Melbourne/Hamburg. Ella Seidel ist in Melbourne chancenlos gegen Titelverteidigerin Sabalenka. Aber Tamara Korpatsch ist eine Runde weiter.

Am Ende der 53minütigen Tennis-Lehrstunde huschte ein Lächeln über das Gesicht von Ella Seidel, während ihre „Lehrmeisterin“ Aryna Sabalenka fast entschuldigend beim Handschlag am Netz das Gesicht verzog. Dass es schwer werden würde gegen die Titelverteidigerin und Nummer zwei der Welt aus Belarus, das war der 18 Jahre jungen Hamburgerin bei ihrem Grand-Slam-Debüt bei den Australian Open natürlich vorher klar… Aber so?

6:0, 6:1! Patsch, patsch und Tschüß Melbourne. „Heute war einfach ein harter Tag“, sagte Seidel, die Mitte des zweiten Satzes angesichts ihrer Chancenlosigkeit tatsächlich Tränen in den Augen hatte. „Jetzt gerade ist es schwer, etwas Positives zu sehen.“

Tennis: Bundestrainerin Rittner betreute Seidel

Chef-Bundestrainerin Barbara Rittner, die das Talent vom Club an der Alster in Melbourne schon bei den drei Siegen in der Qualifikation betreut hatte und gemeinsam mit Andrea Petkovic in der Box im Rod-Laver-Stadion saß, hatte schon nach der Auslosung geahnt, dass Sabalenka ein, zwei Nummern zu groß sein wird: „Die hätte ja auch erst in der dritten Runde kommen können.“

Nun kam sie aber schon in der ersten – und damit das ganze Bohei eines Nacht-Matches, Scheinwerferlicht, TV-Übertragung und eine endlos scheinende Vorbereitungszeit, weil zuvor sich Novak Djokovic unerwartet lange 4:02 Stunden gegen den kroatischen Qualifikanten Dino Prizmic mit 6:2, 6:7 (5:7), 6:3, 6:4 zum Sieg mühte. Alles nicht einfach, wenn man das erste Mal im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers aufschlägt.

Tamara Korpatsch zum dritten Mal in Runde zwei

Als Ella Seidel um 23.34 Uhr Ortszeit durch den langen Flur mit den Namen vieler großer Sieger des Turniers an der Wand in die Arena ging, augenscheinlich angespannt, als würde sie ahnen, was auf sie zukommt, war ihre Vereinskollegin Tamara Korpatsch schon seit etwa achteinhalb Stunden mit ihrem Tagewerk fertig und glücklich.

Mit einem 2:6, 6:3, 6:0-Sieg gegen die Britin Jodie Burrage ist die 28-Jährige zum dritten Mal in ihrer Laufbahn in die zweite Runde eines Grand-Slam-Turnier eingezogen. Nach 1:51 nutzte sie ihren zweiten Matchball, als eine Vorhand ihrer Gegnerin im Netz landete.

Nächste Gegnerin der Hamburgerin ist Barbora Krejcikova

In der nächsten Runde bekommt sie es mit der an Nummer neun gesetzten Tschechin Barbora Krejcikova zu tun. „Sie ist eine sehr gute Spielerin. Ich habe vor zwei Jahren mal bei den US Open mit ihr trainiert. Sie ist eine Top-Ten-Spielerin, von daher wird es nicht einfach“, sagte Korpatsch über die French-Open-Siegerin von 2021. „Aber eine Chance ist immer da“, hofft Korpatsch, die erst Ende des vergangenen Jahres im rumänischen Cluj-Napoca ihr erstes WTA-Turnier gewonnen hatte.

Nebenplatz 13 war zwar verhältnismäßig gut gefüllt, als die Hamburgerin ab 13.00 Uhr Ortszeit in einem der ersten Matches das Turnier miteröffnete, aber ein Vergleich zu dem Hype in der über 14.000 Zuschauer fassenden Rod-Laver-Arena ist das natürlich bei weitem nicht.

Korpatsch knackte im Oktober 2022 die Top-100

Korpatsch hat in ihrer fast zwölf Jahre andauernden Profikarriere auch schon reichlich Routine gewonnen. Die meiste Zeit verbrachte sie in der Anonymität der Ränge zwischen 100 und 200 und wurde anders als zum Beispiel Seidel nicht vom Deutschen Tennis-Bund (DTB) gefördert.

Erst im Oktober 2022 knackte sie erstmals die Top-100. Aktuell steht sie auf Rang 80 und ist damit die drittbeste deutsche Spielerin. Für eine Nominierung für die Nationalmannschaft reichte es dennoch bislang nie. Das Familienunternehmen Korpatsch regelt also alles selbst. „Mein Vater Thomas ist alles. Er ist mein Coach und der härteste Konditionstrainer, den es gibt“, sagt Tamara.

Konflikt mit dem DTB vor Olympia möglich

Mit Blick auf die Olympischen Spiele in Paris kann dieses Nicht-Verhältnis zum DTB noch zu einer konfliktträchtigen Situation führen, wenn die norddeutsche Außenseiterin ihren Weg so weiter geht wie zuletzt. Den frischen Schwung will sie auf jeden Fall ins neue Jahr mitnehmen und so schnell wie möglich unter die Top 50.

„Das ist das naheliegende Ziel“, sagte die aktuelle Nummer 80 der Welt. „Ich will so viele Punkte wie möglich sammeln, weil ich bis Mai nur sehr wenig Punkte zu verteidigen habe. Damit ich die Top 50 so schnell wie möglich erreiche“, sagte Korpatsch über den Plan für die erste Jahreshälfte 2024.

Ella Seidel vor dem Match gegen Sabalenka. Es war ihr erster Auftritt bei einem Grand-Slam-Turnier.
Ella Seidel vor dem Match gegen Sabalenka. Es war ihr erster Auftritt bei einem Grand-Slam-Turnier. © imago/Hasenkopf | IMAGO/Juergen Hasenkopf

Der Plan von Ella Seidel kann nur daraus bestehen, das Positive bei ihrem ersten Grand-Slam-Turnier mitzunehmen. „Ich habe es bei meinem ersten Grand-Slam-Turnier direkt ins Hauptfeld geschafft und drei Spiele in der Quali gewonnen“, sagte Seidel. „Ich denke, darauf kann ich schon stolz sein. Heute war es schwer, aber ich werde hart arbeiten und wieder kommen.“

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Sabalenka hatte es sehr eilig. Mit ihren druckvollen Schlägen ließ sie Seidel überhaupt nicht zur Entfaltung kommen und holte sich nach nur 22 Minuten den ersten Satz. Vielleicht wäre es etwas anders gekommen, wenn die Hamburgerin den einen Spielball zum 1:1 hätte nutzen können, den gedachten Passierball aber vollierte Sabalenka sicher ins Feld. Auch im zweiten Durchgang hatte Seidel nicht den Hauch einer Chance.

„Man möchte sich am liebsten verkriechen und rausschleichen. Das ist kein schönes Gefühl“, sagte Ex-Profi Anke Huber als TV-Experten bei Eurosport. Und selbst Boris Becker litt mit der 172. der Weltrangliste mit, hofft aber, dass sie profitiert von diesem schweren Abend: „Diese Erfahrungen kannst du nicht mit Geld bezahlen. Ich glaube, das wird ihr unglaublich viel Kraft und Energie geben in den nächsten Wochen und Monaten