Winsen (Luhe). Geteilter zweiter Platz für die beiden Deutschen beim Golfturnier in Winsen. Beste Werbung für die Zukunft des Turniers.

„Komm her, Digger“, sagte Marcel Siem (43) und zog Maximilian Kieffer (32) an sich. Hinter den Turnierkulissen bei dem Zelt, in dem die Ergebnisse unterschrieben werden, wussten die beiden deutschen Profigolfer nicht so recht, wie sie mit ihren Emotionen umgehen sollten. Auch in der innigen Umarmung schauten sie bitter-süß. Ja, stolz auf den geteilten zweiten Platz bei den Porsche European Open, aber ja – auch Enttäuschung über die verpasste Chance bei einem Heimturnier auf der DP World Tour zu triumphieren.

Stattdessen mussten sie auf einem Bildschirm zusehen, wie der erst 20 Jahre alte Nordire Tom McKibbin seinen zweiten Schlag auf dem finalen 18. Loch aufs Grün schoss – Siem drehte sich ab. „Das war’s, verdienter Sieger“, sagte der 42 Jahre alte Publikumsliebling aus Mettmann, der gemeinsam mit Kieffer vier Tage lang die Fans auf den Green Eagle Golf Courses begeistert hatte. Gewonnen aber hat McKibbin mit insgesamt 283 Schlägen und damit neun unter Par auf dem Par-73-Kurs. Kieffer, Siem und der Franzose Julien Guerrier teilten sich mit je zwei Schlägen mehr am Ende Rang zwei.

„Dieser Erfolg ändert mein Leben ein wenig, denke ich“, sagte McKibbin, der den ersten Sieg seiner noch jungen Karriere in seinem 26. Turnier feierte, „ich habe hier gelernt, dass ich gut genug bin zu gewinnen.“ 297.500 Euro nimmt er neben jeder Menge Zuversicht für die weitere Karriere mit. In der dramatischen Schlussrunde schaffte er es, mit drei Schlägen unter Par die Angriffe der Verfolger abzuwehren. Kieffer benötigte ebenfalls nur 70 Schläge am Sonntag und hatte noch auf der 18 die Chance, mit einem Birdie in Führung zu gehen. Er schob den letzten Putt aber knapp vorbei, „den muss ich machen“, wusste der erfahrene Bergisch-Gladbacher.

Golf in Winsen: Siem verschätzte sich an Bahn 16 mit der Länge

Siem leistete sich dagegen bei seiner emotionalen Runde den entscheidenden Patzer an der 16. Bahn, als er sich mit den Längenangaben verrechnet hatte und seinen Abschlag ins Wasser haute. Anschließend schien er auf dem Fairway mit Tränen zu kämpfen. „Da habe ich meine Hausaufgaben nicht gemacht“, sagte er, „es war ein unglaublich dummer Fehler.“

Trotzdem wurde er wie Kiefer während der gesamten Runde von den Zuschauern frenetisch gefeiert und angefeuert, und zahlte mit „Säge“ und sogar einem kleinen Tänzchen nach einem eingelochten Bunkerschlag zurück. „Ich spiele seit 1999 alle Turniere in Deutschland, aber solch eine Atmosphäre habe ich noch nie erlebt“, sagte Siem und fügte hinzu: „Es war mega hier. Und es war ganz wichtig für die Zukunft.“

Porsche European Open: Großer Besucherandrang

Turnierdirektor Dirk Glittenberg von der Veranstalter-Agentur U.COM hatte am Vormittag höchst selbst noch die Eröffnung eines zusätzlichen Parkplatzes überwacht, Gras musste gemäht werden, bevor weitere Golffans ihre Autos dort abstellen konnten. Insgesamt 23.500 Zuschauer wurden an den vier Turniertagen gezählt. „Ich habe in Deutschland an einem Sonnabend noch nie so viele Fans gesehen“, staunte Siem.

Entsprechend glücklich war auch Glittenberg: „Es war die beste Porsche European Open ever. Das Wetter war ideal, und dass Siem und Kieffer um den Sieg mitspielten, hat uns natürlich auch geholfen.“ Denn Glittenberg und seine Mitarbeiter mussten in dieser Woche liefern: Seine Verträge mit der DP World Tour und mit Hauptsponsor Porsche laufen nach der Veranstaltung schließlich aus. Zweifel, ob es das seit 2017 auf den Green Eagle Golf Courses ausgetragene Turnier an dieser Stelle auch im kommenden Jahr noch gibt, waren zuletzt unter anderem von Martin Kaymer genährt worden. „Wir wollen das Turnier auch in den kommenden Jahren austragen“, erklärte Glittenberg, „wir wollen es machen, wir müssen es aber auch finanzieren können.“

Gespräche über Weiterführung der Porsche European Open

Am Sonntag verschaffte sich Keith Pelley, der Geschäftsführer der DP World Tour, einen persönlichen Eindruck von der einzigartigen Stimmung auf den Naturtribünen – die Werbung für das Turnier war gelungen. Porsches Sportpressesprecher Markus Rothermel war die gesamte Woche vor Ort. Eine Entscheidung, ob das Unternehmen das Sponsoring fortsetzt, ist jedoch noch nicht gefallen, Gespräche sollen kurzfristig fortgesetzt werden.

Dass wegen einer Terminkollision mit dem Memorial Turnier in den USA sowie der Auseinandersetzung der DP World Tour mit der von Saudi Arabien finanzierten LIV-Tour keine bekannten Stars aus den USA und auch Kaymer nicht am Start waren, beeinflusst Porsches Entscheidung angeblich nicht. Die Chancen, dass es weitergeht, scheinen somit nicht so schlecht. Hamburg und Umgebung ist ein wichtiger Markt für den Sportwagenbauer, und das Ziel, „Emotionen zu schaffen“, wurde sicher erreicht. „Es war spannend zu sehen, wie sehr sich die Hamburger Golffans auch ohne die ganz großen internationalen Namen für das Turnier interessieren“, sagte Rothermel dem Abendblatt. Diese Prüfung haben die Hamburger bestanden.

Immerhin zehn von 17 gestarteten deutschen Spielern hatten den Cut überstanden und spielten am Wochenende noch mit. Der erst 22 Jahre alte Freddy Schott (Düsseldorf) war mit 291 Schlägen (1 unter Par) nach Siem und Kieffer auf dem geteilten 14. Platz der beste von ihnen. Olympiateilnehmer Hurly Long (Mannheim/27) belegte schlaggleich mit Marcel Schneider (Bietigheim-Bissingen/33) drei Schläge über dem Platzstandard den geteilten 33. Platz. „Es hat extrem viel Spaß gemacht, es ist ein tolles Turnier“, sagte er, „man hat gesehen, wie viele Leute bei Marcel und Max mitgelaufen sind.“

Wer nicht auf der Anlage war, der tummelte sich im Public Village mit so vielen Ausstellern wie noch nie. Oder saß im 37 Meter hohen Riesenrad, das bereits zu einer Ikone geworden ist. Dass es all das zum letzten Mal gegeben haben soll, ist kaum vorstellbar. „Wir schauen zuversichtlich in die Zukunft“, sagte Glittenberg, während aus einem Lautsprecher Nenas Klassiker „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ herüberschallte. Nein, am besten hier, im kommenden Jahr.