Hamburg. Berliner Profiboxerin kämpft auf Premierenveranstaltung des neuen Hamburger Stalls P2M an diesem Sonnabend um die WIBF-WM.

Diese Scheißaufregung! Auch an diesem Sonnabend wird Nina Meinke von diesem Gedanken durch den Tag getragen werden, wie immer, wenn am Abend ein Kampf ansteht. „Auch wenn sie mich manchmal fertigmacht, ich brauche diese Anspannung, um zu wissen, dass ich fokussiert bin. Wenn ich im Ring stehe, ist alles vergessen, aber davor ist es hart. Und sie ist vor jedem Kampf gleich, egal, worum es geht“, sagt die Profiboxerin.

An diesem Sonnabend geht es um viel. Nina Meinke, geboren am 4. März 1993 in Berlin, bestreitet auf einer historischen Veranstaltung einen der beiden Hauptkämpfe. Im Porsche-Zentrum an der Lübecker Straße begeht der neu gegründete Hamburger Profistall P2M seine Premiere, 400 geladene Gäste dürfen dabei sein, wenn Meinke gegen Edith Soledad Mat­thysse (42/Argentinien) um den WM-Titel des renommierten Weltverbands WIBF im Federgewicht (Klasse bis 57,153 kg) kämpft.

Profiboxen: Nina Meinke zurück im Ring

Im zweiten Hauptkampf ist die in sieben Kämpfen unbesiegte Hamburgerin Dilar Kisikyol (30) im Duell um die WIBF-Krone im Leichtgewicht gegen Eva Hubmeyer (36/Euskirchen) gefordert. Sechs Kämpfe stehen insgesamt auf dem Programm, das um 20 Uhr beginnt. Ein wichtiger Teil dieses Programms zu sein, das empfindet Nina Meinke als große Ehre.

17-mal stand sie seit ihrem Wechsel ins Profilager im Mai 2016 im Ring, dreimal musste sie als Verliererin wieder hinausklettern. „Aber ich habe in den Kämpfen, die ich verloren habe, am meisten gewonnen“, sagt die Rechtsauslegerin, die die in Deutschland übliche Fixierung auf Kampfrekorde ohne Niederlagen nie verstanden hat. „Es geht doch darum, die bestmöglichen Gegnerinnen zu boxen. Und da gehört es dann auch mal dazu, einen Kampf zu verlieren“, sagt sie.

Nina Meinke: "Ich boxe nicht wegen des Geldes"

Eine Einstellung ist das, zu der Mut gehört, weil sie bedeutet, sich den Besten zu stellen, anstatt, von einem mächtigen Promoter geschützt, gegen handverlesene Konkurrenz die eigene Position zu zementieren. Die Zeiten allerdings, in denen das Frauenboxen in Deutschland so stark war, dass ein solches Vorgehen möglich war, sind lange vorbei. Nina Meinke weiß das, aber betrauert es nicht. „Natürlich ist mir bewusst, dass ich zu Zeiten, als Regina Halmich Millionen vor die TV-Schirme gelockt hat, viel besser verdient hätte und bekannter geworden wäre“, sagt sie. „Aber ich boxe nicht wegen des Geldes und der Bekanntheit, sondern weil es das ist, was ich am liebsten tue.“

Wann es begonnen hat mit ihrer Leidenschaft, das hat Nina Meinke bunt auf weiß. Als Zweitklässlerin sollte sie berichten, was ihr schönstes Ferienerlebnis gewesen sei. Sie zeichnete einen Boxer im Ring, der im Konfettiregen einen Sieg feiert. Der Mann auf der Zeichnung war Sven Ottke, viele Jahre Weltmeister im Supermittelgewicht, bester Freund ihres Vaters und Managers Christian Meinke und deshalb ihr Patenonkel. „Als ich mit sieben in Magdeburg das erste Mal bei einem seiner Kämpfe am Ring saß, wusste ich: Das will ich auch machen“, sagt sie.

Nina Meinke öffnete in Berlin Gym

Also machte sie. Nach dem Abitur, das sie in Scarborough (England) absolvierte, startete sie ihre Amateurkarriere, die sie 2015 nach einem Mittelhandbruch aufgab. Anschließend jobbte sie auf dem Bau, im Schrotthandel und im Einkauf von Katalysatoren, doch das Kämpfen ließ sie nicht los. Also wagte sie sich 2016 ins Profigeschäft, parallel eröffnete sie mit ihrem Freund, der auch ihr Sportmediziner ist, im Berliner Stadtteil Steglitz ein Gym, in dem sie als Personal Coach Fitness- und Kampfsportkurse anleitet.

Ihren Mut, jede Herausforderung anzunehmen, wies Nina Meinke insbesondere im April 2017 nach, als sie im Londoner Wembleystadion im Vorprogamm des epischen Schwergewichtsduells Anthony Joshuas mit Wladimir Klitschko gegen Irlands Superstar Katie Taylor antrat. Es war ihr sechster Profikampf, sie unterlag wegen eines schweren Cuts am linken Auge vorzeitig in Runde sieben, aber mit ihrem couragierten, actionreichen Stil hatte sie sich international auf die Bildfläche gekämpft.

Nina Meinke: „Ich kann es kaum erwarten“

Ihre anderen beiden Niederlagen erlitt sie in ihren ersten beiden WM-Kämpfen, im Mai 2018 umstritten nach Punkten gegen die Deutschrussin Elina Tissen, im April dieses Jahres knapp nach Punkten gegen die Dänin Sarah Mahfoud in deren Heimat Kopenhagen.

Nun also Hamburg, die dritte WM-Chance und ein Neubeginn mit einem Promoter, der auf sie baut. „Ich kann es kaum erwarten“, sagt Nina Meinke. Aufregung kommt und geht, ihre Erfahrungen aber kann ihr niemand nehmen.