Les Sables-d'Olonne/Frankreich. Der Extremsegler berichtet live vom Boot, wie es ihm bei der Vendée Globe geht. Warum es kurz vorm Ziel noch spannend werden könnte.

Das Interesse war groß am späten Sonntagnachmittag. Bereits wenige Minuten nach Beginn des Zoom-Treffens mit dem Extremsegler Boris Herrmann waren rund 5500 Menschen aus mehr 100 Ländern an ihren Laptops oder Handys dabei, um den Hamburger wenigstens virtuell einmal auf seiner Reise zu begegnen.

Zoom-Treffen mit Boris Herrmann

Pünktlich um 17.10 Uhr schaltete sich Herrmann, der als erster Deutscher an der härtesten Einhandregatta der Welt, der Vendée Globe, teilnimmt, zu. In T-Shirt und kurzer Hose saß er ziemlich entspannt in seinem Cockpit – und musste kurz nach Beginn der Übertragung aufspringen: „Oh, ich muss einmal schauen, ich habe gerade etwas gerammt“, sagte er und verschwand nach draußen.

Scheint nichts Beunruhigendes gewesen zu sein, denn kurz danach saß Herrmann wieder an seinem Platz – und erzählte, dass es im gut geht: „Heute Vormittag habe ich ein wenig mit der Geschwindigkeit gekämpft. Aber jetzt mit dem Reff und einem neuen Kurs habe ich ein gutes Tempo, bin selten unter 20 Knoten unterwegs.“

Herrmann erzählt von Vendée Globe

Im Moment sei das Rennen extrem spannend, weil alle Segler sich für unterschiedliche Strategien entscheiden würden, wie sie am schnellsten ins Ziel kommen. Da gebe es den Konkurrenten Yannick Bestaven, der versuchen würde, in starke Winde zu segeln, „weil er keine Leichtwindsegel mehr hat“, so Herrmann.

Oder Charlie Dalin, derzeit auf dem zweiten Platz, dessen Boot in einem recht fragilen Zustand sei. „Er versucht, mit möglichst leichten Winden ins Ziel zu kommen.“ Und überhaupt gilt: „Es kann in den letzten drei Tagen noch so viel passieren.“

Teilnehmer erhielten Zeitgutschriften wegen Rettungsaktion

Das liegt nicht nur daran, dass die Spitzengruppe bei der Vendée Globe ungewöhnlich eng beieinander ist – sondern auch an Zeitgutschriften, die verschiedene Teilnehmer bekommen haben, weil sie bei der Rettung des in Seenot geratenen Kevin Escoffier teilgenommen haben. Auch Herrmann hat eine Gutschrift von etwa sechs Stunden. „Dennoch kann der bisher hinter mir liegende Yannick Bestaven am Ende noch vor mir landen, weil seine Zeitgutschrift größer ist.“

Herrmann will versuchen, sich davon nicht beeinflussen zu lassen: „Ich versuche, meinen Weg zu finden. Aus den Daten, die mein Computer mir gibt, und aus den tatsächlichen Bedingungen“, sagt er. Für ihn sei es wichtig, nun schnell Richtung Ziel voranzukommen. Dazu gehöre auch ganz viel Intuition und Bauchgefühl.

Herrmann: Letzte 450 Seemeilen sind Zielgerade

Klar ist: Der Tag, an dem Boris Herrmann in Zielhafen Les Sables-d'Olonne ankommen wird, wird unglaublich spannend. „Die letzten 450 Seemeilen werden eine einzige Zielgrade werden“, sagt er. Bei der er sowohl als Sieger hervorgehen, aber auch auf dem siebten Platz landen kann. „Dann wird sich entscheiden, wer noch das beste Segel hat, wer seine Foils am besten nutzen kann. Und damit die besten Geschwindigkeiten erzielt. Es wird sehr, sehr eng.“

Dennoch sei es bislang relativ entspannt, sagt Herrmann. Mittlerweile hören ihm mehr als 7000 Menschen per Computer zu. Das Boot fährt eine gute Geschwindigkeit. „Es läuft“, sagt er und lacht. Sicherlich sei es auch der letzte Tag in den kommenden vier Monaten, an dem er so entspannt in T-Shirt und kurzer Hose herumlaufen könne. „Und wenn jetzt gleich noch meine neue Platzierung passt, bin ich sicher noch ein wenig entspannter.“ Die sollte um 18 Uhr neu ermittelt werden.

Klimawandel wirkt sich auf Bedingungen aus

Herrmann berichtet auch von Anzeichen der Klimaerwärmung, die er auf seiner Reise erlebt habe. Da sei zum einen ein Hurrican gewesen im Atlantik, an einer Stelle, an der es sonst keine gebe. „Oder das Saragossa-Gras.“ Bis gestern habe es überall auf seinem Schiff gelegen. „Das hat es früher nicht so gegeben, das zeigt, was sich alles hier im Meer verändert“, so der 39-Jährige.

Zum Schluss erzählt Herrmann noch einmal, wie bewegend für ihn Weihnachten und Silvester allein auf hoher See gewesen seien. Durch die Zeitverschiebung habe er die Tage verzögert erlebt, „und dadurch konnte ich sie ganz für mich genießen, nachdem ich zuvor schon mit meiner Familie gefeiert hatte“.

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Dazu habe er viele Sprachnachrichten, zu einem großen Podcast zusammengeschnitten, gesendet bekommen. „Die habe ich mir hier im Cockpit angehört. Das war ein unglaublich schöner Moment.“

Dennoch merkt man Herrmann an, dass es nun Zeit ist, nach Hause zu kommen. Ein Mal noch zeigt er allen Zugeschalteten sein Schiff, unter Deck und an Deck, ehe er sich für heute verabschiedet. Mit einem Lächeln, einem Dank und zwei erhobenen Daumen. Dann muss er sich wieder um sein Schiff kümmern. Schließlich kann ab jetzt jede schnell gesegelte Seemeile von entscheidender Bedeutung sein.