Hamburg. Der dreifache Olympiateilnehmer Tobias Hauke erklärt die Einschränkungen für Tokio – und warum er trotzdem für die Austragung ist.

Die weltweit unsichere Pandemie-Lage befeuert seit Wochen die Diskussionen darüber, ob die um ein Jahr verschobenen Olympischen Sommerspiele wie geplant vom 23. Juli bis 8. August in Japans Hauptstadt Tokio stattfinden sollten.

Mit umfangreichen, auf die verschiedenen Teilnehmenden­gruppen wie Aktive, Medien oder freiwillig Helfende abgestimmten Regelwerken, Playbooks genannt, versuchen die lokalen Organisatoren den Ablauf des größten Sportereignisses der Welt so sicher wie möglich zu gestalten.

Für das Abendblatt schildert Tobias Hauke (33), Kapitän der deutschen Hockeyherren vom Harvestehuder THC, Welthockeyspieler von 2013, Olympiasieger von 2008 und 2012 sowie Bronzegewinner 2016, seine Sicht auf das Regelwerk und seine Meinung zum Umgang mit dem Thema Olympia.

Hamburger Abendblatt: Herr Hauke, Sie kennen das Playbook für die Aktiven seit vergangener Woche, haben es intensiv studiert. Welche dort formulierten Einschränkungen empfinden Sie als besonders krass?

Tobias Hauke: Krass ist nicht unbedingt das richtige Wort. Sie sind für mich eher sehr einschneidend, da sie meine besonderen olympischen Erfahrungen der vorangegangenen Turniere nicht mehr ermöglichen werden. Ein Abstand von zwei Metern unter den Athleten führt dazu, dass die Fotos mit meinen sportlichen Vorbildern beziehungsweise Größen aus anderen Sportarten nicht mehr möglich sein werden, zumindest nicht mehr in gewohnter Ausführung. Unsere sogenannte „Touristenphase“ wird sich dadurch sicherlich auch verändern.

Die Aktiven dürfen erst wenige Tage vor ihren Wettkämpfen anreisen und müssen sofort nach Abschluss dieser das Olympische Dorf verlassen. Was wird diese Spiele noch anders machen als die drei, die Sie bislang erlebt haben – vom Austragungsort natürlich abgesehen?

Hauke: Vermutlich alles, was nicht den sportlichen Wettkampf betrifft. Der sportliche Vergleich auf dem Platz wird unverändert bleiben. Alle logistischen Abläufe, das Leben im Olympischen Dorf, die Zusammengehörigkeit im Team Deutschland, die Spontanität, die Abende im Deutschen Haus – all das wird sicher anders sein als alle Erfahrungen, die ich bei Olympischen Spielen machen durfte.

Es heißt, dass die Playbooks bis zum Start der Spiele noch mehrfach der veränderten Lage angepasst werden. Welche Hoffnung hegen Sie, dass sich noch einiges abschwächen könnte?

Hauke: Ehrlich gesagt keine besonders große. Die Maßnahmen und Regeln scheinen auf den ersten Blick ziemlich einschneidend, mit Berücksichtigung der aktuellen Lage auf der Welt und den Erfahrungen bei anderen Sportveranstaltungen, wird es für das IOC das höchste Ziel sein, maximale Sicherheit für die Athleten zu ermöglichen. Dafür sehen die Organisatoren diese Maßnahmen als Grundlage.

Was wird Ihnen besonders fehlen, und was könnte vielleicht sogar besser sein als sonst?

Hauke: Der Trubel, die weltweite Begeisterung und die elektrisierende Stimmung in den Stadien, aber auch in der Ausrichterstadt werden mir sehr fehlen. Besser wird wahrscheinlich nur der Verkehr zu den Spielstätten sein, der vermutlich reibungsloser verlaufen wird. Meine Hoffnung bleibt, dass alle nötigen Maßnahmen die Besonderheit des sportlichen Wettkampfs nicht angreifen.

Welche Einschränkungen sind Sie persönlich bereit mitzutragen, und wann wäre die Grenze erreicht, an der Sie sagen: Da mache ich nicht mit?

Hauke: Grundsätzlich wünsche ich mir so normale Spiele wie möglich, möglichst viele besondere Momente und eine Bewegungsfreiheit vor Ort. Aufgrund der Situation können wir damit rechnen, dass es Einschnitte gibt. Es sollte aber mit aller Macht versucht werden, ein Olympisches Dorf möglich zu machen.

