Hamburg. Der Laser-Weltmeister vom Norddeutschen Regatta Verein hofft im Sommer in Japan auf eine olympische Medaille.

Kurz vor Ausbruch der Pandemie hatte sich Philipp Buhl Anfang 2020 einen seiner beiden sportlichen Lebensträume erfüllt: In der australischen Phillip Bay gewann der 31-Jährige WM-Gold. Das war vor ihm noch keinem deutschen Lasersegler gelungen. Mit dem Titel erlöste er den deutschen Segelsport von einem Trauma: Mehr als zwei Jahrzehnte hatten die deutschen Olympiasegler keine Weltmeisterschaft mehr gewinnen können.

Buhls Coup kam zu einem guten Zeitpunkt – auf dem Weg zum zweiten Olympia-Start. Der Allgäuer will nach der verpatzten Premiere 2016 unter Rios Zuckerhut, als er vor dem Finale der Top Ten ausgeschieden war und den Himmel über der ungeliebten Guanabara-Bucht anschrie, in diesem Sommer seine Olympia-Medaille gewinnen. Die Voraussetzungen sind gut: „Mich entspannt, dass ich Weltmeister bin. Das hat in mir eine tiefe innere Zufriedenheit ausgelöst.“

Der Weg aufs Olympia-Podest wird für Buhl kein Spaziergang sein

Der Weg aufs Olympia-Podest wird für Buhl im 4,19 Meter langen Laser kein Spaziergang sein. Die internationale Spitzengruppe in der Einhandjolle ist eng besetzt und stark umkämpft. Neun Rivalen zählt Buhl in diesem Sommer zu den Medaillenkandidaten. Ihn selbst eingerechnet. Das war in seiner Kindheit noch nicht absehbar.

Vater Friedl Buhl hatte den Sohn früh mit auf seinen Flying Dutchman auf den idyllischen Großen Alpsee mitgenommen. „Ich war gerne auf Booten, wurde nie zu etwas gedrängt. Wir hatten keine Handys und keine Sorgen. Wir haben Baumhäuser und Staudämme gebaut und hatten vor allem Spaß auf dem Wasser und in den Bergen“, erinnert sich Buhl an die unbeschwerte Zeit.

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Der einst pausbäckige Junge war parallel zum Segelvergnügen ein talentierter Skirennläufer mit strammen Oberschenkeln, die heute beim Segeln gute Dienste leisten. Schließlich aber musste er sich entscheiden. Buhl wählte Wind und Wellen: „Ich war ein besserer Segler als Skiläufer. Besser sein macht mehr Spaß.“

Das Haus der Eltern ist das östlichste im kleinen Berghofen bei Sonthofen. Wenn die vielen Reisen es zulassen, schöpft Philipp Buhl dort bei Besuchen gerne Kraft. Friedl Buhl, der seinen Sohn Philipp als „sehr guten Autodidakten“ beschreibt, hat ihn an die nationale Spitze herangeführt, bevor Landes- und Bundestrainer hinzukamen. Von seinem Vater habe er vor allem gelernt, „alles, aber auch wirklich alles zu hinterfragen“. Heute trainiert Buhl in Regie des Rostockers Alex Schlonski.

Seinem Heimatverein ist Buhl treu

Seinem Heimatverein, dem Segelclub Alpsee-Immenstadt (SCAI), ist der 1,87 Meter große Athlet ebenso treu wie dem Norddeutschen Regatta Verein an der Alster, wo er seit 2017 Mitglied ist. Buhl trat hier aus Überzeugung ein, weil er die Arbeit des NRV Olympic Teams schätzt: „Ich finde den Aufbau des Sponsorennetzwerks, die gezielte Förderung der Athleten im NRV Olympic Team und die Vernetzung der Segler mit Spitzenleuten wie Olympiasieger Mathew Belcher im 470er sehr gelungen. Ich habe bei der Bundeswehr erlebt, wie sinnvoll der interdisziplinäre Austausch unter Spitzensportlern sein kann.“

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Aktuell nominiert für die Wahl zu Hamburgs Sportlern des Jahres am 13. April, ist Buhl häufig in Hamburg. Seine Freundin Sophia lebt in der Hansestadt, sein Arbeitgeber ist hier ansässig: Als Hauptbootsmann ist Buhl seit mehr als einem Jahrzehnt Mitglied der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Appen. Die Elbmetropole liegt nur eine Autostunde entfernt vom Bundesstützpunkt Segeln des Deutschen Segler-Verbandes (DSV), wo er im Olympiakader trainiert und 2020 seinen sechsten Kieler-Woche-Sieg im Laser einfuhr.

Sein sportliches Vorbild ist der norwegische Skirennläufer Aksel Lund Svindal

„Leistungssport mit Herzblut und Förderung betreiben zu dürfen“ empfindet der international respektierte Solist als „erfüllend und als Privileg“. Der aus­tralische Olympiasieger und America’s-Cup-Gewinner Tom Slingsby sagt über Buhl: „Auf dem Wasser ist Philipp sehr fair. An Land ist er ein Gentleman und ein echt netter Kerl.“ Als solcher hat Buhl auch über das Segeln hinaus Wünsche: „Ich möchte später einmal selbst eine Familie haben und auf dem Land leben, wo man draußen Sport treiben kann.“

Sein sportliches Vorbild ist der norwegische Skirennläufer Aksel Lund Svindal. „Eine lange Zeit sehr erfolgreicher Sportler, der extreme Rückschläge durch Verletzungen hinnehmen musste. Trotzdem ist er immer wieder zurückgekommen. Das alles in herausragend sympathischer, fairer und bodenständiger Weise.“

Philipp Buhl trägt das Herz auf der Zunge

Philipp Buhl ist einer, der sein Herz auf der Zunge trägt, positive wie negative Kritik übt, wenn er das für geboten hält. „Ich kann ganz schön stur sein“, sagt er und lacht. Seinem Hang zum Perfektionismus, den er als positive Eigenschaft bewertet, hat er inzwischen mit Kreativität und Flexibilität in entscheidenden Momenten eine wichtige Kraft hinzugefügt. Seine Olympia-Kampagne managt er selbst. „Etwa ein Drittel meiner Zeit fließt in physisches Training, ein Drittel ins Segeln, ein Drittel in Management und Logistik.“

Der Laser ist für Buhl das perfekte olympische Sportgerät: „Mich reizt der erbarmungslose Wettbewerb auf Augenhöhe. Der Laser ist eine extrem ehrliche Disziplin, in der es nicht um technische Vorteile, sondern das reine Segelkönnen geht.“ Bei Olympia erhalten die Lasersegler gestellte baugleiche Jollen, die ihnen zugelost werden.

Sportliches Erbarmen kennt er nicht

Weder diesbezüglich noch sonst ist Philipp Buhl abergläubisch. „Ich bin ziemlich rational unterwegs. Auf einer Skala von eins bis zehn etwa bei neuneinhalb“, sagt er. Seine Rivalen wissen das charmante Lächeln zu deuten: Sie dürfen zwar jederzeit mit Buhls Fairness, nicht aber mit sportlichem Erbarmen rechnen. Olympisch abgerechnet wird in diesem Sommer für die Lasersegler ab dem 25. Juli im japanischen Revier von Enoshima. Das finale Medaillenrennen steigt am 1. August. Dieses Mal will der amtierende Weltmeister darin eine glänzende Rolle spielen.

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