Sebastian Vettel hat sich im Titelrennen eindrucksvoll zurückgemeldet. Der Red-Bull-Pilot feierte beim Großen Preis von Bahrain dank einer weltmeisterlichen Leistung seinen ersten Saisonsieg.

Sakhir. Nach einem „perfekten Sonntag“ dachte Sebastian Vettel vor allem an seine kranke Großmutter. „Ich möchte Grüße in die Heimat schicken an meine Oma. Gute Besserung“, sagte der Formel-1-Weltmeister sichtlich bewegt. Dennoch löste sein erster Sieg seit einem halben Jahr und die erstmalige Eroberung der WM-Führung 2012 auch Glücksgefühle beim 24-Jährigen aus. Erst sprintete er mit dem Helm in der Hand zurück an die Box, nachdem er seine „Abbey“ schon wenige Meter hinter dem Zielstrich abgestellt hatte. Dann lauschte er mit geschlossenen Augen und tief atmend der Nationalhyme, schließlich schüttete er die halbe Flasche arabischen Rosenwassers über seinen Teamchef Christian Horner.

In einem der umstrittensten Rennen der Formel-1-Geschichte hatte der in den vergangenen Wochen sichtlich frustrierte Titelverteidiger in der Wüste von Bahrain seine Durststrecke beendet und sich gleich an die Spitze der WM-Wertung gesetzt. Der Red-Bull-Pilot siegte beim während der gesamten Woche heftig diskutierten Grand Prix im Krisenstaat im Persischen Golf nach einem harten Zweikampf vor dem aus der Rallye-WM zurückkehrten Ex-Champion Kimi Räikkönen und übernahm damit auch die Führung im WM-Klassement.

„Das war ein perfekter Sonntag. Ich bin überglücklich, das war ein unglaubliches Rennen“, sagte Vettel: „Kimi war sehr schnell, deshalb war es sehr hart. Aber es hat einfach alles gepasst. Gruß an die Jungs in der Box, die Unglaubliches geleistet haben.“

Seinen zuvor letzten Sieg hatte Vettel am 30. Oktober 2011 in Indien gefeiert. Danach war er für seine Verhältnis lange fünf Rennen und inklusive Winterpause 175 Tage ohne Erfolg geblieben. Der finnische „Iceman“ Räikkönen holte schon im vierten Rennen nach dem Comeback den Podiumsplatz, auf den Rekordweltmeister Michael Schumacher nun schon seit 42 Rennen wartet.

Rang drei sicherte sich Räikkönens Teamkollege Romain Grosjean (Frankreich) im zweiten Lotus-Renault vor Vettels Stallrivalen Mark Webber (Australien). Nachdem beim Triumph von Nico Rosberg in Shanghai zuletzt drei Autos mit Mercedes-Motoren aufs Podium gefahren waren, gab es diesmal sogar einen Vierfach-Sieg für Renault-Aggregate. „Lotus war ein harter Gegner, mit dem wir nicht so sehr gerechnet hatten“, sagte Red-Bull-Berater Helmut Marko: „Wir mussten alle Reserven ziehen, um Kimi hinter uns zu halten.“

Rosberg kam eine Woche nach seinem sensationellen Premiere-Erfolg in China auf Rang fünf. „Das Wochenende war ganz okay“, sagte der 26-Jährige: „Es war Schadensbegrenzung und auch viel Positives dabei. Entwicklungsmäßig geht es gut voran, da kommt noch was.“

Teamkollege Schumacher, der nach technischen Problemen am Heckflügel und einem Getriebewechsel nur von Rang 22 aus ins Rennen gegangen war, rettete als Zehnter seinen zweiten WM-Punkt in diesem Jahr. „Ich weiß nicht, ob ich glücklich sein soll oder nicht“, sagte er: „Immerhin bin ich zum ersten Mal in diesem Jahr bei einem Trockenrennen durchgefahren. Aber ein Punkt ist besser als gar nichts. Da hat es sich die Arbeit also ein bisschen gelohnt.“ Nico Hülkenberg wurde im Force-India-Mercedes Zwölfter, Marussia-Pilot Timo Glock beendete das Rennen auf Rang 19.

In Bahrain hatte während der gesamten Woche jedoch vor allem die politische Lage im Golfstaat die Diskussionen dominiert und den Sport in den Hintergrund gedrängt. Täglich hatte es Demonstrationen gegeben, in der Nacht zum Samstag war dabei keine 20 Kilometer von der Rennstrecke entfernt sogar ein 36 Jahre alter Mann erschossen worden.

In der WM-Wertung führt Vettel nun mit 53 Punkten vor dem bisherigen Spitzenreiter Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes/49), der nach zwei verpatzten Boxenstopps nur Achter wurde. Es folgen Webber (48), der in Bahrain siebtplatzierte Ferrari-Pilot Fernando Alonso (Spanien/43) und Hamiltons nach einem Defekt noch als 18. gewerteter Landsmann und Teamkollege Jenson Button (43). Dahinter liegen Rosberg (35) und Räikkönen (34).

