Hamburg. Die Hockeydamen des Hamburger Clubs haben sich zum Topteam entwickelt. Bei der Endrunde in Mannheim soll der nächste Titel folgen.

Jens George ist als Mann klarer Worte bekannt. Dass der Cheftrainer der Hockeydamen des Clubs an der Alster vor der Endrunde um die deutsche Feldmeisterschaft, die an diesem Wochenende in Mannheim ansteht, Zurückhaltung walten lässt, überrascht dennoch nicht. Denn nach der längsten Saison der Bundesligageschichte, die im Spätsommer 2019 begann und wegen der Corona-Pandemie über nunmehr rund 21 Monate ausgedehnt wurde, ist in der Damenkonkurrenz tatsächlich kein Favorit auszumachen.

Sowohl im Duell Alsters mit dem Düsseldorfer HC am Sonnabend um 10 Uhr als auch im zweiten Halbfinale, das Rot-Weiß Köln und Endrundengastgeber Mannheimer HC zusammenführt, ist der Ausgang nicht zu prognostizieren. Die Leistungen in den letzten Hauptrundenspielen im April unterstrichen, dass das Final-Four-Quartett auf Augenhöhe und einem Niveau agiert, auf dem in der Liga ansonsten nur noch der Uhlenhorster HC mithalten kann. Dieser war den Kölnerinnen in drei Viertelfinalpartien, von denen zwei erst im Penaltyschießen entschieden wurden, unterlegen.

Hamburgs Team des Jahres 2020

Dass Georges Auswahl, die sich als einziges von sieben im Viertelfinale der Damen und Herren gestarteten Hamburger Teams das Mannheim-Ticket erspielen konnte, außerhalb der Stadtgrenzen sehr wohl auf den Favoritenschild gehoben wird, hat sie sich über die vergangenen vier Jahre erarbeitet.

Angefangen mit der Hallenmeisterschaft 2018 gab es seitdem nur einen nationalen Titel, den Alsters Damen, kürzlich zu Hamburgs Team des Jahres 2020 gekürt, nicht holten; im Finale der Hallen-DM 2018/19 unterlagen sie dem Düsseldorfer HC.

Individuelle Stärke der Spielerinnen

Auf der Suche nach Gründen für diese Dominanz ist der offensichtliche die individuelle Stärke der Spielerinnen. Mit den Torjägerinnen Lisa Altenburg (31) und Hannah Gablac (26), Mittelfeldregisseurin Anne Schröder (26), Strafeckenspezialistin Viktoria Huse (25), Außenbahnwirblerin Kira Horn (26) und Innenverteidigerin Hanna Granitzki (23) stellt der Traditionsclub vom Rothenbaum sechs potenzielle Kandidatinnen für den Kader von Bundestrainer Xavier Reckinger für die Olympischen Sommerspiele in Tokio (23. Juli bis 8. August); mehr als jeder andere deutsche Club.

Ob das angesichts der regelmäßigen Absenz des Nationalteams, zu dessen erweitertem Kreis auch noch die Abwehrspielerinnen Nele Aring (24), Katharina Kirschbaum (22) und Emma Davidsmeyer (22) zählen, ein Vorteil ist, bleibt dahingestellt.

Größte Stärke: Geschlossenheit

Fakt ist, dass George und sein Trainerteam, zu dem mit dem früheren Herren-Bundestrainer Valentin Altenburg (39) ein fachlich topqualifizierter Assistenzcoach zählt, es über die vergangenen Jahre geschafft haben, aus einer Ansammlung hochveranlagter Einzelkönnerinnen eine Einheit zu formen, deren größte Stärke die Geschlossenheit ist. „Für mich ist das der wichtigste Erfolgsfaktor“, sagt George. „Auch wenn in einer Olympiasaison die persönlichen Ziele oft im Vordergrund stehen, zieht man die letzten zehn Prozent, die es für den Gewinn von Titeln braucht, aus der mannschaftlichen Geschlossenheit.“

Die Leistungsträgerinnen bestätigen das. „Wir sind eine sehr harmonische Truppe, nicht nur eine Mannschaft, sondern eine Einheit aus 20 Freundinnen“, sagt Hanna Granitzki. Ursächlich für den Zusammenhalt sei, dass die Mannschaft sich in den vergangenen Jahren nur punktuell verändert hat, im Kern aber gemeinsam gewachsen ist. „Dass wir wenig Umbruch hatten, ist ein wichtiger Teil des Erfolgs, denn dadurch entwickeln sich Spielerinnen und Mannschaften deutlich strukturierter und zielgerichteter“, sagt George.

