Hamburg. Deutsche Tennisherren setzen sich nach Gruppensieg in Hamburg hohe Ziele. Ausrichter Emotion muss ein Minusgeschäft verkraften.

Den Ton für das, was Ende November auf sein Team wartet, setzte Michael Kohlmann mit Vehemenz. „Das Erreichen der Endrunde in Malaga ist nur ein Zwischenziel. Viertelfinale ist nicht das, was mir ausreichen würde“, sagte der deutsche Daviscup-Teamchef, nachdem sich seine Auswahl in der Zwischenrunde des traditionsreichsten Mannschaftswettbewerbs der Sportwelt am Rothenbaum zur Final-8-Endrunde durchgeschlagen hatte, die vom 22. bis 27. November in Spanien stattfindet. Dann schickte er hinterher: „Wir sind für jedes Land ein unangenehmer Gegner. Ich wüsste kein Team, vor dem wir uns verstecken müssten.“

Kevin Krawietz und Tim Pütz, die neben dem Bundestrainer auf dem Podium saßen, schauten ein wenig überrascht, als sie das Urteil ihres Anführers hörten. Allerdings haben die beiden Doppelspieler großen Anteil daran, dass das Selbstbewusstsein im Deutschen Tennis-Bund (DTB) so sehr gewachsen ist, dass man sich sogar den Titelgewinn zutraut.

Der Coburger Krawietz (30) und Pütz (34) aus Frankfurt am Main wahrten bei den 2:1-Erfolgen gegen Frankreich, Belgien und zum Abschluss gegen Australien ihre weiße Daviscup-Weste, holten jeweils den siegbringenden Punkt. Am Sonntag schlugen sie die Wimbledonsieger Matthew Ebden (34)/Max Purcell (24) 6:4, 6:4, sicherten Deutschland damit den Gruppensieg und ein Viertelfinalduell mit Kanada. Weil zudem mit Jan-Lennard Struff (32/Warstein) ein Spieler gegen die jeweilige Nummer zwei der Konkurrenz antrat, der deutlich höheres Potenzial besitzt, als es sein aktueller Weltranglistenrang 132 aussagt – am Sonntag brachte er sein Team gegen Purcell mit einem 6:1, 7:5-Erfolg zum dritten Mal in Führung –, fiel der verletzungsbedingte Ausfall des Hamburger Olympiasiegers Alexander Zverev (25) nicht allzu schwer ins Gewicht. Der Kölner Oscar Otte (29/Nr. 52), der nach langer Verletzungspause gegen Frankreich und Belgien gute Matches knapp verlor, zeigte sich von der Bürde des Nummer-eins-Spielers indes durchaus beschwert, konnte am Sonntag gegen Thanasi Kokkinakis (26/Nr. 81) beim 6:7 (6:8), 1:6 seine Qualität erneut nur bedingt nachweisen.

Daviscup: Geschlossenheit in der gesamten Mannschaft ist beeindruckend

Da Zverev wegen seines Knochenödems im seit den French Open Anfang Juni lädierten rechten Fuß bis Jahresende keine Wettkämpfe mehr bestreiten wird, dürfte Kohlmanns Kader in Malaga identisch mit dem in Hamburg sein. Ohne Frage fehlt darin ein Topspieler als Sieggarant im Einzel. Aber im neuen Format mit nur zwei statt vier Einzeln und einem Doppel, in dem der 2019 komplett umgestaltete Daviscup ausgetragen wird, gewinnt das Doppel an Wichtigkeit. Wohl dem also, der nicht nur eine Kombination wie Krawietz/Pütz zu bieten, sondern mit An­dreas Mies (32/Köln), der an der Seite von Krawietz zweimal die French Open gewann, auch noch eine herausragende Alternative in der Hinterhand hat.

Auf die Frage nach ihrem Erfolgsgeheimnis verwiesen die beiden Doppel- Asse auf das, was Michael Kohlmann, der das Team 2021 bereits ins Halbfinale geführt hatte, stets in den Mittelpunkt stellt. „Unser Teamgeist ist einfach überragend. Es macht unheimlich viel Spaß mit der Truppe“, sagte Krawietz. Tatsächlich war es beeindruckend zu verfolgen, wie die gesamte Gruppe inklusive des kurzfristig für Zverev nominierten Karlsruhers Yannick Hanfmann (30/Nr. 153) bei den Spielen mitfieberte und sich pushte. Selbst Zverev war nach der niederschmetternden Diagnose nicht sofort in seine Wahlheimat Monte Carlo gereist, sondern in Hamburg geblieben. „Cheerleader im besten Sinne“ wolle er sein, hatte er gesagt. Der Eindruck, den er hinterließ, war zwar eher der eines Mannes, der gern woanders gewesen wäre als am nasskalten Rothenbaum, aber die Geste immerhin bleibt anzuerkennen.

Auch deshalb war DTB-Präsident Dietloff von Arnim mit der sportlichen Bilanz der Woche hochzufrieden. „Die Teamleistung fand ich unfassbar gut. Wir haben über den Zusammenhalt die erforderlichen Punkte geholt. Die Mannschaft funktioniert und macht Hoffnung, dass wir auch in Malaga eine gute Rolle spielen können“, sagte er.

Daviscup am Rothenbaum: Ausrichter Emotion muss Minusgeschäft verkraften

Umso kritischer fiel die Analyse von Ausrichter Emotion aus. Die österreichische Agentur muss angesichts des enttäuschendes Besuchs – am Sonntag hübschten rund 6000 Zuschauer die Bilanz auf knapp 20.000 Gesamtgäste auf – ein Minusgeschäft verkraften. Zum großen Pech mit Zverevs Ausfall und dem scheußlichen Wetter kam eine Preisgestaltung, die selbst ohne die aktuellen Krisen als unverschämt bezeichnet werden kann. Bei 65 Euro für das günstigste Tagesticket bei Spielen ohne deutsche Beteiligung muss sich niemand über ein leeres Stadion wundern. Auf der anderen Seite muss der Ausrichter die hohe Lizenzgebühr an Daviscup-Veranstalter Kosmos refinanzieren, der es trotz üppiger Antrittsgagen noch immer nicht schafft, die Topspieler aller Nationen zur Teilnahme zu bewegen. Kosmos-Geschäftsführer Enric Rojas versprach immerhin, „die Herausforderungen, die wir noch haben, zu besprechen und auszuräumen.“

Die Frage, ob Kosmos und Emotion trotz eines Dreijahresvertrags nach Hamburg zurückkehren, kann noch nicht beantwortet werden. Sollte sich Deutschland 2023 für die Zwischenrunde qualifizieren, bliebe zumindest das Land einer der vier Standorte für die Gruppenphase. „Wir fühlen uns in Hamburg wohl, müssen aber schauen, ob die Rahmenbedingungen passen“, sagte Emotion-Geschäftsführer Herwig Straka. Ein Umzug in die Barclays Arena ist eine Option.