Hamburg. In nur drei Jahren schaffte es Rollstuhl-Basketballer Luc Weilandt aus der Unfall-Reha ins Nationalteam.

Es gibt immer wieder Geschichten von Unglücken und von den Chancen und Persönlichkeiten, die sich durch solche Schicksalsschläge geformt haben. Geschichten, die auch als Vorbild möglicherweise für Menschen dienen können, die Ähnliches erlebt haben. Wem so etwas zu „kitschig“ ist, oder wer so etwas gar nicht wahrnehmen will, der steige jetzt aus. Er müsste sonst Luc Weilandt kennenlernen.

„Sein Weg ist ganz außergewöhnlich“, sagt Rollstuhlbasketball-Bundestrainer Nicolai Zeltinger über die sport­liche Entwicklung des jungen Hamburgers, der seit einem halben Jahr seinem erweiterten Kader angehört. Ziel: Paralympics 2021 in Tokio. „Seine Geschichte zeigt, welches Talent er mitbringt und was für eine Einstellung er hat.“ Für die aktuelle Saison in der Rollstuhlbasketball-Bundesliga (RBBL) hat Weilandt einen Profivertrag bei den BG Baskets im Hamburger SV unterschrieben. „Manchmal wundere ich mich selbst, wie schnell das gegangen ist“, sagt Weilandt.

„Vom Unfallopfer zum Nationalspieler in drei Jahren“ könnte als Schlagzeile über der Biografie des 20-Jährigen aus Poppenbüttel stehen. „Retrospektiv muss man sagen, wow, der Sport hat mir so viel gegeben“, sagt Weilandt. Und er meint seinen „neuen“ Sport mit dem Rollstuhl. Nicht das Sportklettern, bei dem sich Weilandt im Mai 2017 seine Querschnittslähmung zuzog.

Glück und gute Umstände

Natürlich ändert sich durch so etwas ein Leben. Es braucht dann Glück und gute Umstände, damit es in die richtige Richtung geht. „Die habe ich hier in Hamburg wirklich gehabt“, weiß er. Dass sie ihn in das Berufsgenossenschaftliche Klinikum Hamburg (Boberg) in Lohbrügge gebracht haben, ist ein Glücksfall, beispielsweise. Sport ist ein wesentlicher Faktor der Reha dort, die Nationalspielerin Anne Patzwald als Peer-Koordinatorin begleitet.

„Anne hat mich angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, ein paar Bälle zu werfen“, erinnert er sich, „es war eine glückliche Fügung, dass es mir gleich viel Spaß gemacht hat.“ Über das sportliche Durchstarten ist er immer noch erstaunt. Diese Mischung aus Talent, Willen und Beharrlichkeit kannte er selbst so von sich nicht. „Ich war als Fußgänger nicht so leistungsorientiert und nie kompetitiv“, erzählt er.

Luc Weilandt trainiert seit seiner Reha täglich

Das hat sich geändert. Luc Weilandt trainiert seit seiner Reha praktisch täglich. Werfen, Stuhltechniken, Taktik – und er lernt immer weiter dazu. „Es macht einfach wahnsinnig viel Spaß“, sagt er. Ohne das würde so ein Pensum nicht gehen. Sein sportlicher Aufstieg schien also unaufhaltbar. Da musste erst das Virus kommen, das ihn und seine Mannschaftskollegen beim HSV ausbremste. Die BG Baskets haben entschieden, angesichts der Corona-Situation bis auf Weiteres nicht am Spielbetrieb der Bundesliga teilzunehmen und hoffen auf eine Verschiebung der Spiele auf einen späteren Zeitpunkt.

„Für mich persönlich ist das Risiko zu trainieren, vor allem aber zu Spielen durch Deutschland zu reisen, momentan zu hoch“, erklärt Weilandt. Menschen mit einer Querschnittslähmung sind in der Pandemie einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Weil oft die Muskulatur im Brustkorb eingeschränkt ist, ist Abhusten und Niesen nur bedingt möglich. „Die Gefahr für uns, ernsthaft zu erkranken, ist dadurch noch größer“, sagt Weilandt.

Das Team hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sah aber angesichts der Umstände keine Alternative. Schließlich ist auch die Nähe zur BG Klinik ein wichtiger Faktor. Hier arbeiten neben Anne Patzwald auch Co-Trainer Peter Richarz und Mannschaftsarzt Sascha Kluge und haben Kontakt zu Patienten. Auch Nationalspielerin Maya Lindholm hat als Ergotherapeutin viel Kontakt mit anderen Menschen.

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Neben dem HSV lassen auch Aufsteiger BBC Münsterland und die Iguanas München auf unabsehbare Zeit den Spielbetrieb ruhen, sieben Teams dagegen treten an. „Allen Bundesligateams ist sehr bewusst, dass wir in dieser Saison große Flexibilität auch abseits der Statuten brauchen“, sagt Andreas Joneck, Geschäftsführer des deutschen Rekordmeisters RSV Lahn-Dill. Eine Rückkehr in den Spielbetrieb wäre für den HSV und die anderen Teams also jederzeit möglich, wenn die Bedingungen es wieder zulassen.

Darauf hoffen alle, auch Luc Weilandt. Im Sommer hat er seine erste ei­gene Wohnung in der Altstadt bezogen, „ich liebe den Blick auf das Wasser der Elbe“. Und er hat ein Psychologiestudium begonnen. „Meine Noten waren eigentlich nicht gut genug. Für Rollstuhlfahrer aber gibt es Ausnahmeregelungen.“ Auch das eine Chance, die sich ihm durch den Unfall eröffnet hat. Luc Weilandt wird sie sicherlich nutzen.