Hamburg. Die 20-Jährige schlägt künftig für den Eimsbütteler TV auf. Mit Cinja Tillmann soll sie 2024 in Paris um Olympiagold kämpfen.

Einen festen Händedruck, eine fröhliche Umarmung als Willkommensgruß – gab es selbstverständlich nicht im BeachCenter am Alten Teichweg, weil im Hamburger Sport das Einhalten der Corona-Regeln ernst genommen wird. Aber einen Stoffbeutel hatte Frank Fechner mitgebracht, aus dem er Aufkleber, Aufnäher und sogar Schutzmasken mit dem Logo des Eimsbütteler TV hervorzauberte; des Vereins, dem er als Erster Vorsitzender vorsteht. Die Frau, der die Gaben galten, lächelte schüchtern, bedankte sich artig – und schien in diesem Moment noch ein kleines Stückchen sicherer zu sein, dass sie mit der Wahl ihres neuen Heimatvereins einen guten Fang gemacht hat.

Svenja Müller, seit einer Woche 20 Jahre alt und gemeinhin bekannt als das wahrscheinlich größte weibliche Beachvolleyball-Talent, das Deutschland aktuell zu bieten hat, ist neu am Hamburger Bundesstützpunkt. Die Dortmunderin bildet mit Cinja Tillmann (29) eins der Perspektivteams für die Olympischen Sommerspiele 2024. Um ihre Verbundenheit zur neuen Heimat zu untermalen, hatte sie bereits bei ihrer Vorstellung Ende Oktober angekündigt, sich einem Hamburger Verein anschließen zu wollen.

Beachvolleyball-Talent spielt nun für Eimsbütteler TV

Dass es der ETV wurde, lag einerseits an ihrem Berliner Manager Andreas Scheuerpflug, der den Kontakt herstellte. Andererseits aber auch daran, dass mit den Vizeweltmeistern Julius Thole (23) und Clemens Wickler (25) zwei Aushängeschilder des Vereins Eindruck bei ihr hinterließen.

„Das Angebot, das der ETV gemacht hat, hat mir sehr gut gefallen, ich habe mich sofort gut aufgehoben gefühlt“, sagt die 1,92 Meter lange Angriffsspielerin, die sich direkt bereit erklärte, die Philosophie des Clubs von der Bundesstraße mitzutragen und sich für Trainingseinheiten mit Kindern und Jugendlichen zur Verfügung zu stellen. „Für uns ist das ein ganz wichtiger Effekt, wenn wir Vorbilder wie Julius, Clemens und nun auch Svenja bieten können, mit denen sich unser Nachwuchs identifizieren kann“, sagt Fechner, der auch Cinja Tillmann gern aufgenommen hätte.

Tillmann entscheidet sich für DJK Düsseldorf

Dass sich die in Münster geborene Abwehrspezialistin für die DJK Düsseldorf entschieden hat, nimmt ihr in Hamburg niemand übel. Im Gegenteil: Die Gründe, die sie anführt, sprechen für ihre Charakterstärke. „Einerseits habe ich eine große Verbundenheit zu Nordrhein-Westfalen. Andererseits hat Düsseldorf in den vergangenen Jahren sehr viel für den Beachvolleyball getan. Ich bin begeistert vom Standort Hamburg, aber ich wollte mit meiner Vereinswahl dokumentieren, dass ich anerkenne, was in Düsseldorf geleistet wird“, sagt sie.

Nun hat die Vereinszugehörigkeit im Beachvolleyball nicht die herausgehobene Bedeutung wie in anderen Sportarten, die Teams treten schließlich bei internationalen Turnieren für ihr Land an. Dennoch, sagt Cinja Tillmann, sei die Bindung an einen Verein wichtig. „Ich habe dort Ansprechpartner, diese Rückendeckung ist mir wichtig.“ Frank Fechner hat beobachtet, dass der Sport dank der Erfolge von Thole/Wickler im Stadtteil Eimsbüttel einen enormen Zulauf erfahren hat. „Bei der WM 2019 am Rothenbaum gab es eine richtige ETV-Fankurve. Das war für unseren Verein super und hat den beiden auch geholfen.“

