Hamburg. Der Barsbüttler Stephan Riemekasten hatte nach Olympia deutliche Kritik geübt. Seither hat sich einiges zum Besseren verändert.

Wie ein Ausgestoßener wird er nicht behandelt im Trainingslager in Lago Azul, und man könnte das als eine gute Nachricht bezeichnen. Unter Portugals Sonne bereitet sich Stephan Riemekasten seit 3. März und noch bis Sonnabend mit sieben Teamkollegen aus der Männerskull-Nationalmannschaft sowie dem Leichtgewichts-Doppelzweier auf die Saison 2022 vor. Es ist, nachdem er das erste Trainingslager im Fe­bruar an selber Stelle wegen wichtiger Prüfungen im Rahmen seines Medizinstudiums verpasst hatte, die erste große Standortbestimmung, die der 28-Jährige vom Hamburger und Germania Ruderclub bestreitet, seit er nach den Olympischen Spielen im August vergangenen Jahres, die er in Tokio als Ersatzmann erlebte, im Abendblatt zum Rundumschlag ausgeholt und die Strukturen und Nominierungskriterien im Deutschen Ruder-Verband (DRV) kritisiert hatte.

„Alles, was ich gesagt habe, hatte ich intern schon mehrfach angesprochen, deshalb hat niemand mir Unehrlichkeit vorgeworfen“, sagt der Sportsoldat. Natürlich seien einige nicht glücklich damit gewesen, dass er den Weg über die Öffentlichkeit gewählt hat. „Aber ich glaube, dass alle verstanden haben, dass es mir mit dieser Kritik nicht vorrangig um eine Verbesserung meiner Position ging, sondern darum, den DRV als Gesamtheit nach vorn zu bringen. Ich möchte Teil der Lösung sein“, sagt er.

Die bessere Nachricht als die, dass Riemekasten nach seiner Kritik nicht als Paria gilt, ist deshalb, dass er den Eindruck gewonnen hat, dass sich nach dem schwachen Abschneiden in Tokio mit nur zwei Silbermedaillen für den Achter und den leichten Doppelzweier tatsächlich einiges verändert hat. „Es herrscht ein sehr offener Austausch, viele Schritte sind innerhalb kurzer Zeit in Angriff genommen worden“, sagt er. Das lässt sich nicht nur an den Veränderungen im Trainerstab der männlichen Skuller ablesen, wo der zur U23 gewechselte Disziplin-Cheftrainer Marcus Schwarzrock durch Dirk Brockmann ersetzt wurde, der den Bereich nun gemeinsam mit Tim Schönberg verantwortet.

Ruderverband plant Ende April neue Rennwoche

Auch strukturell sei einiges den Anregungen der Athleten folgend umgestaltet worden. Das Ruder- und Krafttraining findet, da die Akademie in Ratzeburg aktuell umgebaut wird, komprimiert im Leistungszentrum Allermöhe statt, wo auch gemeinsam gegessen wird. „Dadurch entfallen viele Zwischenwege“, sagt Riemekasten, der mit seiner Frau Sophia und den beiden Kindern in Barsbüttel lebt. Vor allem aber habe er das Gefühl, dass der Konkurrenzkampf neu entfacht und mehr Wert darauf gelegt wird, die besten Zusammenstellungen für die drei Bootsklassen Einer, Doppelzweier und Doppelvierer zu finden, ohne dabei auf Erbhöfe zu achten.

Um das zu gewährleisten, werde nicht nur im Trainingslager viel durchgemischt. Nach den deutschen Kleinbootmeisterschaften vom 22. bis 24. April in Krefeld, bei denen sich die Auswahlskuller im Einer beweisen müssen, hat der DRV eine Rennwoche geplant, bei der in verschiedensten Besetzungen getestet wird, wer auf welcher Position optimal funktioniert. „Ich hoffe, dass das dazu führt, dass wir die besten Zusammensetzungen finden, um maximal erfolgreich sein zu können“, sagt Riemekasten.

Riemekasten will Ersatzmann-Status loswerden

Der gebürtige Berliner hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 in Paris eine Olympiamedaille zu holen. Am liebsten im Doppelvierer, der genauso umgebaut werden muss wie der Doppelzweier, aus dem nach dem Karriereende des Rostockers Stephan Krüger (33) Marc Weber (24/Gießen) geblieben ist. Das Duo hatte in Japan Rang fünf im B-Finale belegt.

Im Doppelvierer, der nach den Olympiasiegen 2012 und 2016 in Tokio nur Achter geworden war, ist die Fluktuation noch größer. Hans Gruhne (33/Potsdam) und Karl Schulze (34/Berlin) haben nicht endgültig aufgehört, pausieren aber genauso wie der Hamburger Tim Ole Naske (25/RG Hansa). Max Appel (25/Magdeburg) ist Vater geworden, will aber im Team bleiben. Zudem ist mit Hannes Ocik (30/Schwerin) der Schlagmann des Achters zu den Skullern gewechselt.

„Er ist ein richtig starker Wettkämpfer. Auch wenn der Umstieg vom Riemen schwierig ist, bin ich froh, dass er es gewagt hat. Das brauchen wir“, sagt Riemekasten. Auch er hatte mit einem Pausenjahr geliebäugelt, sich aber wegen des nach der coronabedingten Tokio-Verschiebung um ein Jahr verkürzten Zyklus bis Paris dagegen entschieden. Zwar plant er für dieses Jahr sein erstes Staatsexamen, die Heim-EM Mitte August in München und die WM im September in Racice (Tschechien) stehen dennoch auf seiner Agenda.

Weil er unter Dirk Brockmann 2015 U-23-Weltmeister im Doppelzweier wurde, hofft er, seinen Status als Ersatzmann endlich ablegen zu können. „Aber ich will nichts geschenkt, sondern mich beweisen. Die Besten müssen im Boot sitzen“, sagt er. Würde dem Rechnung getragen, wäre im deutschen Rudern einiges gewonnen.