Hamburg. Segelhochburg Hamburg: Silke Basedow und Tobias Schadewaldt über die Erfolge des HSC und des NRV.

„Nicht schlecht für eine Frau!“ Diesen Spruch bekommt Silke Basedow noch immer von Männern mit weißen Haaren zu hören. Die 38-Jährige hat sich irgendwann entschieden, diese Bemerkung einfach zu ignorieren. „Obwohl, vielleicht sollte ich offensiver darauf hinweisen, was sie da sagen“, räumt sie ein, selbst manchmal daran zu zweifeln, ob sie richtig reagiert. „Aber ich versuche prinzipiell eher, mit Ergebnissen die Wahrnehmung der Menschen zu verändern.“ Und die sind, objektiv betrachtet, sensationell.

Hinter Basedow, die für den Hamburger Segel-Club (HSC) startet, liegt die mit Abstand erfolgreichste Saison ihrer Karriere. In der Segel-Bundesliga hat es der HSC mit seinem Frauenteam immer unter die Top drei geschafft, wenn sie als Steuerfrau an Bord war.

Silke Basedow räumt richtig ab

In Friedrichshafen gelang ihr sogar der große Coup, eine der sechs Regatten (laufen von Mai bis Oktober) zu gewinnen. Das Ergebnis in der Bundesliga-Abschlusstabelle: Rang vier unter 18 Vereinen, deren Boote ganz überwiegend mit Männern besetzt sind.

Silke Basedow (Archivbild).
Silke Basedow (Archivbild). © Sven Jürgensen

Doch damit nicht genug: Nebenbei gewann sie auch noch auf der Außenalster mit ihrer Schwester Maren Hahlbrock, Juliane Zepp und Luisa Krüger den Helga-Cup, die weltweit größte Frauenregatta, zum dritten Mal in Folge. Spontan entschied sich Basedow im August zur Teilnahme an der Inklusions-WM in Rostock und holte mit gemeinsam mit Nadine Löschke unter 25 Teams aus sieben Nationen – was sonst – den Titel. Wahrlich nicht schlecht, diese Frau ...

NRV gewann 2022 die Champions League

Der Gesprächstermin ist für die Hamburgerin Basedow an diesem Mittwoch ein „Auswärtsspiel“. Wir haben uns im Clubhaus des Norddeutschen Regatta Vereins (NRV) verabredet, um mit ihr und dem Wilhelmshavener Tobias Schadewaldt über die Segelsaison zu sprechen. Auch der Steuermann vom NRV kann stolz auf die Resultate zurückblicken.

Bereits zum sechsten Mal seit Einführung der Segel-Bundesliga konnte er mit seinem 20 Mann großen Kader – bei den Regatten treten die Teams oft in unterschiedlicher Besetzung an – den Titel erringen. Nach zwei vergeblichen Anläufen gelang in diesem Jahr als Sahnehäubchen der Gewinn der Champions League in Travemünde. Im November ist noch das Triple im nationalen Pokal möglich. Nicht schlecht für einen Mann...

Frauen haben in der Regel Gewichtsnachteil

Dass beide zusammensitzen, spricht für die inzwischen guten Beziehungen zwischen beiden Vereinen (Basedow: „Das war nicht immer so“). Gemeinsame Trainings sind nicht mehr die Ausnahme. „Wobei, ich muss mir überlegen, ob wir das nicht sein lassen sollen, ihr seid zu gut geworden“, scherzt Schadewaldt.

Tobias Schadewaldt (Archivbild).
Tobias Schadewaldt (Archivbild). © Sven Jürgensen | Sven Jürgensen

Wie hoch die Leistung Basedows einzuordnen ist, erklärt Schadewaldt mit dem Gewichtsnachteil, den die in der Regel vier Frauen in einem Boot im Vergleich zu den Männern haben: „Das können sie nicht ausgleichen.“ Gerade bei „Mittelwind“ mache sich das bemerkbar, wenn die Frauen rund 100 Kilo weniger auf die Kante bekämen und so tiefer fahren müssten.

„Beeindruckend, wie gut ihr eure Stärken aufs Wasser bekommen habt“, sagt Schadewaldt voller Respekt und meint damit die sehr überlegte, analytische Strategie. „Wir müssen versuchen, schlauer zu segeln, bestimmte Konstellationen in den Rennen vorherzusehen“, bestätigt Basedow diese Einschätzung.

Reich wird man im Segelspot in Deutschland nicht

Basedow und Schadewaldt kennen sich seit 15 Jahren. Beide hatten einmal den Traum von Olympia, für den NRV-Skipper erfüllte er sich 2012 mit der Teilnahme an den Spielen in London, Basedow, die damals noch unter ihrem Mädchennamen Hahlbrock antrat, verpasste in der Qualifikation dagegen das Olympia-Ticket.

Die Passion Segeln ist für beide bis heute geblieben, was alleine die Teilnahme an der Segel-Bundesliga beweist. Denn anders als in anderen Sportarten gibt es auf dem Wasser kein Geld zu verdienen. Im Gegenteil: Während der Norddeutsche Regatta Verein immerhin dank Sponsoren und privaten Gönnern alle Kosten für die Crew übernimmt, kann der kleinere Hamburger Segel-Club nur die Meldegebühr übernehmen. Reise- und Übernachtungskosten müssen Basedow und ihre Mitstreiterinnen übernehmen. Bittere Realität in Sportdeutschland.

Losung, welcher Verein mit welchem Boot segelt

Doch Basedow, im Beruf Betriebswirtin, klagt nicht, dass sie sogar noch Geld mitbringen muss. Stattdessen betont sie die positiven Effekte für den HSC durch die Präsenz im Leistungssport. „Das Bundesligateam wirkt wie ein Magnet, wir konnten dadurch 30, 40 neue Mitglieder gewinnen im für Vereine sehr interessanten Alter zwischen 20 und 40 Jahren.“

Wie Basedow hebt auch Schadewaldt hervor, wie identitätsstiftend sich die Bundesliga auf den Verein auswirkt. „Dieses Format begeistert in der Segelszene immer mehr Menschen und hat sich auch in anderen Ländern wie Dänemark, Österreich, Finnland oder England etabliert.“ Besonders reizt ihn, dass alle Vereine mit den gleichen Booten (J/70) antreten müssten – wer mit welchem Boot segelt, wird vor den Wettbewerben ausgelost.

Umkleiden kleiner: Frauen sind im Segelsport Minderheit

Dennoch glaubt der Geschäftsführer der Werft „Jade Yachting“ in Wilhelmshaven, dass für die Segel-Bundesliga in Sachen Attraktivität für Zuschauende noch Potenzial nach oben ist, auch wenn es Livestreams bei YouTube gibt und manche Vereine sogar eine mitreisende Fanbasis aufgebaut haben. Gespräche laufen zwischen der Segel-Bundesliga und den Clubs, wie das Finalwochenende noch spannender gestaltet werden könnte. Große finanzielle Sprünge sind allerdings derzeit kaum drin, zumal mit Gazprom der größte Partner verloren ging.

Für Basedow wiederum wäre schon viel gewonnen, wenn in dem noch immer stark männerdominierten Sport auch durch ihre Auftritte in der Bundesliga mehr Frauen animiert würden, sich auf ambitionierter Amateurebene zu messen, was sich perspektivisch gerne auch in der Größe der Umkleiden niederschlagen dürfte. „Wenn wir in Deutschland unterwegs sind, ist das Verhältnis zu dem Bereich für die Männer oft eins zu zwei.“