Hamburg. Der Ex-Bundesliga-Volleyballer soll am Hamburger Bundesstützpunkt in Dulsberg zum Weltklasse-Beacher reifen – mit Partner Sven Winter.

Als Paul Henning im Spätsommer vergangenen Jahres eine E-Mail an Jürgen Wagner schrieb, hatte er nicht erwartet, einen Crashkurs im Bestätigen deutscher Sprichwörter zu buchen. Aber dass unverhofft oft kommt, das kann der 24 Jahre alte Volleyballprofi mittlerweile aus multipler eigener Erfahrung unterschreiben. Wenn der gebürtige Erfurter an diesem Donnerstag in der Qualifikation zum Challengerturnier in Katars Hauptstadt Doha erstmals auf der Beach-Weltserie antritt, liegen ereignisreiche Monate hinter ihm.

Ursprünglich hatte er mit seiner Mail dem „Head of Beachvolleyball“ im Deutschen Volleyball-Verband (DVV) seine Bereitschaft mitteilen wollen, im Hinblick auf die Sommerspiele 2024 in Paris und 2028 in Los Angeles seinen Olympiatraum wahr machen und deshalb von der Halle in den Sand wechseln zu wollen. Allerdings war dieser Schritt nicht zwingend bereits in dieser Saison geplant gewesen.

Volleyball: Henning wagt den Sprung aus der Halle zum Strand

„Ich hätte in der Halle weiterhin für die United Volleys Frankfurt spielen können, wo ich mich sehr wohl gefühlt habe. Aber da ich gemerkt hatte, dass ich mein großes Ziel Olympia eher nicht als Hallennationalspieler erreichen würde, wollte ich wenigstens meine Bereitschaft zu einem Wechsel bei Jürgen Wagner hinterlegen“, sagt er.

Umso überraschender war, wie schnell sich die Tür zum Strand öffnete. Weil der beste deutsche Blockspieler Julius Thole vom Eimsbütteler TV seine Karriere überraschend im Alter von 24 Jahren nach Platz fünf bei Olympia in Tokio beendete, um seinem Jurastudium Vorrang zu geben, brauchte dessen Spielpartner Clemens Wickler (27) einen neuen Mann an seiner Seite.

Probetraining am Bundesstützpunkt in Dulsberg

Diesen fand er in Nils Ehlers (28), der eigentlich dem Düsseldorfer Sven Winter (23) sein Jawort gegeben hatte. Diese Rochade spülte nun Paul Henning ins Blickfeld der Verantwortlichen, und nach einem ersten Probetraining am Bundesstützpunkt in Hamburg-Dulsberg im Dezember und einer weiteren gemeinsamen Woche im Januar kamen Winter und Henning überein, es in dieser Saison als Team versuchen zu wollen.

„Mein Wechsel nach Hamburg ist zwar unabhängig von Sven, weil ich es unbedingt versuchen wollte“, sagt der 202 Zentimeter lange Neu-Hamburger, der bislang ein Zimmer am Olympiastützpunkt bewohnte, nach dem Turnier in Doha aber in Barmbek ein eigenes Apartment beziehen wird. „Dennoch war ich natürlich sehr froh darüber, so eine Chance zu bekommen.“

Winter und er kennen sich von einer U-19-EM in der Halle, bei der sie gemeinsam für Deutschland starteten. „Wir verstehen uns sehr gut, und nach den ersten gemeinsamen Trainingswochen hat sich mein Eindruck verfestigt, dass wir mit­ein­ander harmonieren und meine Entscheidung absolut richtig war“, sagt er. Warum sie sich in der Verbandsspitze für Henning/Winter als zweites Nationalteam entschieden haben, kann Niclas Hildebrand anschaulich erklären. „Nach dem Rücktritt Tholes ist uns aufgefallen, dass die Dichte an Talenten auf der Position nicht allzu groß war. Bei Paul hat uns imponiert, dass er aus der sicheren Hängematte Bundesliga aussteigen und ,all in‘ gehen wollte.

Henning besuchte ab der zehnten Klasse ein Sportinternat

Er ist ein sehr positiver Mensch, der an seinen Themen konsequent und zielgerichtet arbeitet“, sagt der Sportdirektor der Beachsparte im DVV. „Paul ist mental klar strukturiert, weiß genau, was er will. Er ist athletisch begabt, sehr gut in der Koordination und mit einer hohen Spielfähigkeit ausgestattet, was aus seiner sportlichen Ausbildung resultiert“, sagt Jürgen Wagner über den früheren Fußballer und Leichtathleten Henning, der erst als 14-Jähriger zum Volleyball gewechselt war.

Insbesondere seinen Erfahrungen aus dem Hochsprung verdanke er seine athletischen Fertigkeiten, sagt Paul Henning, der von Klasse zehn an in Frankfurt auf ein Sportinternat ging und sich selbst als „nicht so der Haudrauf-Typ“ beschreibt. „Ich hatte schon länger das Gefühl, dass ich meine spielerischen Fähigkeiten auf der Mittelblockerposition nicht in vollem Umfang zur Geltung bringen kann“, sagt er.

In den Sommerpausen habe er regelmäßig mit Freunden an kleinen Beachturnieren teilgenommen und „dabei gespürt, dass mir das Mitzocken leichtfiel und großen Spaß machte“. Mit anderen Umsteigern wie der Hamburgerin Margareta Kozuch (35), die 2017 aus der Halle kam und vier Jahre später mit Laura Ludwig (36) in Tokio das olympische Viertelfinale erreichte, hat er sich nicht ausgetauscht. Er weiß auch so, dass „das Level, auf das ich nun kommen muss, noch einmal eine ganz neue Herausforderung ist“.

Dass er sich dieser stelle, reiche für die erste Saison vollkommen aus, sagt Niclas Hildebrand: „Ich erwarte nur, dass er sich voll reinhaut und alles gibt, um auf das nötige Weltspitzenniveau zu kommen. Da ist er noch nicht, aber er gibt Vollgas dafür.“ Da er ohne Weltranglistenpunkte auf Welttour geht, ist Spielpraxis wie die in dieser Woche in Doha besonders wichtig. Im Trainingslager in Pescara, der Heimat ihres italienischen Cheftrainers Terenzio Feroleto, habe er, sagt Paul Henning, „gemerkt, dass die Techniken schon stabiler geworden sind und ich mich sicherer fühle“.

Volleyball-Paar vorerst wieder getrennt

Umso bitterer deshalb, dass Sven Winter vor der Abreise aus Pescara positiv auf Corona getestet wurde und deshalb auf den Katar-Trip verzichten musste. Der Landshuter Benedikt Sagstetter (21), Zuspieler beim Bundesligisten TSV Unterhaching, ersetzt ihn. Paul Henning lässt sich jedoch auch davon nicht aus dem Konzept bringen. Dass unverhofft oft kommt, hat er schließlich in den vergangenen Monaten gelernt.