Hamburg. Personal Trainer Seyit Ali Shobeiri über die Nutzung von Fitnessvideos im Internet – und worauf jeder besonders achten soll.

Sporthallen und Fitnessstudios sind geschlossen, und das Wetter lädt dieser Tage nicht gerade zu Aktivitäten im Freien ein, dort sind sie schließlich mit Abstand noch gestattet. Müßiggang ist aber nicht nur aller Laster Anfang, auch der eigene Körper verzeiht ihn dauerhaft nicht. Dass wir bei den aktuell wieder eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten an Gewicht zunehmen, aus Frust zu viel, vor allem zu viel Falsches essen, die Gefahr zunimmt, an Herz-Kreislauf-Beschwerden, Diabetes Typ 2 oder anderen chronischen Leiden nicht nur zu erkranken, sondern auch daran zu sterben – das alles halten ernst zu nehmende Mediziner für viel gefährlicher als das Virus selbst, vor dem wir uns mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog wieder mal zu schützen versuchen.

Für den Anfang ein paar leichte Übungen

„Quäle deinen Körper, bevor er anfängt, dich zu quälen“, heißt das Motto vieler Ausdauer und -Extremsportler. Nun müssen Sie nicht gleich von der Couch aufspringen, sich die Laufschuhe anziehen und einen Marathon rennen, gönnen Sie sich – und Ihrer Gesundheit – für den Anfang ein paar leichte Übungen, die Sie bequem in ihrem Wohn- oder Schlafzimmer ausführen können. „Es ist grundsätzlich nicht wichtig, was wir sportlich machen, es ist aber ganz wichtig, dass wir sportlich etwas machen“, sagt der Hamburger Sportmediziner Prof. Klaus-Michael Braumann.

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Sein Grundsatz: Maßvoll für jene, die sich derzeit nur zwischen Fernseher und Kühlschrank bewegen, anspruchsvoller für jene, die bereits jetzt vor die Tür gehen, ihren Kreislauf beim Spazieren­gehen, Walken, Joggen oder Radfahren in Schwung bringen. „Wir müssen unseren Stoffwechsel ankurbeln, ansonsten entgleist er uns. In kurzer Zeit steigt unser Blutdruck, langfristig verkalken die Arterien, was dramatische Folgen hat, etwa einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen kann“, warnt Braumann.

Internetangebote: Vorsicht beim sofortigen Nachmachen

Anregungen für häusliche Bewegungen liefern das Internet, soziale Medien wie Facebook und Instagram, Videoplattformen wie YouTube oder TikTok derzeit im Überfluss. Vereine, Verbände, Studios und Personal Trainer haben ihre Kurse hochgeladen, erfreuen sich einer Heerschar von Followern. Aber nicht alles, was im weltweiten Netz gestreamt wird, ist auch von hohem Nutzen. Reinzuschauen lohnt sich dennoch. Der gebürtige Hamburger Seyit Ali Shobeiri (34) ist einer dieser Anbieter, momentan einer der populärsten. Sein Online-Fitnessstudio „Hero Club – I am stronger“ erfreut sich seit einem Jahr großer Beliebtheit und hohen fünfstelligen Zugriffszahlen. Für das Abendblatt hat Shobeiri die unzähligen digitalen Angebote zu sortieren versucht.

Zum Einstieg rät er, erst mal einen Blick in die kostenlosen Offerten im Internet zu werfen. „Die können durchaus inspirierend, motivierend wirken, manche sind richtig kreativ“, sagt Shobeiri. Vorsicht sei indes beim sofortigen Nachmachen geboten. In vielen Fällen seien diese Übungen nicht von Experten entwickelt worden oder werden falsch ausgeführt. Das birgt ein hohes Verletzungsrisiko, zudem mangele es oft an der nötigen fachlichen Beratung, auch an einem wünschenswerten Service. „Meistens fehlt diesen Programmen die Struktur, ein Aufbau ist schwer zu erkennen. Das sind einzelne Übungen, hinter denen kein langfristiger Plan steckt“, sagt der erfahrene Coach. Bis zum neuerlichen Lockdown am 2. November gab er seine Erfahrungen auch in der Eimsbütteler Kaifu-Lodge weiter. Shobeiris Empfehlung: Nur anschauen, nicht gleich loslegen und mitmachen: „Informieren Sie sich, wer den Kurs leitet, welche Exper­tise diejenige oder derjenige hat.“

Ausgebildete Coaches zu Rate ziehen

Wer nachhaltig etwas für seinen Körper tun möchte, sollte darauf achten, dass der Coach hauptberuflich als Trainer arbeitet, die entsprechenden Qualifikationen vorweisen kann. „Gute Trainingsprogramme zeichnen sich dadurch aus, dass sie von einem bestimmten, definierten Fitnessniveau ausgehen, darauf dann vielfältige Workouts aufsetzen, die aufeinander abgestimmt sind“, sagt Shobeiri. „Dann haben Sie auch den größten Spaß am Training, und Sie müssen nicht gleich vor irgendwelchen Anforderungen kapitulieren, die Sie möglicherweise anfangs gar nicht erfüllen können.“

Wer ernsthaft daran denkt, zu Hause kontinuierlich etwas für seine Gesundheit zu tun, der sollte aber schon acht bis 20 Euro im Monat ausgeben, sein Körper werde es ihr oder ihm danken, meint Shobeiri: „Suche dir Anregungen in den sozialen Medien, hole dir danach jedoch ausgebildete Coaches an deine Seite, die individuelle Trainingsprogramme abgestimmt auf deine Bedürfnisse und Erwartungen anbieten, dazu einen ganzheitlichen Service und Beratung.“

Prof. Braumann: „Bewegung kann vorbeugen und heilen“

Gönnen Sie sich diese Investitionen in den eigenen Körper. Sie lohnen sich nicht nur in Zeiten wie diesen, sie zahlen sich auch langfristig aus. Es gibt schließlich kaum einen besseren Schutz vor Krankheiten als regelmäßige Bewegung. Die stärkt das Immunsystem, reduziert die Infektanfälligkeit. Blutfette werden abgebaut, die Aufnahme von Zucker in den Muskelzellen gefördert. „Bewegung“, sagt Prof. Braumann, „kann vorbeugen und heilen. Der Mensch hat sich in seiner Geschichte immer sehr viel bewegt, bewegen müssen. Unsere Körper sind darauf programmiert.“ Ihrer auch!