Hamburg. Große Vorfreude: Der Kiezclub übernimmt nach dem Ausstieg des HSV die Förderung von zwei Beachvolleyball-Nationalteams.

Es mag glamourösere Orte geben als Tlaxcala, um den Einstieg in die internationale Beachvolleyballszene zu begehen. Doch beim FC St. Pauli, der mit Glamour ohnehin fremdelt, ist die Vorfreude auf die kommende Woche dennoch groß. Im zentralmexikanischen Hochland beginnt vom 16. bis 20. März die Strandsaison 2022 die neue Challengerserie, und zum ersten Mal werden zwei deutsche Nationalteams als Mitglieder des Kiezclubs an den Start gehen. Sandra Ittlinger (27) und Isabel Schneider (30) sowie Lukas Pfretzschner und Robin Sowa (beide 22) sind seit Montag offiziell der braun-weißen Beachvolleyballsparte zugeordnet.

„Wir freuen uns sehr über unsere Neuzugänge, weil es unser Wunsch war, neben unserer sehr erfolgreichen Jugendarbeit auch im Spitzensport aktiv zu werden“, sagte Thomas Werner, stellvertretender Abteilungsleiter Beachvolleyball bei St. Pauli, bei der Vorstellung der beiden Duos im Beachcenter am Alten Teichweg. Das Ziel der aktuell 411 Aktive starken Abteilung sei, unter dem Motto „You’ll never beach alone“ zur größten deutschen Strandsparte heranzuwachsen (aktuell liegt der BeachL e.V. aus Leipzig mit mehr als 500 Aktiven vorn). „Deshalb erhoffen wir uns von den Verpflichtungen einen Schub mit Ausstrahlung auf den Breitensport“, so Werner.

Beachvolleyball: Zwei deutsche Nationalteams beim FC St. Pauli

Dass der Zugriff auf die beiden Auswahlduos überhaupt möglich war, liegt in einem Umstand begründet, der im Fußball mehr als pikant wäre, im Funsport Beachvolleyball jedoch mit einem Lächeln quittiert wird. Pfretzschner/Sowa und Schneider wechseln nämlich vom Hamburger SV zum FC St. Pauli. Totenkopf statt Raute also. „Für uns ist das überhaupt kein Problem, wir sind ja ein toleranter Verein“, sagte Werner.

Der HSV hat seine Ankündigung, aus der strukturellen Förderung für den Hamburger Bundesstützpunkt und der Unterstützung der Nationalteams fast komplett auszusteigen, zu dieser Saison tatsächlich umgesetzt. Lediglich die aktuell mit ihrem zweiten Kind schwangere Laura Ludwig (36) soll, das bestätigte Tobias Lietz als Teamleiter Spitzensport beim HSV e.V. dem Abendblatt, beim geplanten Wiedereinstieg im Herbst weiter die Raute tragen. „Ansonsten haben wir entschieden, die Förderung zu beenden, haben aktuell auch keine Perspektivteams, die wir unterstützen“, sagte Lietz.

Stillschweigen über finanziellen Umfang

Also brauchten Pfretzschner/Sowa, die erst Anfang vergangenen Jahres nach Hamburg gekommen waren, einen neuen Verein. „Wir wollten unbedingt weiter für einen Hamburger Club spielen, weil es uns wichtig ist, der Stadt, die uns so gut unterstützt, etwas zurückzugeben“, sagte der aus Dachau stammende Pfretzscher, dessen Bruder Simon (20) mit dem Berliner Philipp Huster (19) als Perspektivteam für den Eimsbütteler TV ans Netz geht. Bernhard Kahl, Manager von Pfretzschner/Sowa, stellte den Kontakt zum FC St. Pauli her, der 2013 mit den deutschen Meistern Markus Böckermann/Mischa Urbatzka schon einmal ein nationales Topduo stellte. Nach einigen Gesprächen wurde man handelseinig.

Noch schneller ging es beim weiblichen Duo. Ittlinger, zuletzt acht Jahre für VCO Berlin aktiv, und Schneider haben sich zu dieser Saison zusammengetan, nachdem Schneiders Partnerin Victoria Bieneck (30) ihre Karriere beendet und Ittlinger sich von Kim Behrens (29) getrennt hatte. „Ich habe eine Initiativbewerbung an den FC St. Pauli geschickt und hatte zwei Tage später eine total nette Antwort“, sagte Ittlinger. Über den finanziellen Umfang des Engagements wurde Stillschweigen vereinbart.

„Schade, dass der HSV Investment zurückfährt“

Für beide Duos geht es in dieser Saison, in der die WM in Rom Anfang Juni und die Heim-EM in München im August die Höhepunkte sind, vor allem um Entwicklung. Beide haben das Ziel, sich kurzfristig über die Challengerserie für die höchste Turnierkategorie „Elite 16“ zu qualifizieren, und sich mittelfristig als zweites deutsches Nationalteam hinter den Platzhirschen Nils Ehlers/Clemens Wickler (ETV) und Karla Borger/Julia Sude (Stuttgart) zu etablieren.

Härteste Konkurrenz dabei sind Sven Winter/Paul Henning (Düsseldorf/Frankfurt) sowie Svenja Müller (ETV)/Cinja Tillmann (Düsseldorf). Zudem versprechen sie sich von der neuen Partnerschaft vor allem national einen Zuwachs an Fans. „Wir würden uns sehr freuen, wenn zu den Turnieren in Hamburg viele St.-Pauli-Anhänger kämen, die uns anfeuern“, sagte Isabel Schneider, die seit 2017 für den HSV spielte und wie Pfretzschner/Sowa für dessen Unterstützung sehr dankbar ist.

Niclas Hildebrand, Sportdirektor Beach im Deutschen Volleyball-Verband, ist von der neuen Konstellation ebenfalls angetan. „Sehr schade, dass der HSV sein Investment zurückfährt, aber wir können uns für die Unterstützung seit 2016 nur bedanken“, sagte er. Zwar sei der HSV noch immer der Hamburger Verein mit der größten internationalen Strahlkraft, „aber ich freue mich, dass der ETV und nun auch St. Pauli die Chancen sehen und für die betroffenen Spielerinnen und Spieler die Lücken schließen.“