Hamburg. Nachwuchsgewinnung, Stärkung der verschiedenen Bundesstützpunkte und der Umbau der Anlage in Dulsberg – die Agenda ist lang.

Der Skiurlaub, in den In­grid Unkelbach an diesem Sonnabend aufbricht, kommt wie gerufen. Die Leiterin des Olympiastützpunktes Hamburg/Schleswig-Holstein (OSP) muss Kraft tanken, schließlich stehen für 2022 große Herausforderungen auf ihrer Agenda. „Deshalb bin ich tatsächlich froh darüber, dass wir aus Hamburg keine Aktiven zu den Winterspielen im Februar nach Peking entsenden“, sagt die 62-Jährige.

Die Zeit bis zu den nächsten Sommerspielen ist knapp genug bemessen. Nachdem die Pandemie eine Verschiebung der Japan-Spiele um zwölf Monate erforderte, fällt das nacholympische und -paralympische Jahr aus. „Wer jetzt halblang macht, der droht den Anschluss zu verlieren. Und das kann sich, wer international mithalten will, nicht leisten. Meine Befürchtung ist, dass wir die Talsohle noch nicht durchschritten haben“, sagt Ingrid Unkelbach mit Blick auf die miserable deutsche Tokio-Bilanz.

Die Auswirkungen der Corona-Krise beginnen sich bemerkbar zu machen. Insbesondere im Nachwuchs zeige sich, dass der monatelange Trainings- und Wettkampfausfall nicht kompensiert werden konnte. „In vielen Sportarten sind die Talente, die 2028 in Los Angeles antreten könnten, nicht in Sicht“, sagt Unkelbach, die Verantwortung für rund 250 Kaderathletinnen und -athleten trägt. Als Schwerpunktsportarten gelten jene, die den Status eines Bundesstützpunktes (BSP) vorweisen können: Badminton, Beachvolleyball, Hockey, Rudern, Schwimmen und Segeln (in Kiel).

Die Sorgen am Olympiastützpunkt Hamburg

37 Mitarbeitende zählen zum OSP-Team, darunter acht Landestrainer, die über das Fördermodell der Stadt angestellt sind und von Stadt, Hamburger Sportbund (HSB) und Stiftung Leistungssport mit 477.500 Euro im Jahr finanziert werden. Weitere fünf Coaches sind von Bund und den beiden beteiligten Bundesländern mit gut 300.000 Euro mischfinanziert. Dazu kommen acht Trainingswissenschaftler, drei Laufbahnberatende (zwei auf halben Stellen) und sechs Kräfte am Hamburger OSP-Internat. Psychologie, Physiotherapie, Ernährungsberatung und Ärzte werden über Kooperationsverträge auf freiberuflicher Basis hinzugezogen. Insgesamt verwaltet Unkelbach einen Jahresetat von etwas mehr als fünf Millionen Euro.

Klar, dass dafür Gegenleistung erwartet wird. Die OSP-Leiterin freut sich deshalb über Partner wie den Hockeyverband, der mit dem mehrfachen Olympiasiegertrainer Markus Weise einen hauptamtlichen BSP-Leiter vorweisen kann. „Das erleichtert die Zusammenarbeit, weil ich einen festen Ansprechpartner habe. Daran sollten sich andere Verbände ein Beispiel nehmen“, sagt sie. Im Hockey gebe es dank der funktionierenden Zusammenarbeit der Landestrainer und Vereine auch keine Nachwuchssorgen.

Ebenso gut aufgestellt sei der Badmintonbereich, der sich komplett auf die Nachwuchsarbeit konzentriert. Zwar könne dort mittelfristig der Entzug des BSP-Status drohen, wenn das Bundesinnenministerium seine Forderung umsetzt, dass an einem BSP Olympia- und Nachwuchskader trainieren müssen. „Aber da Hamburg nachweislich immer wieder potenzielle Olympiastarter an die Erwachsenenstützpunkte Mülheim und Saarbrücken abgibt, ist diese Arbeit eigentlich unverzichtbar“, so Unkelbach.

Ihre Sorgenkinder sind andere. Dem Schwimmen könnte nach 2024 die Aberkennung des BSP-Status drohen, weil der Aderlass an Toptalenten nicht versiegt. Nach Jacob Heidtmann, Rafael Miroslaw, Julia Mrozinski und Björn Kammann verlässt im Sommer mit Hannah Küchler bereits das fünfte Mitglied die Trainingsgruppe von Veith Sieber. Zudem hat der leitende Landestrainer Enrico Wessoly zum 31. Januar gekündigt und wechselt in den Schuldienst, einen Monat später verlässt der Athletiktrainer des Hamburger Verbandes, Christoph Stuber, Hamburg in Richtung OSP Berlin. Christian Hansmann, neuer Leistungssportdirektor im deutschen Verband, Unkelbach und der Hamburger Verband sind im engen Austausch, um den Stützpunkt wieder zu stärken.

Olympiastützpunkt Hamburg wird modernisiert

Auch im Rudern ist viel Bewegung, nachdem dort die Verbandsspitze und viele Bundestrainerstellen nach der Tokio-Ernüchterung mit nur zwei Medaillen neu besetzt wurden. Da die Ruderakademie in Ratzeburg modernisiert wird, trainieren die dort ansässigen Skuller aktuell vorrangig in Allermöhe. Im Beachvolleyball ist nach den nacholympischen Rochaden Ruhe eingekehrt. Den Abgang von OSP-Trainer Fabian Tobias konnte man mit der Rückkehr von Tobias Rex aus Stuttgart kompensieren.

Abseits des Sports ist es vor allem ein infrastrukturelles Projekt, das Ingrid Unkelbach Bauchschmerzen bereitet. Die 2017 angeschobene Modernisierung des gesamten OSP-Geländes, die den Bau eines „Hauses der Athleten“ inklusive Internat, Hotel und Großgastronomie bis 2024 vorsah, stockt gewaltig. Ursprünglich sollten die Arbeiten 2020 beginnen. „Die Modernisierung und Erweiterung des OSP gehört zu den wichtigsten Bauprojekten für den Hamburger Spitzensport. Verschiedene Gremien arbeiten daran, es erfolgreich umzusetzen. Wir schaffen gerade die Voraussetzungen dafür, dass die gute Arbeit am Olympiastützpunkt langfristig weitergehen kann“, so Sportstaatsrat Christoph Holstein. „Mittlerweile bin ich nicht mehr sicher, dass ich die Fertigstellung noch während meiner Dienstzeit erlebe“, sagt Ingrid Unkelbach, die seit 2000 im Amt ist und Ende 2026 die Rente plant.

Bei aller Arbeit, die wartet, will sie auch der Vorfreude Raum geben. Die European Championships, die im August in München Europameisterschaften in neun Sportarten vereinen, sind in ihrem Kalender dick markiert. „Und ich hoffe auf einen unbeschwerten Sommer in Hamburg mit tollen Veranstaltungen.“