Goltoft/Schlei . Wilfried Erdmann umsegelte vor über 50 Jahren einhand den Globus. Seine Abenteuer werden jetzt in einem opulenten Bildband lebendig.

Wilfried Erdmann hat in dieser Woche zwei wichtige Termine. Er bekommt seine erste Impfung gegen das Coronavirus, und mit „Ich bin auf See“ (Delius Klasing Verlag) erscheint am 21. Januar das neue Buch des erfahrenen Wassersportlers, der vor mehr als 50 Jahren als erster Deutscher einhand die Welt umsegelte.

Welches Ereignis ist bedeutsamer? „Sind beide gleich wichtig“, sagt Erdmann. „Die Impfung sorgt hoffentlich dafür, dass ich noch lange weiter segeln kann.“ Mehr als ein halbes Jahrhundert ist er jetzt auf drei Ozeanen mit Jollen und Yachten unterwegs.

Familiensegeln mit Ehefrau und Sohn

Hat das Alleinsein genossen und erduldet, sich am Familiensegeln mit Ehefrau Astrid und Sohn Kym erfreut sowie Gastsegler zu sich an Bord eingeladen. Weit über 200.000 Seemeilen hat der Norddeutsche in seinem Kielwasser – mal aus Abenteuerlust, mal aus Protest, aber immer aus Berufung.

Bereits seine Einhandfahrt 1965 bis 1968 von Alicante um die Welt bis Hamburg machte Wilfried Erdmann berühmt. Doch bald folgten weitere Extremfahrten. So segelte er 1984/85 auf „Kathena Nui“ nonstop und allein von Kiel nach Kiel in 271 Tagen auf der klassischen Route um das Kap der Guten Hoffnung und Kap Hoorn.

Nachfolger: Boris Herrmann

2000/01 gelang es ihm dann als Gegenstück, in 343 Tagen von Cuxhaven nach Cuxhaven gegen den Wind ebenfalls auf „Kathena Nui“ um die Welt zu segeln. Wieder ohne Begleitung und ohne Zwischenhalt.

Nach ihm glückte nur wenigen deutschen Seglern das Kunststück: So kreuzte der Hamburger Boris Herrmann am Wochenende die eigene Kurslinie vom Rennauftakt. Herrmann hat damit als erster deutscher Regatta-Teilnehmer allein und nonstop die Welt umrundet.

Der Bildband enthält 180 Fotos seiner Reisen

Das neue Buch zu machen war ein Vorschlag vom Bielefelder Verleger Konrad Delius. Der wusste, dass Wilfried Erdmann auf all seinen Reisen fotografiert hatte und wollte gern Perlen aus diesem Schatz in einem opulenten Band vereinigen. „Innerhalb von zehn Minuten waren wir uns einig“, so der Autor im Gespräch mit dem Abendblatt.

„Ich bin auf See – mein Bild vom Segeln“, Delius Klasing Verlag Bielefeld, 272 Seiten, gebunden im Schmuckschuber, 45 Euro.
„Ich bin auf See – mein Bild vom Segeln“, Delius Klasing Verlag Bielefeld, 272 Seiten, gebunden im Schmuckschuber, 45 Euro.

Eigentlich sollte das Werk schon im vergangenen April zu Erdmanns 80. Geburtstag erscheinen. „Aber dann kam Corona, und wir brauchten auch mehr Zeit für die Auswahl der Bilder.“ Tausende Dias – manche mehr als 40 Jahre alt – mussten aus dem kühlen, trockenen Lager geholt und gesichtet werden.

Bildband in Zusammenarbeit mit Sohn entstanden

„Ich war erstaunt, wie gut die Bilder erhalten sind“, so der Autor. „Aber ich habe auch immer gutes Material verwendet.“ Tatkräftige Hilfe bekam der Segler von seinem Sohn Kym, einem studierten Grafik-Designer.

Er suchte Bilder nach den Vorstellungen seines Vaters aus und bearbeitete sie mit größter Genauigkeit. Selbst ist der heute 48-Jährige als kleiner blonder Junge während der Familienreise durch die Südsee (1976-79) auf Fotos im Buch zu sehen.

