Hamburg. Japans Generalkonsulin in Hamburg spricht über die Bedeutung der Olympischen Spiele für Tokio. Was sie sich wünscht.

Seit drei Jahren ist Kikuko Kato Generalkonsulin Japans in Hamburg. Neben konsularischen Aufgaben sind die Vertiefung der wirtschaftlichen sowie kulturellen Beziehungen zwischen Japan und den vier norddeutschen Bundesländern und die Unterstützung der Partnerschaften zwischen japanischen Städten und Regionen und deren Partnern in ihrem Amtsbereich, einschließlich der Städtepartnerschaft zwischen Osaka und Hamburg, ein wichtiger Teil ihrer Arbeit.

In diesem Jahr jedoch stehen die 160 Jahre Freundschaft zwischen Japan und Deutschland sowie die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele in Tokio im Mittelpunkt. Vom 23. Juli, dem Eröffnungstag Olympias, bis zum 5. September, wenn die Paralympics mit der Schlussfeier beendet werden, schaut die Sportwelt auf ihr Heimatland. Kikuko Kato wünscht sich, trotz aller Widrigkeiten, dass am Ende ein positives und ermutigendes Bild bleiben wird.

Hamburger Abendblatt: Frau Kato, darf man sich als Japanerin uneingeschränkt auf die Spiele freuen?

Kikuko Kato: Sie verstehen sicherlich, dass ich nicht für Japan in seiner Gesamtheit sprechen kann. Aber ich halte es für angemessen, sich trotz der verschiedenen Schwierigkeiten auf die Olympischen und Paralympischen Spiele zu freuen und alle Athletinnen und Athleten aus aller Welt herzlich zu begrüßen. Nach dem, was ich aus meiner Heimat höre, kann ich versprechen: Japan wird alles dafür tun, um die Spiele unter den gegebenen Umständen so sicher und angenehm wie möglich durchzuführen.

Wie groß ist die Enttäuschung darüber, dass die Spiele kein Fest der Begegnung werden können, sondern unter Corona-Umständen zu einem reinen Sportwettkampf werden?

Kato: Natürlich ist es eine ungewöhnliche Situation, und eine gewisse Enttäuschung darüber, dass vieles anders als ursprünglich geplant stattfindet, habe ich wahrgenommen. Aber nun wird Japan das Beste daraus machen. Die Entscheidungen, wie zum Beispiel die, keine Zuschauer zuzulassen, treffen die Organisatoren einschließlich des Internationalen Olympischen Komitees.

In Meinungsumfragen lehnt immer wieder eine Mehrheit der Japaner die Austragung der Spiele ab. Verstehen Sie das?

Kato: Es gibt immer verschiedene Meinungen. Das ist die Tatsache. Aber die Entscheidung wurde nach ausführlichen Überlegungen und Diskussionen getroffen, die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele um ein Jahr zu verschieben – und sie jetzt auszutragen.

Japan gilt als Land mit ausgeprägter Höflichkeitskultur und hohem Organisationsgrad. Gibt Ihrem Land das in so einer Ausnahmesituation die richtigen Werkzeuge an die Hand, um die Spiele bestmöglich durchzuführen?

Kato: Tatsächlich sind wir sehr flexible Leute, wir haben im Laufe der Geschichte immer wieder Einflüsse von Kulturen aus aller Welt aufgenommen und in japanischer Weise weiterentwickelt. Bei der Modernisierung, als wir unser Land 1868 wieder geöffnet haben, waren Industrie und Technik ebenso neu für uns wie das Konzept der Demokratie. Heute sind wir ein angesehenes Mitglied der internationalen Gemeinschaft, zählen zu den G-7-Staaten. Ich bin überzeugt: Die Fähigkeit, Dinge zu organisieren und schnell umzusetzen, wird uns jetzt helfen.

War Japan einfach zu höflich, die Spiele abzusagen? Oder wäre der Gesichtsverlust zu groß gewesen, den Ihr Land erlitten hätte, wenn es gesagt hätte: Wir wollen die Spiele unter diesen Bedingungen nicht?

