Hamburg. Die Hamburgerin Dorothea Hory hat Deutschlands ersten reinen Coastal-Rowing-Verein gegründet. Die Disziplin soll 2028 olympisch werden.

Dorothea Hory sorgt regelmäßig für Aufsehen, wenn sie in ihrem Ruderboot auf der Elbe fährt. In einem Ruderboot! Gibt’s doch gar nicht. Doch. Gibt es. „Gerade neulich wurde ich am Museumshafen Oevelgönne angesprochen, wie und was ich da mache“, erzählt die Blankeneserin, „das waren junge Leute, die waren richtig interessiert.“

Das Boot sieht halt anders aus als die superschmalen Rennruderboote oder die breiten Hobby- und Wanderkähne, die man sonst so kennt. Es ist etwas breiter als ein Rennboot, hat eine große Finne und ist am Heck offen, damit das Spritzwasser auslaufen kann. Hory fährt ein spezielles Küstenruderboot, sie ist eine Pionierin des Coastal Rowings in Hamburg, dem Küstenrudern im offenen Wasser, vor Meeresküsten, auf breiten Flüssen und großen Seen. „Groß“ im Sinne von „richtig groß“.

Sportler sind den Naturgewalten ausgesetzt

„Die Gewässer sind der wesentliche Unterschied zum normalen Rudern“, erzählt die Fachärztin für Chirurgie, die am BG Klinikum Hamburg arbeitet, „wir haben mit Kreuzwellen und Tide zu tun, du wirst hin- und hergeschaukelt, bist den Naturgewalten ausgesetzt. Das ist eine Herausforderung, die Mut und Überwindung fordert.“

Die 60-Jährige war früher als Dorothea Cyss eine erfolgreiche Leistungsruderin in der RG Hansa. Sie gewann eine deutsche Meisterschaft im Vierer mit Steuerfrau, zwei U-23-Meisterschaften, gehörte der Nationalmannschaft an und ist immer noch ihrem Sport verfallen: „Es ist ein Wahnsinnsgefühl, mit einem Rennboot in hohem Tempo über das Wasser zu gleiten.“

Erster Verein für Küsten­rudern in Deutschland

Andererseits hat sie immer wieder bei Blankenese auf die Elbe geschaut und sich gefragt: Warum rudert da niemand? Bis sie dann vor rund dreieinhalb Jahren einen Artikel über Coastal Rowing gelesen hat. Sie kaufte ein Boot, 2019 nahm sie an den Weltmeisterschaften in Hongkong teil und erreichte mit der Lübeckerin Wibke Göring den Endlauf im Doppelzweier. Und im November gründete Dorothea Hory mit sieben Mitstreitern den Ersten Coastal Ruder Club Hamburg (ECRC), den ersten Verein für Küsten­rudern in Deutschland. Das passt für die Stadt, in der 1836 mit dem DHRC der erste­ deutsche Ruderverein überhaupt etabliert wurde.

„Das Küstenrudern auf der Nieder­elbe und in Hamburg zu betreiben und zu fördern“, so lautet das Ziel des neuen Vereins. Mit dem „Ring der Einzelpaddler“ gibt es eine gute Zusammenarbeit, Boote können dort am Falkensteiner Ufer gelagert und zu Wasser gelassen werden. „Von Cuxhaven bis zum Altonaer Museumshafen dürfen wir die Elbe befahren“, sagt Dorothea Hory, „bei Blankenese ist der Fluss immerhin einen Kilometer breit.“

Weltmeisterschaften gibt es seit 2006

Weltweit wird der Sport schon lange betrieben, Weltmeisterschaften gibt es seit 2006. Vor allem in Küstennationen ist er etabliert, in Australien und den USA. In Europa sind Frankreich, Großbritannien, Skandinavien und die Mittelmeer-Anrainer zu nennen. In Deutschland aber gibt es Nachholbedarf. „Für den Deutschen Ruderverband steht Küstenrudern nicht an erster Stelle“, meint Hory. Dabei steht ihr Sport auf einer Shortlist für neue Sportarten bei den Olympischen Spielen 2028. Die Hamburgerin Katharina von Kodolitsch, Präsidentin der RG Hansa, kümmert sich als Leiterin eines Arbeitskreises für den DRV darum, auch der ehemalige Leistungsruderer Lars Wichert (34/RC Alle­mannia) ist stark involviert, gewann bereits zwei Vizeweltmeistertitel im Einer.

Oft ist es so, dass nur die treibende Kraft eines Einzelnen fehlt, um Dinge voranzubringen. Die dreifache Mutter Hory, deren Tochter Victoria ebenfalls Leistungsruderin ist, ist entschlossen, als „Schlagfrau“ ihren Sport zu etablieren. Sie sucht nach Spendern für einen Satz Vereinsboote (Einer, Zweier, Vierer), die zwischen 6000 und 20.000 Euro kosten. Gespräche für ein eigenes Clubhaus am Falkensteiner Ufer laufen, eine Website ist online.

Das Potenzial sieht sie in einer Wassersportstadt wie Hamburg auf jeden Fall, an ersten Infoveranstaltungen nahmen bis zu 40 Ruderer teil. „Viele wollen erst mal abwarten, was wir so machen, ob das alles was wird“, erzählt die Vereinsgründerin und blickt nun optimistisch in die Zukunft: „Das Interesse ist auf jeden Fall da.“ Das hat sie ja selbst in Övelgönne erlebt. ah