Der Weltumsegler kämpft mit den Wellen und der Geschwindigkeit im Indischen Ozean – Podcasts gegen die Einsamkeit.

Am Sonntag geht die vierte, bislang härteste Woche dieser Vendée Globe zu Ende. Wir haben es hier im Indischen Ozean mit Bedingungen zu tun, wie ich sie noch nie erlebt habe. Es ist, als würde das Meer kochen. Ich komme innerlich klar damit, aber schlimmer kann es kaum werden. Die Welle ist zerhackt und kurz. Das Boot stampft, schiebt und unterschneidet die Wellen. Es ist schwierig, eine konstante Geschwindigkeit hinzukriegen. Ich habe die richtigen Einstellungen noch nicht gefunden, was mir das Leben aktuell schwer macht. Ich habe große Sehnsucht nach schöneren Segelbedingungen, nach dem Genuss des Dahingleitens.

Der Blick auf die Geschwindigkeitsanzeige war am Freitagmorgen frustrierend: elf Knoten nur. Und ich denke: „Das kann doch einfach nicht wahr sein!“ Nach allem, was wir über Jahre an Arbeit und Energie ins Boot gesteckt haben, komme ich hier gerade nicht ins Fahren. Ich habe in der Nacht von Donnerstag auf Freitag 40 Seemeilen an die Konkurrenz verloren. Das nervt und geht nicht spurlos an mir vorüber.

Bei 28 Knoten rissen zwei Hydrogeneratoren ab

Dann wieder surft das Boot plötzlich mit 30 Knoten voran. Was auch nicht geht. Ich will hier maximal 25 Knoten tolerieren. Sonst geht alles kaputt. Wie meine Hydrogeneratoren. Für die darf ich nicht schneller fahren als 26 Knoten. Am Donnerstag waren es mehrfach 28 Knoten. Da ist erst einer abgerissen. Dann der andere. Da hatte sich eine Schraube gelöst. Er hatte schlagweise Wellen abbekommen. Ich bin nach Rücksprache mit meinem Team guten Mutes, dass ich das mit der Flex, einer Säge und anderen Gerätschaften wieder reparieren kann. Die dafür ruhigeren Bedingungen bekommen wir wohl in drei Tagen. Bis dahin versorgen mich tagsüber die Solarpanele, nachts die Dieselmaschine mit Strom.

Boris Herrman bei der Vendée Globe:

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Ich habe kurz vor dem Wochenende drei heftige sogenannte Sonnenschüsse binnen zwölf Stunden erlebt. Die passieren unfreiwillig, wenn die Strömung am Ruder abreißt. Dann schießt eine Wasserfontäne senkrecht vom Ruder drei, vier Meter in die Luft. Und obwohl das Ruder in die richtige Richtung steuert, dreht sich das Boot in die andere Richtung, also mit dem Bug in den Wind, und legt sich ziemlich quer auf die Seite. Stressige, unangenehme Erfahrungen.

Beschleunigen des Bootes auf den Wellen bereitet mir Kopfzerbrechen

Das Beschleunigen des Bootes auf den Wellen bereitet mir Kopfzerbrechen. Es macht mir keine Angst, aber es bereitet Sorgen. Ich weiß noch keine ideale Lösung dafür. Ich habe mein Foil schon eingezogen. Die Segel sind klein. Wenn ich noch mehr Segelfläche reduziere, werde ich noch langsamer. Da waren wir mit unserer Class-40-Yacht Beluga Racer beim Zweihandrennen um die Welt 2008/09 auch nicht langsamer. Es ist eine etwas frustrierende Phase, und ich freue mich auf die beiden Befreiungsstufen: Erst raus aus dem Agulhasstrom hier im südwestlichen Indischen Ozean. Dann raus aus dem Indischen Ozean, der berüchtigt ist für seine fordernden Bedingungen.

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Die geglückte Rettungsmission für Kevin Escoffier hat mich zum Ende dieser Woche noch einmal stark beschäftigt. Ich habe auch eine Träne darüber verdrückt, wie haarscharf das an der Katastrophe vorbeiging. Die Kollisionen von Samantha Davies und Sébastien Simon tun mir sehr leid und haben mich traurig gestimmt. Ich habe ihnen geschrieben und mein Mitgefühl ausgedrückt. Das sind tragische, sehr emotionale und schwierige Ereignisse. Sie bleiben eine Erinnerung daran, dass das Ankommen bei diesem Rennen ganz und gar nicht garantiert ist. Ich habe große Sehnsucht anzukommen. Es hat sich eine gewisse Demut eingestellt, und ich werde auch weiterhin nichts unnötig aufs Spiel setzen. Ich versuche, nicht mehr so viel an die Unglücke zu denken, sondern mich um meine eigenen Probleme zu kümmern. Ich fühle mich insgesamt ganz solide im Rennen und bin sicher, dass ich ankomme.

Vorweihnachtliche Gefühle habe ich hier draußen noch gar nicht. Vielleicht kommen sie an Heiligabend? Aber es ist so kalt, dass ich regelmäßig Handschuhe trage. Meine Stimmung ist abends und nachts oft besser als am Morgen. Warum, das weiß ich nicht so genau. Man hat bei dieser Einsamkeit so einen Kloß aus Sorgen im Hals. Sorgen, dass doch was am Schiff kaputtgeht. Der Druck ist ständig da. Es waren zuletzt fordernde Tage, an denen man auch mal Gedanken daran hat, wie froh man sein wird, wenn man wieder zu Hause ist. Aber ich weiß, dass wieder bessere Tage kommen.

Schlaf und Kontakte als Mittel gegen die Einsamkeit

Ich denke, dass Außenstehende sich manchmal gar nicht vorstellen können, wie strapaziös es ist, ständig auf alles zu achten. Schoten, die im Wasser hängen und ausrauschen. Irgendetwas, was wackelt oder klappert. Die ständigen Kon-trollgänge. Es ist viel, hart und anstrengend. Die besten Mittel gegen Stimmungstiefs sind Schlaf und Kontakte nach außen. Matze Steiner vom NDR 90,3 schickt mir manchmal den Podcast „Hamburg Heute“ oder den Nachrichtenpodcast von NDR Info. Und ich höre gerne die Stimmen von Freunden in den Voicemails beim Essen.

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In unsere WhatsApp-Gruppe mit Familie, Freunden und Unterstützern habe ich neulich geschrieben: „Jetzt trinkt doch mal einen Kaffee und lest dazu bei Wikipedia was über die Prinz-Edward-Inseln.“ Die hatten wir gerade passiert. Viele Leute haben daraufhin ihre persönliche Kaffeetasse gepostet und erzählt, wo sie sind und was sie machen. Für mich ist das cool. Wie Reisen in andere Welten. Es stärkt die Verbundenheit. Ich weiß, dass sie an mich denken. Ich bin kein Eigenbrötler-Typ, fühle mich manchmal alleine und einsam. Dann ist positives Feedback sehr aufbauend.

Aufgezeichnet von Tatjana Pokorny