Hamburg. Deutschlands neues Topteam Ehlers/Wickler tritt in Rom als einziges deutsches Duo an. Die pure Harmonie – menschlich sowie sportlich.

Wer seinen Partner wechselt, hofft auf frischen Wind im Leben. Clemens Wickler hat die Veränderung zwar nicht selbst gewählt; das Karriereende seines Teamkollegen Julius Thole, der nach dem gemeinsam erreichten olympischen Viertelfinale in Japans Hauptstadt Tokio im vergangenen August dem Jurastudium Vorrang gegenüber dem Beachvolleyball gab, hatte auch ihn überrumpelt. Doch zumindest um eines muss sich der 27-Jährige in der neuen Konstellation mit Nils Ehlers (28) keine Gedanken mehr machen: dass er beim Essen zu kurz kommen könnte.

„Wenn da noch eine Kartoffel auf dem Teller liegt, fragt Nils immer, ob ich die haben möchte. Julius hätte mir die weggegessen“, sagt der seit 2018 am Bundesstützpunkt im Hamburger Stadtteil Dulsberg trainierende Abwehrspezialist. Hunger hat er nur noch auf Erfolg. Ob derlei Rücksichtnahme unter die Kategorie „Kennlernphase“ einzuordnen ist, in der sich das nach Ehlers’ Wechsel vom HSV gemeinsam für den Eimsbütteler TV startende Duo noch immer wähnt, bleibt abzuwarten. Menschlich jedenfalls laufe bislang alles prächtig, bestätigt Blockspieler Ehlers, mit 2,10 Metern noch vier Zentimeter länger als sein Vorgänger Thole. „Mein Gefühl ist, dass wir sehr gut harmonieren.“

Beachvolleyball: Steile Leistungskurve beim Männderduo

Wie sehr das auf das Sportliche zutrifft, dafür ist der Jahreshöhepunkt ein guter Gradmesser. Bei der WM, die am Freitag in Italiens Hauptstadt Rom beginnt und bis zum 19. Juni dauert, will das beste – und bei den Welttitelkämpfen einzige – deutsche Duo die Entwicklung fortschreiben, die sich am vergangenen Wochenende mit Platz fünf bei der Generalprobe, dem Elite-16-Turnier in Jurmala (Lettland), abgezeichnet hatte. „Wir kommen spielerisch immer besser in Tritt. Unsere Leistungskurve zeigt steil nach oben. Wir haben in den Spielen zwar noch immer Wellenbewegungen, aber wenn wir die glätten, dann können wir sehr gut abschneiden“, glaubt Nils Ehlers.

Wie gut, dazu wagen beide keine Prognose. „Die Weltspitze ist gerade so eng beieinander“, sagt Clemens Wickler, der sich schon mit der Bewertung der Gruppengegner schwertut. Die Australier Chris McHugh/Paul Burnett, gegen die es am Montag (20 Uhr) zum Abschluss in Pool J um den Gruppensieg gehen dürfte, kenne man von mehreren Duellen, zuletzt gab es zwei Dreisatzsiege für Ehlers/Wickler, die in der Setzliste an Position 15, fünf Plätze hinter den Australiern, stehen.

Ehler-Wickler-Volleyball: Alles andere als eine Wundertüte

Aber schon beim Auftaktgegner aus Uruguay, der am Sonnabend (15 Uhr/alle Partien der WM live bei sportdeutschland.tv) wartet, sei ihnen nur Marco Cairus bekannt. „Den habe ich im vergangenen Jahr in Hamburg bei King of the Court gesehen. Seinen Partner Hans Hannibal kenne ich nicht“, sagt Wickler. Ein noch unbeschriebeneres Blatt sind die Kubaner Noslen Diaz/Jorge Alayo, gegen die es am Sonntag (16 Uhr) geht. „Das ist eine komplette Wundertüte.“

Eine solche wollen Ehlers/Wickler nicht mehr sein. „Wir haben uns spielerisch an die Identität gewöhnt, die wir mit unserem Ehlers-Wickler-Volleyball ausstrahlen wollen“, sagt Clemens Wickler. Unter dem neuen Trainer Thomas Kacz­marek und Jürgen Wagner, der als Head of Beachvolleyball viel ins Balltraining involviert ist, haben die beiden vor allem am Aufschlagdruck gearbeitet. „Da gehen wir auch bei Matchball gegen uns hohes Risiko, weil wir glauben, dass es sich lohnt“, sagt Clemens Wickler, der beim bislang letzten der zwölf seit 1997 ausgetragenen WM-Turniere 2019 mit Thole am Rothenbaum die Silbermedaille gewann.

Das einzige deutsche Männerteam in Rom zu sein, während der deutsche Verband bei den Frauen das Maximum von vier erlaubten Duos (darunter aus Hamburg Sandra Ittlinger/Isabel Schneider und Svenja Müller/Cinja Tillmann) ausschöpft, erzeuge keinen besonderen Druck. „Wir müssen auf uns schauen. Emotional wäre es schön gewesen, ein paar mehr deutsche Männer am Start zu haben. Sportlich ist es nicht relevant“, sagt Nils Ehlers, der frühere Knieprobleme laut eigener Aussage ebenso im Griff hat wie Wickler ein Knochenödem, das die Wintervorbereitung beeinträchtigt hatte.

Dass für seinen neuen Spielpartner besonderer Mut vonnöten war, sich mit ihm gleich den nächsten Jurastudenten als Teampartner zu holen, glaubt Nils Ehlers nicht. „Ich habe schon vor meinem Wechsel nach Hamburg 2017 studiert und konzentriere mich mindestens bis 2024 voll auf den Sport“, sagt er. Dann möchte er in Paris an Wicklers Seite seine ersten Olympischen Spiele erleben, nachdem er die Qualifikation für Tokio mit dem zurückgetretenen Lars Flüggen (32) verpasst hatte.

Von der WM in die EM

Nach der WM warten mit dem Elite-16-Turnier am Rothenbaum (10. bis 14. August) und der Heim-EM in München ein Wochenende darauf zwei weitere Saisonhöhepunkte. Der Starnberger Wickler freut sich als gebürtiger Bayer ganz besonders auf die kontinentalen Titelkämpfe. In den kommenden zehn Tagen zähle jedoch nur die WM. Kartoffeln dürfte es in Rom, wo Temperaturen bis zu 40 Grad erwartet werden, weniger geben. Aber auch von Pasta und Gelato wird ihm Nils Ehlers sicherlich ausreichend übrig lassen.