Hamburg. Weshalb nun ein ehemaliger NFL Coach den Trainerstab der Hamburg Sea Devils aufmischt und was er vor hat.

Die Bezeichnung für das, was John Shoop in den kommenden sechs Wochen erleben wird, muss noch gefunden werden. Vielleicht trifft es „Aktivurlaub“ am besten, aber auf die Frage nach seiner Arbeitsplatzbeschreibung bittet der 52-Jährige um Geduld. „Mein Ziel ist es, mich so gewinnbringend wie möglich einzubringen, dabei aber niemandem auf die Füße zu treten“, sagt der US-Amerikaner, der beginnend mit dem Heimspiel gegen Düsseldorf Rhein Fire an diesem Sonntag (15 Uhr, Stadion Hoheluft) zum Trainerstab der Hamburg Sea Devils aus der American-Football-Europaliga ELF zählt.

Die Vorgeschichte zu Shoops Engagement ist so kurios wie sein Werdegang. 2016 war der ehemalige Quarterback, der 1995 als jüngster Coach in der Geschichte der nordamerikanischen Eliteliga NFL ins Trainerteam der Carolina Panthers einscherte und bis 2006 in der NFL arbeitete, aus dem Leistungssport ausgeschieden. Einerseits, weil er sich in seinem Job an der Purdue University im Kampf für die Rechte der Spieler an ihrer eigenen Vermarktung mit seinem Arbeitgeber aufgerieben hatte. Andererseits, weil er mehr Zeit für seinen Sohn Sidney, heute 22 und Rugbyprofi, und seine Tochter Mary Elisabeth, heute 18 und hoffnungsvolles Leichtathletik-Talent, haben wollte.

Hamburg Sea Devils: Ein NFL-Coach auf Aktivurlaub im Trainerstab

Also wurde er in seiner Heimat Asheville (North Carolina) an der Highschool Geschichtslehrer („Mein großes Hobby“) und zog mit der Familie auf eine Farm, um Pferde zu züchten. Während der Pandemie setzte ihm eine schwere Krebserkrankung derart zu, dass er sich mehrfach mit dem Tod beschäftigen musste. „Heute kann ich sagen, dass ich geheilt bin. Ich fühle mich gesünder als in der gesamten vergangenen Dekade“, sagt er, „aber ich habe in dieser Phase eine andere Sicht auf mein Leben gefunden. Ich versuche nun, Dinge zu kombinieren, die mir Freude bereiten, weil ich weiß, wie schnell die Zeit vorbei sein kann“, sagt er.

Genau diese Kombination bietet das Abenteuer Hamburg, das nur durch Zufall zustande kam. Weil seine Frau, die als Pastorin in Asheville arbeitet, drei Monate Auszeit nehmen und diese allein verbringen wollte, entschied sich John Shoop für einen längeren Urlaub auf dem Kontinent, der ihn seit Studienzeiten in Oxford (England) fasziniert. „Da ich die ELF schon im vergangenen Jahr aus Interesse am europäischen Football verfolgt habe, habe ich allen Teamchefs eine Mail geschrieben, ob ich als Hospitant zu einem Training oder Spiel kommen könne. Die Antwort aus Hamburg kam sofort“, sagt er.

Max Paatz, Geschäftsführer der Sea Devils, wollte allerdings mehr als einen Kurzbesuch, und weil sich John Shoop mit der Idee, Hamburg als Basis für kulturelle und historische Ausflüge zu nutzen, zugleich aber auch sein Footballwissen weiterzugeben, anfreunden konnte, ist er nun ein Seeteufel. „Ein Mann mit seiner Erfahrung ist ein absoluter Glücksgriff für uns. Er wird uns auf vielen Ebenen bereichern“, sagt Paatz, der sich wie Chefcoach Yogi Jones vor allem Impulse für das lahmende Offensivspiel und Unterstützung für den bislang wenig überzeugenden Quarterback Salieu Ceesay (24) erhofft.

John Shoop ist bereit, diese zu geben. Nachdem er eine Woche lang per Video die Trainingseinheiten verfolgte, lieferte er eine fünfseitige Analyse der Offense ab, die alle beeindruckte. „Ich bin aber vor allem hier, um selbst zu lernen“, sagt er. Und vielleicht wird aus dem Aktivurlaub in der kommenden Saison ja ein dauerhaftes Engagement. „Ich denke seit der Erkrankung nicht mehr von Tag zu Tag, sondern im Takt morgens, mittags, abends“, sagt er, „aber ich schließe gar nichts aus.“