Berlin. Ex-Kommentator löste mit einer Äußerung im “Doppelpass“ Empörung aus – auch bei Lukas Podolski. Linguisten bewerten die Debatte.

Der langjährige Bundesliga-Experte und Sportkommentator Marcel Reif hat mit Äußerungen in der Sendung „Doppelpass“ von Sport1 für Irritationen gesorgt. In einer Debatte über Spieler des Bundesligisten Borussia Dortmund sagte Reif am Sonntag: „Nach dem Spiel gegen Stuttgart gab's ja die Herren Reus und Hummels, nicht etwa irgendwelche Jungtürken, sondern schon die Herren, um die es geht, die gesagt haben: Pass auf, wir sind eine Mannschaft, die kann nicht verteidigen.“

In den sozialen Netzwerken entwickelte sich eine Debatte um den von Reif verwendeten Begriff „Jungtürken“, der ihm zum Teil als Rassismus ausgelegt wurde. Ex-Nationalspieler Lukas Podolski twitterte: „Marcel Reif – der Name ist leider nicht Programm, stattdessen diese dumme Aussage. Beim nächsten Mal einfach die Klappe halten.“

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Marcel Reif verteidigt „Jungtürken“-Formulierung

Später sagte Reif während der Sendung nach Sport1-Angaben: „Ich gebe zu, dass ich das Wort Jungtürken manchmal im Sprachgebrauch habe. Aber ist da ein rassistischer Unterton? Helft mir mal bitte, falls ich da etwas verpasst habe. Sollte ich irgendjemandes Gefühle verletzt haben, entschuldige ich mich dafür in aller Form. Mir fehlt aber so ein bisschen die Tiefe des Gedankens.“

Reifs Entgleisung könnte allerdings auch für die Sendung Konsequenzen haben. Am Sonntagabend meldete „Doppelpass“-Sponsor Check 24 Gesprächsbedarf an. „Check24 verurteilt jegliche Form von Rassismus. Es tut uns sehr leid, dass es im Doppelpass zu diesen Aussagen gekommen ist“, teilte eine Sprecherin des Vergleichsportals in einer schriftlichen Stellungnahme mit. „Wir werden dazu mit den Dopa-Verantwortlichen rasch das Gespräch suchen.“

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Sport1 verteidigt Reif: "Nicht rassistisch gemeint"

Am Dienstag ergriff Sport1 noch einmal Partei für Reif. Chefredakteur Pit Gottschalk sagte auf Anfrage: „Dieser Begriff war zu keinem Zeitpunkt rassistisch gemeint gewesen. Das hat Marcel Reif in der Sendung auch noch einmal explizit klargestellt“. Er betonte: „Grundsätzlich distanzieren wir uns wie auch unser Partner Check24 klar und deutlich von allem rassistischen Gedankengut“.

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Erst Ende November hatte Steffen Freund im Sport1-„Doppelpass“ für einen Rassismus-Eklat gesorgt. Der frühere Europameister und jetzige TV-Experte hatte Undiszipliniertheiten der Schalke-Profis Nabil Bentaleb und Amine Harit auf deren nordafrikanische Wurzeln zurückgeführt. Auch Reif hatte zuletzt bereits etliche "Sport1"-Zuschauer mit der Bewertung der Spuck-Attacke des Gladbacher Profi Marcus Thuram verstimmt. „Das ist so abartig. Ich würde den ungern noch mal irgendwo sehen“, hatte Reif über Thuram gesagt: „Die Sperre kann nicht lang genug sein. Ich bräuchte ihn gar nicht mehr.“

Fußball-Linguist: Reif-Debatte ist berechtigt

Hat der Sport ein Sprachproblem? Hat sich dieses zuletzt verstärkt? Fehlt manchem Protagonisten das Gefühl für das gesprochene Wort? Oder sind Zuhörerinnen und Zuschauer heute einfach nur sensibler als noch vor Jahren?

„Es geht nicht darum zu sagen, dass Marcel Reif ein Rassist ist, aber er hat eine Redeweise verwendet, die rassistische Stereotype bedient. Und deshalb ist es problematisch und deshalb sind auch die Diskussionen darüber berechtigt“, sagt Simon Meier-Vieracker, Sprachwissenschaftler an der TU Dresden.

„Auch wenn es nicht in seiner Absicht lag, so sind es gerade die Formen von Rassismus, die einem unbewusst und unbeabsichtigt unterlaufen, bei denen wir als Gesellschaft einen Blick drauf haben sollten“, sagt der Professor für Angewandte Linguistik, der auch auf fussballlinguistik.de bloggt.

Reif: "Bitte genau erkundigen, was das heißt"

Reif selbst sagte der Deutschen Presse-Agentur, er empfinde die Aufregung um seine Aussagen als „absurd“. „Ich bedaure, dass jemand vielleicht in seinen Gefühlen verletzt wurde, aber der sollte bitte genau hinhören und sich erkundigen, was das heißt. Dann müsste es ihm wieder gut gehen“, sagte der 71-Jährige. Der Duden schreibt zum Begriff Jungtürke: „Mitglied einer politischen Bewegung im Osmanischen Reich; auch scherzhaft für junger Reformpolitiker.“

Meier-Vieracker: „Es reicht nicht, im Lexikon nachzublättern, wer die Jungtürken waren. Das Problem ist vielmehr, dass die Türken in Opposition gesetzt werden zum Deutschsein, dass Menschen pauschal zu "den anderen" erklärt werden und dann versucht wird, aus dieser Andersartigkeit Erklärungen abzuleiten für ihr Verhalten.“ Personengruppen alleine aufgrund ihrer Herkunft verantwortlich zu machen für Verhaltensweisen sei „der Kern rassistischer Diskriminierung“, sagt 40-Jährige.

Experte: Reif "altem Sprachgebrauch aufgesessen"

Reif sei „irgendwie dem Sprachgebrauch, der in seiner Jugend noch selbstverständlich war, vielleicht so ein bisschen aufgesessen“, sagt der Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch. Weil viele Menschen den Begriff „Jungtürken“ nicht mehr kennen würden, empfänden sie ihn als Abwertung – so sei durch Reifs Bemerkung „ein unguter Beiklang, der sicherlich nicht beabsichtigt war an der Stelle“, entstanden.

Ausdrücke, bei denen Nationalitäten benannt würden, obwohl es nicht konkret um diese gehe, seien immer Klischees und Stereotype – ob im positiven oder negativen Kontext. „Das sollte man sicherlich unterlassen“, sagt Stefanowitsch.

Sport-Magazin erstellte Rassismus-Report

Die Themen Sprache im Sport oder Sprache des Sports sind nicht neu – ganz im Gegenteil. Auch das Branchenmagazin „Sportjournalist“ beschäftigte sich jüngst in einem viel beachteten Rassismus-Report mit der Problematik. Ob Kriegsmetaphorik, Sexismus oder Rassismus: Berichterstattung und Sprachgebrauch im Sport sind bereits ausgiebig wissenschaftlich untersucht und kontrovers diskutiert worden.

Und doch häuften sich in der jüngeren Vergangenheit Beispiele, die für Irritationen, Kopfschütteln oder Entsetzen sorgten.