Hamburg. Seth Hinrichs fällt weder statistisch noch stilistisch auf – und ist doch immens wichtig. Das ist auch Pedro Calles bewusst.

Wenn Seth Hinrichs nach Ende seiner Profilaufbahn auf Jobsuche sein sollte, könnte er es als Einwurftrainer versuchen. Der FC Liverpool beschäftigt mit Thomas Gronnemark beispielsweise einen. Die unorthodoxe Wurftechnik – irgendwo zwischen Einwurf und wilder Schleuder einzuordnen – des Flügelspielers der Hamburg Towers täuscht schnell darüber hinweg, wie bedeutsam der 28-Jährige für seine Mannschaft und speziell Trainer Pedro Calles ist. Am Mittwoch im EuroCup-Duell bei den Boulogne Metropolitans in Paris (20.30 Uhr/MagentaSport) wird Hinrichs erneut im Mittelpunkt stehen, ohne im Mittelpunkt zu stehen.

Der US-Amerikaner ist die Personifikation dessen, was im Basketball als „Glue guy“ (Klebespieler) bezeichnet wird. Er hält mit der besonnenen Art eines dreifachen Vaters die Reihen geschlossen, entfaltet seine Klebstoffmagie vor allem auf dem Spielfeld. „Er macht immer das, was das Team von ihm benötigt“, sagt Calles über seinen Lieblingsschüler, mit dem er schon zwei Jahre in Vechta zusammengearbeitet hat.

Basketball: Hinrichs bisher immer in der Startformation

„Den Ball am Laufen halten, meine Mitspieler freiblocken, ein paar Rebounds einsammeln“, beschreibt Hinrichs seine Arbeit. Was er nicht erwähnt: punkten. Mitunter entsteht der Eindruck, es widerstrebe dem spielintelligenten 1,99-Meter-Mann geradezu, den eigenen Abschluss zu suchen. Tatsächlich reißen seine durchschnittlich gut sieben Punkte niemanden vom Hocker – über den Hinrichs mit seiner Allerweltsathletik wohl auch nur mühevoll hinüberspringen könnte.

„Ich denke nicht darüber nach, wie viele Punkte ich erziele, sondern versuche, die beste Lösung zu finden“, so Hinrichs, der als einziger Towers-Akteur bislang immer in der Startformation stand und die drittmeisten Minuten hinter den Stars Caleb Homesley und Maik Kotsar bekommt.

Calles: „Ich kann mich da zu 100 Prozent auf ihn verlassen"

Da Center Kotsar und Robin Christen wegen einer Corona-Infektion in Paris ebenso fehlen werden wie die angeschlagenen Justus Hollatz und Trevon Bluiett, klebt sich Hinrichs einfach ein weiteres Etikett auf: Aushilfscenter. „Ich kann mich da zu 100 Prozent auf ihn verlassen. Seth hat nicht ohne Grund immer bei erfolgreichen Mannschaften gespielt“, sagt Calles, für den Hinrichs mehr als verlängertes Gehirn denn nur als verlängerter Arm auf dem Parkett dient.

Wenn der Routinier auf dem Feld steht, kommt es fast nie vor, dass die Ballbewegung stagniert. Seine Mitspieler dirigiert er in der Verteidigung auf die korrekten Positionen, erfolglose Spielzüge rettet er mit Improvisationstalent. In Paris wird er primär durch seinen Wurf auffallen – der nur zu 20 Prozent von der Dreierlinie fällt und seine Schwachstelle ist. Doch ist es wert, dem Spieler Hinrichs mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Bevor er später als Einwurftrainer sowieso berühmt wird.

Das Bundesligaspiel bei den Niners Chemnitz wurde auf den 24. März (20.30 Uhr) verlegt.