Große Erwartungshaltung an Müller und Tillmann

Inwiefern das neue Duo Tillmann/Müller die Erfolgsgeschichte weiterschreiben kann, bleibt abzuwarten. Deutschlands erfolgreichster Coach Jürgen Wagner, als „Head of Beachvolleyball“ des Deutschen Volleyball-Verbands (DVV) für die Zukunft der DVV-Strandsparte zuständig, ist überzeugt davon, dass beide 2024 in Paris reüssieren können. „Svenja hat für ihre Größe einen extrem guten Balltouch, sie ist im Block und im Angriff herausragend“, sagt er. „Cinja ist neben Laura Ludwig die beste Abwehrspielerin in Deutschland und kann mit ihrer Erfahrung Ruhe in das Team bringen, die Svenja helfen wird.“

Eine Erwartungshaltung ist das, die Druck aufbauen könnte. Druck, den beide jedoch nicht an sich heranlassen wollen. Einzuschätzen, welche Ziele man gemeinsam erreichen könne, sei realistisch noch gar nicht möglich. Weil sie im Januar in Hannover gemeinsam ihre Grundausbildung bei der Bundeswehr absolvieren mussten – beide sind neu der Sportförderkompanie in Appen (Kreis Pinneberg) zugeordnet –, sind sie erst seit wenigen Wochen in Hamburg im regelmäßigen Training. Wann das erste Turnier ansteht, ist angesichts der diffusen Pandemie-Lage ungewiss. Im 14-tägigen Trainingslager auf Fuerteventura, in das sie an diesem Sonnabend aufbrechen, werde Zeit sein, um sich näher kennenzulernen und mit dem Trainerteam um den neuen Chefcoach Alexander Prietzel das Teambuilding zu intensivieren.

Ein gutes Verhältnis abseits des Platzes ist beiden wichtig

„Der Start ist gut gelungen, wir haben eine sehr gute Arbeitsatmosphäre“, sagt Cinja Tillmann, die im Gespräch deutlich lebhafter wirkt als ihre noch etwas schüchterne Partnerin. Beide sagen, dass ihnen ein gutes Verhältnis zueinander wichtig sei, was im Beachvolleyball beileibe nicht immer den Königsweg zum Erfolg bedeutet.

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„Ich habe mich mit meinen bisherigen Partnerinnen auch abseits des Platzes immer gut verstanden, bin aber erfahren genug, dass ich sagen kann: Das Wichtigste ist, dass wir auf dem Feld Leistung bringen“, sagt Cinja Tillmann, die seit 2009 in fünf verschiedenen Zusammensetzungen spielte und im vergangenen Jahr mit ihrer damaligen Partnerin Kim Behrens (28/Bremen) Vizeeuropameisterin wurde. Zwar sehe sie ihre Aufgabe schon auch darin, der fast zehn Jahre Jüngeren eine Stütze zu sein. „Aber im Vordergrund muss stehen, dass jeder seine eigene Leistung bringt, das hilft der Partnerin letztlich am meisten.“

Beachvolleyball-Talente unterstützen sich gegenseitig

Den Ehrgeiz, aus der neuen Konstellation das Beste zu machen, bringen beide mit. „Wenn nur eine nicht gewollt hätte, wäre es nicht zustande gekommen. Aber für mich war schnell klar, dass ich es machen will. Cinja hilft mir sehr, gibt mir viele Tipps, auf die ich selbst nicht komme“, sagt Svenja Müller. „Svenja wird sich schnell einfinden und mich ebenfalls unterstützen. Das kann sie, auch wenn sie es noch nicht so sieht. Aber mir macht es Spaß zu sehen, wie sie sich entwickelt“, sagt Cinja Tillmann.

Frank Fechner hatte, bevor er seine Stofftasche entleerte, beim Training zugeschaut. Er sah, wie Cinja Tillmann nach den Bällen tauchte und Svenja Müller im Block brillierte. „Nette Mädels“, sagte er, „ich glaube, das wird was!“