres Volkes aufmerksam zu machen. Die Opposition, die hauptsächlich aus Schiiten besteht, fordert seit mehr als einem Jahr die Umwandlung des Königreichs in eine konstitutionelle Monarchie, in der ein gewähltes Parlament die Regierung bestimmt. Im Frühjahr war ihr Aufstand von den sunnitischen Herrschern blutig niedergeschlagen worden. Das weltweite Interesse an dem Grand Prix hatten sie zu erneuten Protesten genutzt. Zu Zwischenfällen auf dem Renngelände kam es nicht - Polizei- und Militärkontingente waren nochmals aufgestockt worden. Die Strecke in der Steinwüste von Sakhir glich Fort Knox.

Davon abgeschreckt blieben viele Zuschauer dem größten Sportereignis des 800 000-Einwohner-Landes am Persischen Golf fern. Die Tribünen waren zwar besser besetzt als beim Qualifying am Sonnabend - dennoch blieb erneut mehr als die Hälfte der Sitze leer. Auch das für das große Abschlusskonzert am Sonntagnachmittag eingeladene amerikanische Elektropopduo LMFAO sagte sein Kommen kurzfristig ab. Angeblich, weil sich einer der beiden DJs am Knöchel verletzt hatte.

Die Formel-1-Bosse zeigten sich davon jedoch genauso unbeeindruckt wie vom Tode Saleh Abbas Habibs. Der Vater von fünf Kindern war am Sonnabend seinen Schusswunden erlegen und auf dem Wohnungsdach einer Siedlung am Rande der Hauptstadt Manama gefunden worden. "Wir wissen, dass Proteste hier negative Konsequenzen haben können", kommentierte lapidar Jean Todt, der Präsident des Automobil-Weltverbandes Fia. "Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Proteste nicht auch stattgefunden hätten, wenn der Grand Prix wie gefordert ausgefallen wäre." Am Vormittag hatte König Hamad Kommunikationsbereitschaft signalisiert. "Ich möchte mich persönlich klar zu Reformen und Aussöhnung in unserem großartigen Land bekennen", hieß es in einer Erklärung.

Pünktlich mit Rennende machten sich aus fünf Richtungen Demonstranten auf den Weg zum zentralen Perlenplatz, zur größten Kundgebung des Wochenendes. In der Boxengasse begannen die Teams zur gleichen Zeit mit dem Abbau ihrer Stände.