Hamburg. Henry Thom spricht im Interview über die neue Identität seines der Teams und warum er seinen Vertrag verlängert hat.

Mehr als zwei Drittel der Saison 2022/23 in der Eishockey-Oberliga Nord sind absolviert, und die Crocodiles Hamburg liegen als Tabellenvierter aktuell voll im Soll. Vor dem Gastspiel beim Schlusslicht Krefelder EV an diesem Dienstag (19.30 Uhr) spricht Cheftrainer Henry Thom (52) über die Grenzen der Leistungsfähigkeit seines Teams und erklärt, warum er seinen Vertrag bis Sommer 2025 verlängert hat, obwohl die Perspektive eines Aufstiegs in die DEL 2 wegen der dafür fehlenden Spielstätte nicht gegeben ist.

Hamburger Abendblatt: Herr Thom, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihrem Führungsspieler Sebastian Moberg, der sich am Sonntag in Erfurt verletzt hat?

Henry Thom: Eine endgültige Diagnose steht aus. Aber es sieht leider nicht gut aus. Neben unseren Torhütern ist Sebastian unser wichtigster Spieler. Er hat sich nach seinem Wechsel zu uns im Sommer zu einem großen Antreiber entwickelt. Wenn er uns lange fehlen würde, wäre das ein bitterer Rückschlag.

Und nicht der erste, nachdem in der vergangenen Woche der Wechsel von Dennis Reimer zu Ihrem Ligakonkurrenten Hannover Scorpions bekannt wurde. Warum lässt man einen Stürmer seiner Qualität mitten in der Saison zu einem Rivalen ziehen?

Wir hatten mit Dennis ein Gespräch über die kommende Saison. Unser Geschäftsführer Sven Gösch und ich haben ihm gesagt, dass wir ihm nicht das Gehalt bieten können, das er aktuell erhält, daraufhin hat er sofort den Wunsch an uns herangetragen, in die DEL 2 nach Bad Nauheim zu wechseln. Dem haben wir entsprochen. Dass dann die Scorpions ihr Angebot erhöhten und er dorthin wechselte, war so nicht besprochen. Aber ich wollte auch keinen Spieler haben, der sich hängen lässt und seine Leistung nicht mehr bringt. Mit Ilja Fleischmann von unserem Kooperationspartner Lausitzer Füchse haben wir aber einen Spieler, der ihn ersetzen kann, und der Bock hat, hier zu sein.

Dennoch werden Sie nicht umhinkommen, auf dem Transfermarkt tätig zu werden, wenn Sie Ihre Ziele erreichen wollen.

Das ist nicht einfach. Wir sondieren den deutschen Markt, aber wir können mit Teams wie den Scorpions oder Rosenheim im Süden einfach nicht konkurrieren. Sollte Sebastian lange ausfallen, könnten wir im Ausland nach Ersatz schauen. Das ist etwas leichter, aber eine Optimallösung wird es nicht geben.

Befürchten Sie einen Bruch in der Mannschaft, wenn so wichtige Spieler fehlen?

Überhaupt nicht. Die Jungs, die wir haben, sind charakterlich so stark, dass sie das auffangen werden. Nehmen Sie als Beispiel das Spiel am Sonntag in Erfurt. Da haben wir 14 Sekunden vor Schluss den Ausgleich kassiert. In der vergangenen Saison hätten wir das Spiel garantiert in der Verlängerung verloren. In dieser finden wir Wege, um zu gewinnen.

Woran machen Sie das fest? Was ist die Identität, für die diese Mannschaft steht?

Das Team zeichnet aus, dass es Verlieren so unglaublich hasst. Selbst in Partien, in denen wir hoch zurückliegen, geben die Jungs bis zum bitteren Ende alles, nach Niederlagen sind alle tief bestürzt. Das ist es, was ich sehen möchte.

Wie oft hat Ihr Team in dieser Saison am Optimum dessen gespielt, was es kann?

Ich würde sagen, dass das in den ersten 20 Saisonspielen sehr häufig der Fall war. Da lief die Scheibe, wir standen defensiv stabil, es war egal, ob wir zwölf oder 20 Spieler im Kader hatten. Dass solche Phasen nicht von langfristiger Dauer sind, ist normal. Aber ich finde, wir haben mehr Konstanz in unseren Leistungen. Hätte man mir vor der Saison gesagt, dass wir Anfang Januar auf Rang vier mit Kontakt zu Rang zwei und gutem Abstand auf Rang sechs stehen, hätte ich sofort eingeschlagen. Deshalb bin ich sehr zufrieden.

Dennoch gab es zuletzt auch ein paar hohe Niederlagen gegen die Topteams aus Hannover und Tilburg. Sind Sie doch noch zu weit weg von der Spitze?

Beim 2:9 in Tilburg konnten wir das Tempo nicht über 60 Minuten mitgehen, so ehrlich muss man sein. Das 3:6 gegen die Scorpions war enger, als es aussieht, beim 1:5 gegen die Indians waren es wenige Minuten, in denen wir einen Aussetzer hatten und das Spiel weggeschenkt haben. Grundsätzlich glaube ich aber, dass wir mit allen Teams in der Liga gut mithalten.

Was also ist möglich in dieser Saison?

Ich gehe davon aus, dass wir die Top vier halten, wenn wir von Verletzungen fortan verschont bleiben. Und wenn wir in Topform in die Play-offs starten, dann würde ich nicht gegen uns spielen wollen.

Was muss dafür passieren?

Wir müssen gesund bleiben und zwei, drei Wochen ohne zusätzliches Dienstagspiel haben, um unser konditionelles Level anzuheben und die Grundlagen zu festigen. Die Grippewelle Anfang Dezember, als zwölf Spieler mit 40 Grad Fieber mehrere Tage im Bett lagen, hat viel Substanz gekostet, die wir im laufenden Betrieb nicht aufholen konnten. Wenn uns das gelingt, und der Spielplan gibt uns die Chance dazu, dann werden wir unser Ziel erreichen.

Das Fernziel lautet Aufstieg in die DEL 2, allerdings sieht die Stadt keinen Bedarf, das Eisland Farmsen mit einer neuen Halle zu ersetzen, die dafür notwendig wäre. Dennoch haben Sie Ihren Vertrag gerade bis Sommer 2025 verlängert. Warum?

Weil ich ein deutliches Zeichen dafür setzen wollte, dass wir hier langfristig etwas aufbauen wollen und ich daran glaube, dass das auch möglich ist. Wir wollen mit dem Großteil des Teams, das wir jetzt beisammen haben, in die nächste Saison gehen. Leistungsträger wie unser Torhüter Kai Kristian, Kapitän Dominik Lascheit, Sebastian Moberg und Torjäger Harrison Reed haben ja auch verlängert. Wir ziehen wirklich alle an einem Strang, und das wollen wir gegenüber der Öffentlichkeit, unseren Fans und Sponsoren demonstrieren, damit die Verantwortlichen wachgerüttelt werden und endlich etwas in puncto Halle passiert. Wir haben das verdient.