London. Hamburger wäre gern das erste Nordlicht seit Michael Stich, das sich in London als Sieger feiern lassen kann. Doch es gibt viel zu tun.

Auf dem heiligen Rasen von Wimbledon herrscht Dürre – zumindest, was die Erfolge der deutschen Tennis-Männer betrifft. Wer auf der edlen Siegertafel im All England Club nach ihnen sucht, muss weit zurück gehen. Erst 1991, umrahmt von Stefan Edberg und Andre Agassi, steht dort in goldener Schrift der Name Michael Stich. 30 Jahre nach dessen legendärem Triumph über Boris Becker schickt sich Alexander Zverev an, in die berühmten Fußstapfen zu treten – auch wenn er selbst weiß, dass das alles andere als einfach ist.

Deshalb schlug die deutsche Nummer eins anders als bei vorangegangenen Turnieren leisere Töne an, obwohl das Selbstbewusstsein nach dem Halbfinale bei den French Open durchaus groß ist. Der unangefochtene Branchenprimus Novak Djokovic, der schon die Grand Slams in Melbourne und Paris gewonnen hat, sei „der Riesenfavorit in diesem Jahr“, sagte Zverev. Und ohnehin sei Wimbledon von den vier großen Tennis-Highlights „das Turnier, das für mich am schwersten zu gewinnen ist“.

Zverevs letzter Wimbledon-Auftritt endete peinlich

Rasen und Zverev, das ist so eine Sache. Keinen seiner 15 Karriere-Titel holte er auf diesem Belag, in Halle/Westfalen stand er zumindest 2016 und 2017 im Finale. In Wimbledon hingegen erreichte er nur einmal das Achtelfinale, vier Jahre ist das schon her. Bei der letzten Ausgabe vor der pandemiebedingten Absage im Vorjahr setzte es eine peinliche Erstrundenpleite.

„Wir Jungen brauchen einfach noch ein bisschen mehr Zeit, um diesen Belag besser kennenzulernen“, sagte Zverev. Konnten er, Daniil Medwedew oder Stefanos Tsitsipas dem Weltranglistenersten Djokovic auf anderen Belägen durchaus schon die Stirn bieten, ist der Abstand auf Rasen deutlich größer.

Schon beim Turnier in Halle hatte der Hamburger betont, dass hinter dem Serben Djokovic eine „größere Lücke“ klaffe. Auch weil Rafael Nadal auf einen Start in London verzichtet und Fragezeichen hinter der Form von Rekordsieger Roger Federer stehen.

Zverev könnte erst im Finale auf Djokovic treffen

Zverev selbst hat sich nach dem Achtelfinal-Aus bei seiner Generalprobe in Halle seit vergangenem Dienstag in London an die Bedingungen an der Church Road gewöhnt, der 24-Jährige sieht sich gut gerüstet. „Ich habe alles dafür getan, dass ich in Form bin und dass ich gutes Tennis spielen kann“, sagte er: „Ich hoffe, dass ich es auch auf den Platz bringen kann – mehr kann ich auch nicht machen.“

Zumindest die Auslosung hat es gut gemeint mit dem Weltranglistensechsten. Der niederländische Qualifikant Tallon Griekspoor sollte am Dienstag keine allzu hohe Auftakthürde sein. Und auf Titelverteidiger Djokovic könnte er erst im Finale treffen.

Kerber versucht, Erwartungen klein zu halten

Ganz anders die Ausgangslage bei Jan-Lennard Struff. Der Warsteiner erwischte im Weltranglistenzweiten Medwedew, der am Sonnabend auf Mallorca seinen ersten Rasentitel gewonnen hatte, eine enorm hohe Auftakthürde. Auch Andrea Petkovic und Angelique Kerber starten am Dienstag, vor allem Kerber schürte die Hoffnungen durch ihren ersten Turniersieg seit drei Jahren am Sonnabend in Bad Homburg.