Kato: Welche Überlegungen letztlich zu Entscheidungen geführt haben, da bin ich überfragt. Aber nach sorgfältigen Überlegungen wurde entschieden, „Tokyo 2020“ in diesem Sommer durchzuführen. Wir werden nun alles tun als verlässlicher Partner, und das halte ich für einen wichtigen Wert.

Der wirtschaftliche Wert der Spiele für Japan scheint laut Wirtschaftsexperten zu vernachlässigen, selbst wichtige japanische Unternehmen sind gegen die Ausrichtung der Spiele. Wie bewerten Sie das?

Kato: Ich bin leider auch nicht in der Lage, dieses zu bewerten. Olympia ist in erster Linie eine Bühne für die Athletinnen und Athleten, und dann ein Begegnungsort für alle. Ich hoffe, dass trotz allem die Spiele beides bieten können. Wir wollen die bestmöglichen Gastgeber sein und alles dafür tun, dass sich die Gäste so wohl und sicher wie möglich fühlen. Für eine Begegnungsmöglichkeit hat Japan die Initiative der „Host Towns“ umgesetzt: Städte und Präfekturen in Japan haben sich als Host Town für ihre Partnerländer und -regionen registriert, die ausländische Delegationen zu Trainingslagern empfangen, über die Zeit der Wettkämpfe den Kontakt mit ihnen halten und sie unterstützen, zumindest virtuell. Es gibt 23 Host Towns für Deutschland. Vor Kurzem hat eine neue Initiative begonnen, Motivationstexte über Social Media den Athletinnen und Athleten zu übermitteln.

In Japan wird schon bei geringen Inzidenzen der Notstand verhängt, der aber nicht so hart ist wie hierzulande ein Lockdown. Liegt das an den Menschen in Japan und ihrem disziplinierterem Umgang mit ihrer Gesundheit? Masken zu tragen gehört schließlich schon lange zum Alltagsgebrauch.

Kato: Tatsächlich tragen viele Japaner Masken, um sich und andere vor Krankheiten einschließlich Heuschnupfen zu schützen. In Deutschland ist meiner Wahrnehmung nach noch viel mehr ganz genau geregelt als in Japan. In Japan werden auch in einzelnen Regionalgemeinden entsprechend der Infektionslage vor Ort die nötigen Maßnahmen getroffen.

Welches politische Zeichen erhoffen Sie sich von den Spielen?

Kato: Die Bedeutung von Olympischen und Paralympischen Spielen für uns ist folgende. 1964 hatten wir in Tokio schon einmal die Ehre, Gastgeber zu sein. Damals sollte das Bild eines Landes um die Welt gehen, das den Wiederaufbau nach dem Krieg geschafft hat. Mit „Tokyo 2020“ möchte Japan ein Zeichen des Dankes an die Welt senden für die Hilfe, die unser Land beim Wiederaufbau nach dem verheerenden Erdbeben von 2011 empfangen hat. Mit der Durchführung der Spiele wollen wir auch, gemeinsam mit unseren Freunden aus aller Welt, zeigen, dass wir die Pandemie mit Mühe und Weisheit der Menschheit überwinden und positiv in die Zukunft schauen können, insbesondere für die jüngere Generation. Auch wenn es nicht wie gewünscht ablaufen kann, wollen wir ausstrahlen, dass mit Begeisterung und Mut alles erreicht werden kann.

Wie werden Sie aus der Ferne die Spiele verfolgen, und gibt es einen Sport, auf den Sie sich besonders freuen?

Kato: In Hinblick auf die notwendigen Schutzmaßnahmen ist es leider nicht möglich, Veranstaltungen mit vielen Freunden vor Ort zu organisieren. Ich werde also, sofern es meine Zeit zulässt, vieles am Fernseher verfolgen. Besonders freue ich mich auf Turnen, aber auch auf den Marathonlauf, der in Japan sehr populär ist. Judo als Nationalsport wird aber sicherlich ebenso große Begeisterung auslösen, und auch von Baseball sind die Japaner begeistert. Es wird also eine ganze Reihe an Höhepunkten geben, und ich hoffe, wir können sie alle unbeschwert genießen. Das ist mein größter Wunsch. Auch schicke ich meine herzlichsten Wünsche zum Erfolg der deutschen Athletinnen und Athleten.