Vettel erwischte einen guten Start und eine noch bessere erste Runde. Rosberg dagegen verlor zu Beginn gleich drei Ränge und fiel von Platz fünf auf acht zurück. Schumacher war in der ersten Kurve 19. und hatte somit wenigstens drei Plätze gutgemacht, kurz darauf war er schon auf Rang 16.

Für Aufsehen sorgte derweil ein hartes Manöver zwischen Rosberg und Hamilton. Die Rennleitung leitete umgehend Ermittlungen ein und sprach Rosberg drei Stunden nach Rennende schließlich von Schuld frei. „Lewis hat mich neben der Strecke überholt“, klagte der Mercedes-Pilot via Boxenfunk. Einige Runden später verteidigte er seinen Platz ebenso verbissen gegen Fernando Alonso, der ihm daraufhin wütend die Faust aus dem Cockpit entgegenreckte. „Man muss immer Platz lassen“, schimpfte der Spanier über Funk.

Kurz vor den zweiten Stopps hatte Räikkönen seinen bis dahin auf Platz zwei liegenden Teamkollegen Grosjean passiert und war nun erster Jäger von Vettel, dem er immer näher kam. Räikkönen dominierte auf den Geraden, Vettel schien in den Kurven stärker zu sein. Den ersten Angriff startete der Finne in der 36. von 57 Runden, Vettel wehrte diesen aber ab. Im 40. Umlauf fuhren beide gleichzeitig zum letzten Reifenwechsel. Beide Stopps verliefen reibungslos, der Deutsche blieb vorne und baute danach den Vorsprung aus.

GP Bahrain 2012 – Rennen

1. Sebastian Vettel (Heppenheim/Red Bull) 1:35:10,990 Std.; 2. Kimi Räikkönen (Finnland/Lotus) +0:03,333; 3. Romain Grosjean (Frankreich/Lotus) +0:10,194; 4. Mark Webber (Australien/Red Bull) +0:38,788; 5. Nico Rosberg (Wiesbaden/Mercedes) +0:55,460; 6. Paul Di Resta (Großbritannien/Force India) +0:57,543; 7. Fernando Alonso (Spanien/Ferrari) +0:57,803; 8. Lewis Hamilton (Großbritannien/McLaren) +0:58,984; 9. Felipe Massa (Brasilien/Ferrari) +1:04,999; 10. Michael Schumacher (Kerpen/Mercedes) +1:11,490; 11. Sergio Perez (Mexiko/Sauber) +1:12,702; 12. Nico Hülkenberg (Emmerich/Force India) +1:16,539; 13. Kamui Kobayashi (Japan/Sauber) +1:30,334; 14. Jean-Eric Vergne (Frankreich/Toro Rosso) +1:33,723; 15. Daniel Ricciardo (Australien/Toro Rosso); 16. Witali Petrow (Russland/Caterham); 17. Heikki Kovalainen (Finnland/Caterham) alle +1 Rd.; 18. Jenson Button (Großbritannien/McLaren); 19. Timo Glock (Wersau/Marussia-Virgin); 20. Pedro de la Rosa (Spanien/HRT); 21. Narain Karthikeyan (Indien/HRT) alle +2 Rd.; Bruno Senna (Brasilien/Williams); Pastor Maldonado (Venezuela/Williams); Charles Pic (Frankreich/Marussia-Virgin) alle ausgeschieden.

Fahrerwertung nach 4 von 20 Rennen

1. Sebastian Vettel (Heppenheim) 53 Pkt.; 2. Lewis Hamilton (Großbritannien) 49; 3. Mark Webber (Australien) 48; 4. Jenson Button (Großbritannien); 5. Fernando Alonso (Spanien) alle 43; 6. Nico Rosberg (Wiesbaden) 35; 7. Kimi Räikkönen (Finnland) 34; 8. Romain Grosjean (Frankreich) 23; 9. Sergio Perez (Mexiko) 22; 10. Paul Di Resta (Großbritannien) 15; 11. Bruno Senna (Brasilien) 14; 12. Kamui Kobayashi (Japan) 9; 13. Jean-Eric Vergne (Frankreich); 14. Pastor Maldonado (Venezuela) alle 4; 15. Daniel Ricciardo (Australien); 16. Nico Hülkenberg (Emmerich); 17. Felipe Massa (Brasilien); 18. Michael Schumacher (Kerpen) alle 2.

Konstrukteurswertung nach 4 von 20 Rennen

1. Red Bull 101 Pkt.; 2. McLaren 92; 3. Lotus 57; 4. Ferrari 45; 5. Mercedes 37; 6. Sauber 31; 7. Williams 18; 8. Force India 17; 9. Toro Rosso 6.