Authentische Momentaufnahmen von der Natur

Herausgekommen ist der erste Bildband von Wilfried Erdmann, randvoll mit 180 Fotos seiner Reisen – Dokumente, die bislang zum Teil nicht veröffentlicht wurden. Einige Fotos zeigen gurgelnde See, Gischt und hohe Wellen im Südpolarmeer. Wer gemütlich zu Hause in dem Band blättert, bekommt eine Ahnung von den wirklich unwirtlichen Bedingungen.

„Da gehörte schon viel Überwindung dazu, sich da mit der Kamera an Deck zu bewegen“, sagt Erdmann. So seien auch alle Sturmfotos kurz vor oder nach der kritischen Phase gemacht worden. „Aber ich wollte natürlich auch diese Momente festhalten und mitbringen. Denn wenn der Sturm vorbei ist, ist auch die Dramatik dahin.“

Vater und Sohn treffen sich auf der anderen Seite der Welt

Andere Bilder leuchten in den Farben der Südsee, porträtieren traumhafte Landschaften und Ankerbuchten, geben einen Eindruck vom Bordleben und den Vorräten für die Weltumseglungen, zeigen schlaffe Segel in der Flaute. Ein besonderes Dokument stammt von Kym Erdmann. Am 14. Februar 2001 trifft er seinen Vater südlich von Neuseeland.

Kym sitzt in einem Sportflugzeug und fotografiert, Wilfried segelt auf der „Kathena Nui“, muss bei zunehmendem Wind Segel reffen und bergen. Auf der anderen Seite der Welt eine Begegnung von Vater und Sohn, die auch 20 Jahre später noch besonders ist. Und das Foto vom kleinen Schiff mit den orangefarbenen Vorsegeln in der Weite des Meeres fängt die Emotionen perfekt ein.

Liebevolle Zeilen an Nord- und Ostsee

Die Texte sind eher nachdenklich und auch an Land anwendbar. Etwa: „Das wirklich Spannende im Leben gibt es nicht auf Netflix. Das muss man selbst erleben.“ Und Erdmanns Worte sind ein Plädoyer fürs Segeln, sich Wind und Wellen zu stellen, das Meer bedingungslos anzunehmen, Angst und Einsamkeit auszuhalten, Euphorie und tiefste Zufriedenheit zu erleben.

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Das Meer bezeichnet er als seine „älteste Liebe“, widmet Nord- und Ostsee liebevolle Zeilen, hat die perfekte Einheit zwischen Boot und Mensch erlebt und zieht Bilanz: „Segeln ist ALLES.“

Irische See als nächstes Segelziel

Derzeit steht „Kathena Nui“, mittlerweile mit einem 15-PS-Motor ausgestattet, in einer Werfthalle an der Schlei. „Das Schiff ist gesund und in Ordnung. Es fehlt nur ein frischer Unterwasser-Anstrich, dann könnte es losgehen.“

Eine Reise zur Irischen See und nach Liverpool schwebt dem Skipper und Astrid, seine Ehefrau seit fast 52 Jahren, durchaus noch vor. „Mal sehen“, sagt der Skipper. „Ist ja auch ein anspruchsvoller Törn.“

Corona lässt Langeweile bei den Erdmanns aufkommen

Und in Zeiten von Corona nicht nur von Wetter und Wind, sondern auch vom Infektionsgeschehen abhängig. Bisher seien sie gut durch die Pandemie gekommen, so Erdmann. „Wir hatten mehr Zeit für das Buch, kümmern uns um Haus und Garten, kochen und lesen.“ Aber seit Weihnachten sei es doch zunehmend langweilig. „Doch ich will nicht klagen, habe mit Glück Termine für die erste und zweite Impfung bekommen.“

80 Jahre alt zu sein hat also auch Vorteile, obwohl Erdmann schreibt, dass er die Zeichen des Alters nicht mag. Ebenso wenig übrigens wie Angst, Besserwisser am Steg oder Sturm, der länger als zwei Tage weht. Da spricht er wohl seiner Fangemeinde aus dem Herzen.

Seiner Leserschaft macht der erste deutsche Nonstop-Weltumsegler noch ein Geschenk: Dem Buch ist eine Gewinn­spielkarte beigefügt. Unter allen Teilneh­mern wird Erdmanns Sextant, der ihn 32.000 Seemeilen um die Welt begleitet hat, im Wert von 2000 Euro verlost.