„Er hat es nicht immer leicht mit uns"

Welche Rolle der 52-Jährige im Gesamtkonstrukt spielt, unterstreicht stellvertretend für ihre Mitspielerinnen Lisa Altenburg. „Er hat einen riesigen Anteil daran, dass ein Großteil des Teams seit dem ersten Titel zusammengeblieben ist. Er hat es nicht immer leicht mit uns, aber nimmt uns, wie wir sind, und versucht uns nicht zu verbiegen“, sagt sie. Der Mann mit der chronisch heiseren Stimme, den alle nur „Maus“ nennen, mag ein Trainer des alten Jahrtausends sein, schließlich ist er seit 1999 im Amt und damit der mit Abstand dienstälteste Chefcoach im Hamburger Bundesligahockey.

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„Aber er hat sich über die vergangenen Jahre enorm entwickelt, hin zu einem modernen Trainer, der die Bedürfnisse der Mannschaft immer wieder abfragt“, sagt Anne Schröder. Das Hinzuziehen Valentin Altenburgs bewertet Hannah Gablac zudem als extrem wichtigen Baustein. „Wie der sich mit jedem kleinen Detail auseinandersetzt, sowohl taktisch als auch technisch und mental, ist unfassbar. Er sieht sofort, wie er jede Spielerin besser machen kann“, sagt sie.

Im Europacup sammelte das Team wertvolle Erfahrungen

Wer die Mannschaft, die 2018 das Double gewann, mit der von heute vergleicht, der sieht eine Gruppe, die an Selbstvertrauen und Ruhe gewonnen hat. „2018 war es für viele von uns das erste Final Four“, sagt Kira Horn, „mittlerweile sind wir als Team und individuell so sehr gewachsen, dass wir mit einem anderen Selbstbewusstsein in die Spiele gehen.“

Wichtige Entwicklungsschritte seien vor allem die beiden Teilnahmen am Feld-Europacup gewesen. Auch wenn jeweils das Halbfinale verloren ging, „haben uns die Spiele gegen internationale Topteams im Hinblick auf Körperlichkeit und Spieltempo enorm weitergebracht“.

Alters Damen seit acht Partien ohne Gegentor

Das Europapokalturnier über Ostern war, so sieht es George, die Initialzündung für das überzeugende Auftreten in diesem Frühjahr, in dem Alsters Damen seit acht Partien ohne Gegentor sind und 33-mal selbst trafen. „Da haben wir gesehen, dass wir noch mehr investieren müssen, um wieder ganz oben zu landen und im nächsten Jahr wieder international spielen zu können“, sagt er.

Die aktuell größte Stärke der Mannschaft, da sind sich erneut alle einig, ist neben der kollektiven Abwehrstärke das Pressingsystem. „Wir sind sehr griffig und versuchen, die Gegner schon im Aufbau zu Fehlern zu zwingen und uns dadurch Chancen zu eröffnen“, sagt Viktoria Huse. Tempo, Energie und Geschwindigkeit, das sind die Stellschrauben, die Georges Team fest anzieht, um die Konkurrenz unter Druck zu setzen.

Hamburger Trainer: „Titel sind Momentaufnahmen"

Bei aller Lust darauf, weitere Titel zu gewinnen: Der Antrieb für sein Wirken ist für den Cheftrainer auch nach mittlerweile 22 Jahren in Verantwortung derselbe geblieben. „Titel sind Momentaufnahmen, die schön sind, aber für das Leben nicht relevant. Meine Triebfeder ist der Spaß, gemeinsam mit dem Team etwas zu entwickeln“, sagt er. Daran werden sie auch in Mannheim arbeiten – und in den kommenden Jahren.

Final Four, Halbfinals Sa: Damen: Alster – Düsseldorf, 10 Uhr; Köln – Mannheim 13 Uhr; Herren: RW Köln – Berliner HC, 16 Uhr; Uhlenhorst Mülheim – Mannheimer HC, 19 Uhr. Finals So: Damen 13 Uhr, Herren 16 Uhr. Alle Spiele im kostenlosen Livestream unter twitch.tv/trops4.