Hamburg. Der Ex-Boxweltmeister kehrt am Sonnabend in Hamburg nach fast fünf Jahren zurück. Aber hat er darauf überhaupt Lust?

Felix Sturm brauchte am Donnerstagmittag nur wenige Minuten, um für die Gewissheit zu sorgen, dass es selbst in Pandemie-Zeiten Dinge gibt, die sich nicht ändern. Im Universum-Gym seines neuen Promoters Ismail Özen-Otto an der Großen Elbstraße sollte der Ex-Weltmeister für sein Comeback werben, das ihn an diesem Sonnabend (22 Uhr/bild.de) an selber Stelle mit dem Düsseldorfer Timo Rost (29) den Ring teilen lässt. Auf zehn Runden im Supermittelgewicht (bis 76,2 kg) ist das Duell angesetzt. Vier Jahre und zehn Monate ist es her, seit der mittlerweile 41-Jährige letztmals einen Profiboxkampf bestritt.

Nach seinem umstrittenen Sieg gegen den Russen Fjodor Tschudinow im Februar 2016 war Sturm positiv auf das anabole Steroid Hydroxy-Stanozolol getestet worden, hatte sich danach in die Heimat seiner bosnischen Eltern abgesetzt, war im April 2019 auf der Kölner Fitnessmesse Fibo festgenommen worden, saß acht Monate in Untersuchungshaft und wurde Ende April dieses Jahres wegen Steuerhinterziehung und Körperverletzung infolge von Dopingmittelmissbrauch zu drei Jahren Haft verurteilt. Ganz schön viel los also im Leben des zweifachen Familienvaters.

Lesen Sie auch:

Felix Sturm: Pflichttermin als Zumutung empfunden?

Doch wer erwartet oder zumindest erhofft hatte, einen Menschen zu treffen, der angesichts dieser einschneidenden Erlebnisse Demut zeigen oder immerhin offenherzig auf die Fragen der interessierten Medienvertreter antworten würde, kennt Felix Sturm schlecht. Schmallippig und abweisend wie eh und je saß der auch optisch unveränderte Athlet auf seinem Platz und versuchte mit seinen Antworten gar nicht erst zu vertuschen, dass er den Pflichttermin als Zumutung empfand.

Kostprobe gefällig? Auf die Frage, wie er es geschafft habe, sich im Gefängnis körperlich in Form zu halten, sagte er: „Ich habe trainiert.“ Die Frage, ob das Gerichtsurteil gegen ihn nach Vergehen gestaffelt sei, konterte er mit dem dahingerotzten Satz: „Sie hätten ja zur Urteilsverkündung kommen können, dann wären Sie jetzt besser informiert.“ Aha. Danke fürs Gespräch.

Sein Weg ist gepflastert mit Kontroversen

Zu seinem Fitnesszustand oder dazu, was er verändert habe in seiner Vorbereitung, wollte Sturm ebenfalls nichts preisgeben, ließ stattdessen seinen besten Kumpel und Trainer Maurice Weber (39) sprechen. „Es hat sich im Vergleich zu früheren Vorbereitungen nichts verändert. Felix ist Vollprofi, unser Ziel ist klar: Weltmeister werden!“ Fraglos gehört Felix Sturm, der noch unter seinem Geburtsnamen Adnan Catic für Deutschland als Amateur bei den Olympischen Spielen 2000 antrat, zu den besten Boxern, die dieses Land in diesem Jahrhundert hervorgebracht hat.

Im September 2003 wurde er erstmals WBO-Weltmeister im Mittelgewicht, begeisterte mit seiner technischen Finesse vor allem Boxpuristen. Dass er neun Monate später in den USA gegen Superstar Oscar de la Hoya um diesen Titel betrogen wurde, obwohl er den Kampf nach Punkten hätte gewinnen müssen, hat Sturm nie verwunden. Es war der Moment, in dem er spürte, dass im Boxgeschäft Ehrlichkeit selten zum Ziel führt. Von da an war sein Weg gepflastert mit Kontroversen.

Anlass für sein Comeback bleibt unklar

Sturm kämpfte sich zurück auf den WM-Thron, verlor den Titel wieder, weil er glaubte, seinen technischen Stil gegen das Image eines K.-o.-Artisten eintauschen zu müssen. Er trennte sich 2010 in einem langwierigen juristischen Verfahren von seinem damaligen Promoter Klaus-Peter Kohl, vermarktete sich fortan erfolgreich in Eigenregie, konnte sich jedoch sportlich gegen die Weltspitze nicht mehr durchsetzen. Zur Wahrheit gehört auch, dass er mit seiner spröden Art, die den öffentlichen vom privaten Felix Sturm unterscheidet, die Herzen vieler deutscher Fans nie erreichte.

48 Kämpfe mit fünf Niederlagen und drei Remis stehen in seiner sportlichen Bilanz. Warum er sich nun, im Alter von 41 Jahren und mit fast fünf Jahren Abstand vom Berufsboxen, anschickt, diese fortzuschreiben, bleibt unklar. Geldprobleme, die man angesichts einer als Fehler eingestandenen Steuerhinterziehung vermuten könnte, hat er von sich gewiesen. Wahrscheinlich ist es also die Tatsache, dass er nichts besser kann als kämpfen, die ihn zurücktreibt. Er hat auch das Urteil angefochten, weil er wissentliches Doping bestreitet, der Fall wird vorm Bundesgerichtshof in Karlsruhe neu verhandelt. Bedenken, dass seine Reflexe, die physischen Voraussetzungen für erfolgreiches Profiboxen, gelitten haben könnten, teilt er nicht.

Sturm: "Fokus liegt nur auf dem Kampf gegen Timo"

Selbstverständlich hat Felix Sturm die Chance verdient, seine Leistungsfähigkeit nachzuweisen. Auch wenn ein Sieg über den in zwölf Kämpfen gegen unterklassige Konkurrenz unbesiegten Rost kaum als Freifahrtschein zur nächsten WM-Chance gelten könnte, bleibt Träumen erlaubt. Vom Kampf des Jahres zu sprechen, auf den Deutschland hinfiebere, wie es die Vermarktungspartner Özen-Otto und „Bild“ tun (müssen), ist allerdings ebenso unangemessen wie das Schwadronieren über ein Duell mit dem selbst ernannten „Hobbyboxer“ Arthur Abraham (40) oder eine Revanche gegen de la Hoya (47). Weil es Kämpfe wären, die viele Jahre zu spät kämen und maximal für die Seniorentour taugten – die es im Boxen aus guten Gründen nicht gibt.

Nein, Felix Sturm müsste, wenn er es wirklich noch einmal wissen will, gegen die aktuelle Weltspitze antreten. Deshalb war zumindest eine Aussage vom Donnerstag brauchbar. „Mein Fokus liegt nur auf dem Kampf gegen Timo. Wenn ich den nicht gewinne, ist es vorbei mit dem Comeback.“ Dem ist tatsächlich nichts zu entgegnen.