Glauben Sie den Beteuerungen, dass es keine Impfpflicht geben wird? Wenn diese die einzige Chance wäre, die Spiele durchzuführen, wäre sie dann vertretbar?

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Hauke: Das ist ein so vielschichtiges Thema, dass ich mich damit erst befassen möchte, wenn es tatsächlich aktuell wird.

Ist Olympia ohne die Begegnungen von Aktiven und Fans aus aller Welt überhaupt reizvoll? Was bedeutet es, im Olympischen Dorf nur zeitlich begrenzt wohnen und keine Kontakte haben zu dürfen?

Hauke: Wie anfangs bereits gesagt, bleibt der sportliche Wettkampf bestehen. Der wichtigste Wettkampf gegen die Besten der Welt ist sehr reizvoll. Die Verkleidung dessen wird sicher trister und bei mir dazu führen, dass die Spiele sich anders anfühlen werden und auch ein anderer Fokus nötig sein wird. Das Olympische Dorf ist für alle Sportler der besonderste Ort der sportlichen Welt und gibt einem so wahnsinnig viel Energie für den sportlichen Alltag, dass ein begrenztes Wohnen und die Kontaktbeschränkungen sicher etwas von der Magie der Spiele nehmen werden.

Wie bereitet man sich mental darauf vor, dass es keine Zuschauer, kein Flair geben dürfte? Und was bedeutet das für die, die in Tokio ihre ersten Spiele erleben?

Hauke: Aktuell sind wir noch nicht in der Phase, uns damit auseinanderzusetzen. Erst einmal gilt es, sich optimal in Form zu bringen als Mannschaft. Solche Details kommen kurzfristig vor dem Turnier zur Sprache. Allgemein kann man aber sicher sagen, dass mit den Zuschauern eine wichtige Komponente wegfällt, die jeder Mannschaft den entscheidenden Boost geben könnte. Da das aber alle betrifft, ändert sich nichts an der Chancengleichheit. Sport ohne Zuschauer ist grundsätzlich nicht das, was wir wollen. Letztlich sind das aber Randbedingungen, die zwar das Erlebnis besonders machen, aber eben nicht direkt zum sportlichen Wettkampf zählen.

Warum ist es okay, sich trotz aller Probleme auf Tokio zu freuen?

Hauke: Es sind die Olympischen Spiele, das größte sportliche Event, aber eben auch der wichtigste sportliche Wettkampf für mindestens alle Amateursportler. Hinzu kommt, dass wir aufgrund der Pandemie unseren letzten richtigen Wettbewerbsvergleich 2019 hatten, ich persönlich sogar schon 2018. Was dieses Jahr möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Der Wettkampf mit den Besten der Welt um den wertvollsten Titel der Welt ist deshalb Anreiz und Grund genug, sich zu freuen.

Was entgegnen Sie Kritikern, die sagen, man müsste die Spiele komplett absagen, weil sie nicht zu verantworten sind? Gab es diese Gedanken auch bei Ihnen selbst?

Hauke: Ich vertrete seit Beginn der Pandemie die Meinung, alle Meinungen zur aktuellen Situation zu respektieren und keine zu verurteilen. So handhabe ich es auch in diesem Fall. Die Argumente sind nachvollziehbar – trotzdem ist meine Meinung, dass wir versuchen müssen, so gut es eben geht, wieder ins Leben zurückzufinden. Erfolgreiche und gesunde Olympische Spiele können sicher ein positives Signal für die Gesellschaft sein.

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Glauben Sie, dass Tokio als Rückbesinnung auf den reinen Sport ein Zeichen für die Zukunft setzen kann? Dass dadurch die Ideale Olympischer Spiele neu diskutiert werden und daraus eine neue Idee für die Spiele entstehen könnte?

Hauke: Damit habe ich mich bisher nicht beschäftigt. Die Erfahrungen zeigen, dass zumeist bei erzwungenen Veränderungen positive Effekte entstehen, die sich in Folge in das erfolgreiche Konzept der Vergangenheit integrieren lassen. Ich bin mir sicher, dass das auch bei diesen Olympischen Spielen passieren wird.