Hamburg. Der Hoffnungsträger des Hamburger Universum-Boxstalls bezwang in seinem sechsten Profikampf den Bosnier Mirko Tintor.

Hätte die Erleichterung Menschengestalt angenommen am Sonnabendabend im Universum-Gym an der Großen Elbstraße, dann wäre sie in Person von Christian Thun dahergekommen. „Es war alles neu für mich, es war eine Riesensache, ich bin sehr dankbar, dass ich nun endlich mein Deutschland-Debüt hinter mir habe“, sagte der 2,04-Meter-Hüne, nachdem er in seinem sechsten Profikampf den Bosnier Mirko Tintor (33) bezwungen und den IBO-Kontinentaltitel gewonnen hatte. Und wer seine Emotionen verstehen will, der muss seinen Karriereweg kennen.

Während des Studiums der Wirtschaftswissenschaften startete der in Ennepetal geborene Sohn einer Italienerin und eines Deutschen in England eine kurze Amateurkarriere. Profiboxer wurde der Schwergewichtler Ende 2017, doch sein französischer Manager Mehdi Ameur organisierte statt der versprochenen „Big Fights“ nur wenige Aufbaukämpfe in Frankreich und Spanien. So entschied sich Thun im Frühjahr 2020 für einen Neustart, heuerte den Düsseldorfer Karim Akkar als neuen Manager an und unterschrieb bei der Hamburger Universum-Boxpromotion von Ismail Özen-Otto, um endlich in seiner Wahlheimat USA und seiner Geburtsheimat Deutschland Fuß zu fassen.

Boxer Christian Thun: "Ich bin ein Showman"

Dass die coronabedingten Umstände sein Deutschland-Debüt am Sonnabend recht schmucklos gestalteten, berührte Christian Thun schon. „Ich bin ein Showman, habe die Energie, die mir die Fans geben, schon sehr stark vermisst. Aber ich bin dankbar, dass ich überhaupt kämpfen durfte. Ich will die großen Boxkämpfe zurück in die deutschen Wohnzimmer bringen, wo sie hingehören“, sagte er nach dem Sieg. Was dem Mann, der sich „Hurricane“ nennt, noch fehlt, um große Kämpfe zu bestreiten und im besten Fall die Gegner aus dem Ring zu blasen, war allerdings unübersehbar.

Gegen den übergewichtigen, aber in der Nahdistanz mit schnellen Schwingern nicht ungefährlichen Bosnier zeigte sich Thun zu unbeweglich auf den Beinen und im Oberkörper, er nutzte zu wenig seine Reichweitenvorteile aus der Distanz und ließ es auch an Variabilität und Schnelligkeit vermissen. Gut war, dass er Tintor mit Treffern auf den nicht austrainierten Oberkörper so sehr zermürbte, dass dieser zur vierten von zehn angesetzten Runden nicht mehr aus seiner Ecke herauskam. Ob die vom Bosnier vorgeschobene Verletzung am linken Bizeps wirklich existierte oder nur Luft für und Lust auf weitere Prügel fehlten, blieb dahingestellt. Ein Glanzstück war das Deutschland-Debüt nicht, und Thun wusste das selbst.

Schon am 19. Dezember wird Thun wieder in den Ring geschickt

„Ich kann es auf jeden Fall besser. Mir fehlt einfach Praxis, außerdem hatte ich mich nicht auf einen Rechtsausleger vorbereitet“, sagte er – und das stimmte, da Tintor kurzfristig für den britischen Normalausleger Danny Whitaker eingesprungen war. „Christian braucht mehr Kämpfe“, sagte Promoter Özen-Otto, der seinen Hoffnungsträger deshalb bereits am 19. Dezember wieder in den Ring schicken wird. Am Sonntagmorgen flog Thun zunächst zurück in seine Wahlheimat Miami, Anfang Dezember wird er zum Training nach Hamburg zurückkehren. „Auch wenn ich in Miami lebe, ist Deutschland meine Heimat, hier sind meine Wurzeln“, sagte er.

Wurzeln schlagen in Hamburg möchte auch José Larduet. Dass er aktuell der wohl heißeste Schwergewichtler im Universum-Stall ist, unterstrich der 30 Jahre alte Kubaner bei seinem Erstrundensieg über den Ungarn Ferenc Urban (33) einmal mehr. Larduets Schlaghärte und die in einer langen Amateurlaufbahn auf Kuba erworbene technische Klasse paaren sich mit Trainingsfleiß und Disziplin zu einer Mischung, die Özen-Otto schwärmen lässt. „Wir finden kaum noch Gegner für José, niemand will gegen ihn boxen“, sagte der Promoter, der seinen Schützling am 19. Dezember in dessen fünftem Profikampf bereits um den WBO-Latino-Titel kämpfen lassen will.

Phannarai gewinnt gegen schwache Jäckel

Larduet selbst hat klare Vorstellungen von den nächsten Schritten. Er fühle sich bereit, gegen Gegner vom Kaliber des Briten Dereck Chisora (36) oder des Bulgaren Kubrat Pulev (39) anzutreten. Sein Wunschgegner allerdings ist der Hamburger Peter Kadiru (23), deutscher Meister vom Magdeburger SES-Team. „Dann können wir herausfinden, wer die wirkliche Nummer eins in Hamburg und in Deutschland ist“, sagte er. Auch ein Duell mit dem Ukrainer Victor Faust (28) vom Hamburger EC-Stall könne er sich vorstellen. Dessen Manager Peter Hanraths erklärte: „Den Kampf machen wir sofort.“

Im zweiten Titelkampf des Abends sicherte sich die in Thailand geborene und in Nürnberg lebende Fai Phannarai (20) den internationalen deutschen Meistertitel im Superbantamgewicht durch technischen K.-o.-Sieg in Runde fünf gegen Kim Angelina Jäckel (28) aus Preetz. Jäckel war als zweite Ersatzgegnerin eingesprungen, ließ allerdings jegliche Gegenwehr vermissen und damit die Frage aufkommen, welchen Wert ein solcher Titel besitzt, wenn derart schwaches Niveau genügt, um darum zu kämpfen. Phannarai, die mit ihrem explosiven Stil durchaus attraktiv daherkommt, konnte für diese Ansetzung indes nichts. Sie tat, was nötig war, um den Titel zu gewinnen, und will nun bis Mai eine Kampfpause einlegen, um ihre Ausbildung als Fitnesstrainerin voranzutreiben.