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Die Wimbledonsiegerin von 2018 versuchte vor ihrem Erstrundenmatch gegen die klar schwächer eingestufte Serbin Nina Stojanovic dennoch, die Erwartungen klein zu halten. Sie gehe „ohne Druck“ ins Turnier, auch aufgrund einer enttäuschenden ersten Saisonhälfte betonte sie: „Jede einzelne Runde ist ein Sieg für mich.“

Alexander Zverev – Impressionen einer Tenniskarriere

Ballbegeisterte Familie: Die Zverevs Irina, Mischa und Alexander senior mit dem kleinen Sascha im August 1998.
Ballbegeisterte Familie: Die Zverevs Irina, Mischa und Alexander senior mit dem kleinen Sascha im August 1998. © Witters
Die Zverevs im August 1998: Irina, Mischa und Alexander senior mit dem kleinen Sascha
Die Zverevs im August 1998: Irina, Mischa und Alexander senior mit dem kleinen Sascha © Witters
2011 wurden die Haare länger
2011 wurden die Haare länger © Witters
2013 debütierte
2013 debütierte "Sascha" am Rothenbaum – und verlor in der ersten Runde © Witters
Dennoch posierte das große Talent im gleichen Jahr fröhlich mit seinen Eltern.
Dennoch posierte das große Talent im gleichen Jahr fröhlich mit seinen Eltern. © Witters
Erfolgreiche Frühphase: 2014 wurden Alexander Zverev und die Schweizerin Belinda Bencic in Paris jeweils zum Jugendweltmeister 2013 gekürt.
Erfolgreiche Frühphase: 2014 wurden Alexander Zverev und die Schweizerin Belinda Bencic in Paris jeweils zum Jugendweltmeister 2013 gekürt. © Imago/Paul Zimmer
Im Juniorenfinale von Roland Garros unterlag Zverev 2013 dem Chilenen Christian Garin.
Im Juniorenfinale von Roland Garros unterlag Zverev 2013 dem Chilenen Christian Garin. © Imago/GEPA Pictures
2014 triumphierte der Hamburger dann bei der Nachwuchs-Ausgabe der Australian Open in Melbourne (gegen Stefan Kozlov/USA).
2014 triumphierte der Hamburger dann bei der Nachwuchs-Ausgabe der Australian Open in Melbourne (gegen Stefan Kozlov/USA). © Witters
Zverev, das Model
Zverev, das Model © Imago/Hasenkopf
Brüderduell: Alexander und Mischa Zverev – in der ewigen Bilanz führt der Ältere
Brüderduell: Alexander und Mischa Zverev – in der ewigen Bilanz führt der Ältere © Imago/Metelmann
Im Februar 2017 triumphierten die Hamburger Geschwister im Doppel-Finale von Montpellier.
Im Februar 2017 triumphierten die Hamburger Geschwister im Doppel-Finale von Montpellier. © Imago/PanoramiC
Im Februar 2018 verhalf Alexander Zverev Deutschland und Tennischef Boris Becker zum Klassenerhalt im Davis Cup.
Im Februar 2018 verhalf Alexander Zverev Deutschland und Tennischef Boris Becker zum Klassenerhalt im Davis Cup. © Imago/Hasenkopf
Alexander Zverev Ende 2017 in China
Alexander Zverev Ende 2017 in China © Imago/VCG
Hamburger Tennis-Asse unter sich: Tommy Haas und Alexander Zverev
Hamburger Tennis-Asse unter sich: Tommy Haas und Alexander Zverev © Imago/ZUMA Press
Der vorläufige Höhepunkt: Im November 2018 kürte sich Zverev zum dritten deutschen Weltmeister nach Becker und Michael Stich.
Der vorläufige Höhepunkt: Im November 2018 kürte sich Zverev zum dritten deutschen Weltmeister nach Becker und Michael Stich. © Imago/Paul Zimmer
Im ATP-Finale bezwang er sein Vorbild Novak Djokovic.
Im ATP-Finale bezwang er sein Vorbild Novak Djokovic. © Imago/Paul Zimmer
Im Mai 2021 holte sich Alexander Zverev in Madrid den vierten Masters-Turniersieg seiner Karriere – und räumte dafür unter anderem Rafael Nadal aus dem Weg.
Im Mai 2021 holte sich Alexander Zverev in Madrid den vierten Masters-Turniersieg seiner Karriere – und räumte dafür unter anderem Rafael Nadal aus dem Weg. © AFP
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