Hamburg. Bei den Olympischen Spielen war Hockey-Nationalspielerin Jette Fleschütz die größte Überraschung im Kader. Nun geht es zur U-21-WM.

Ist es die Unbekümmertheit der Jugend, die sie so locker wirken lässt, oder ist sie wirklich so cool? Es gibt einige Momente im Laufe des Gesprächs, in denen man sich diese Frage stellt, denn ganz egal, was die vergangenen Monate alles in ihr Leben getragen haben: Jette Fleschütz strahlt eine ansteckende Energie aus. Vor allem aber macht die 19-Jährige deutlich, dass sie sich eines nicht nehmen lassen will: den Spaß am Hockeyspielen. „Gerade in schwierigen Phasen sage ich mir: Du spielst, weil du Spaß haben willst! Dass man immer wieder entspannen und locker bleiben muss, das ist einer der wichtigsten Lerneffekte“, sagt sie.

Gelernt hat Jette Fleschütz wahrlich einiges, seit sie der damalige Bundestrainer Xavier Reckinger im Frühjahr 2021 in seinen Kader für die Olympischen Spiele in Tokio berief. Eine 18 Jahre alte Stürmerin vom Bundesliga-Abstiegskandidaten Großflottbeker THGC sollte helfen, den Medaillentraum in Japan Realität werden zu lassen? Doch schnell wurde deutlich, dass die Hamburgerin mit ihrer enormen Grundschnelligkeit und dem Zug zum Tor sehr wohl eine sinnvolle Ergänzung des Kaders sein würde.

Jette Fleschütz erlebte Olympia-Debüt in Trance

Die Spiele in Japan erlebte die Jurastudentin, die ihr Abitur 2020 am Gymnasium Othmarschen gemacht hatte, in der gleichen Trance, die viele Olympiadebütanten schildern. „Ich hätte nicht gedacht, dass Olympia vor allem mental so kräftezehrend ist“, sagt sie. „Während des Turniers habe ich das gar nicht so gespürt, aber als ich danach mit meiner Familie im Urlaub war, merkte ich, wie alle ich auch körperlich war, so als wäre ein Stecker gezogen worden“, sagt sie. Ihre Leistungen in der Bundesliga stagnierten, das mentale Loch, in das sie fiel, war tiefer, als sie erwartet hätte: „Mir hat geholfen, dass ich drei Monate am Stück zu Hause sein konnte, um wieder Kraft zu tanken und im Alltag anzukommen.“

Am vergangenen Sonnabend nun flog sie mit der deutschen U-21-Auswahl nach Südafrika. Dort beginnt in Potchefstroom, 120 Kilometer südwestlich von Johannesburg, am Freitag die wegen Corona vom November 2021 verschobene Juniorinnen-WM; jenes Turnier, das für Jette Fleschütz der Jahreshöhepunkt gewesen wäre, hätte sie es nicht in den Olympiakader geschafft. Nun wieder beim Nachwuchsteam zu sein sieht sie keinesfalls als Rückschritt an. „Im Gegenteil, die U-21-WM hat für mich einen riesigen Stellenwert.“

Wird sie nun von Gegnern anders beurteilt?

Ob sich ihre Rolle nun, da sie in Tokio auf dem Präsentierteller die dünne Luft an der Weltspitze atmen durfte, verändert habe? Jette Fleschütz beantwortet die Frage mit einem Blick, der eine Mischung aus Unverständnis und Überraschung ausstrahlt. Dann sagt sie: „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich glaube nicht, dass die Gegnerinnen jetzt anders gegen mich spielen, nur weil ich bei Olympia war.“ Dass sie von außen anders beurteilt werde, könne sie nicht beeinflussen. „Ich kann nur Hockey spielen wie sonst auch und versuchen, meine Erfahrung einzubringen und das Beste daraus zu machen.“

Das Beste wäre der Titel, den eine deutsche Juniorinnenauswahl bislang nur bei der WM 1989 in Ottawa (Kanada) gewinnen konnte. Die letzte Medaille – Silber in Chile – ist bereits 17 Jahre her. „Natürlich ist eine Medaille unser Ziel, aber wir wollen zunächst mal ins Viertelfinale“, sagt sie. Dazu muss in der Vierer-Vorrundengruppe mit Malaysia (Sa, 11 Uhr), Indien (So, 11 Uhr) und Wales (Di, 17.30 Uhr) mindestens Rang zwei her, was auf jeden Fall machbar erscheint. Im Kampf um Edelmetall sind die Niederlande und Argentinien die größten Konkurrenten. Belgien, das als Topfavorit gehandelt wurde, sagte nach der Verschiebung des Termins die Teilnahme ab.

Mehrere Hamburgerinnen im U-21-Team

Die deutschen Juniorinnen, bei denen auch die Hamburgerinnen Mali Wichmann, Felicia Wiedermann, Carlotta Sippel (alle Club an der Alster) und Emily Günther (Uhlenhorster HC) im Kader von Bundestrainer Akim Bouchouchi stehen, können auch deshalb beruhigt in Südafrika antreten, weil die Feldbundesliga der Damen erst am letzten Aprilwochenende in die Rückrunde startet. Begleitet nach Südafrika wird Jette Fleschütz von ihren Eltern und den beiden älteren Geschwistern. Externe Zuschauer sind nicht zugelassen, Familienmitglieder schon.

Das zweite wichtige Ziel dieses Jahres ist für die Angreiferin die WM mit dem A-Kader, die vom 1. bis 17. Juli in den Niederlanden und Spanien ansteht. „Aber darauf schaue ich erst, wenn ich aus Südafrika zurück bin“, sagt sie.