Hamburg. Der Hoffnungsträger des Universum-Boxstalls hat sich von Corona-Infektion erholt und im Trainingscamp mit Weltmeister Joshua gearbeitet.

Wer sich stets mit den Besten vergleicht, der wird entweder irgendwann selbst zu ihnen zählen – oder an den eigenen Ansprüchen zerbrechen. Christian Thun ist überzeugt davon, Letzteres verhindern zu können. Aber der Schwergewichts-Boxprofi aus dem Hamburger Universum-Stall weiß, nachdem er am vergangenen Sonntag von einem zehntägigen Aufenthalt im Trainingscamp des amtierenden WBA/WBO/IBF-Weltmeisters Anthony Joshua (31) aus London zurückkehrte, dass der Weg dahin, Ersteres zu erreichen, weit ist.

„Für mich war die Zeit bei AJ im Camp eine enorm wichtige Erfahrung“, sagt der 28-Jährige, der an diesem Sonnabend (20 Uhr/Livestream bei bild.de) im Universum-Gym an der Großen Elbstraße seinen sechsten Profikampf bestreitet. Sollte der als Gegner eingeplante Brite Danny Whitaker (30) wegen der Corona-Beschränkungen nicht einreisen können, stehen mehrere Ersatzmänner zur Auswahl bereit.

Thun sparrte bereits mit Wladimir Klitschko und Tyson Fury

„Zu sehen, wie Joshua trainiert, worauf er achtet und was er wann tut, all das habe ich aufgesaugt wie ein Schwamm“, sagt Thun. Joshua bereitet sich auf seine für 12. Dezember in London geplante Titelverteidigung gegen den Bulgaren Kubrat Pulev (39) vor. Seine Trainer hatten den 2,04 Meter langen – und damit physisch im Gegensatz zum zehn Zentimeter kleineren Pulev stehenden – Thun vorrangig verpflichtet, weil sie dessen Explosivität und Schlaggeschwindigkeit schätzen. „Ich habe immer die ersten vier bis sechs Runden Sparring übernommen und sollte so viel Gas geben wie möglich. Dadurch konnte ich auch abgleichen, wo ich aktuell im Vergleich zu AJ stehe“, sagt Thun.

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Für den in Ennepetal aufgewachsenen und seit vergangenem Jahr in Miami lebenden Sohn eines deutschen Vaters und einer italienischen Mutter sind Trainingscamps mit Weltmeistern keine Besonderheit mehr. Thun sparrte bereits mit dem Ukrainer Wladimir Klitschko, dem Briten Tyson Fury und dem US-Amerikaner Deontay Wilder. Von allen habe er versucht, sich Dinge abzuschauen. „Und natürlich weiß ich, dass ich noch sehr viel Arbeit vor mir habe, um auf Weltspitzenniveau zu kommen. Aber im Vergleich mit dem Joshua, den ich vor drei Jahren zum ersten Mal im Training kennenlernen durfte, kann ich sagen, dass der Weg, den ich eingeschlagen habe, der richtige ist“, sagt er.

Thun gilt als Spätstarter

Christian Thun, der neben Deutsch und Englisch auch Spanisch und Italienisch spricht, gilt als Spätstarter. Zum Boxen fand er während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften in England, als er im Londoner Peacock-Gym mit der britischen Amateurelite trainieren durfte. Bei seinem Wechsel ins Profigeschäft verließ er sich Ende 2017 zu sehr auf Versprechungen seines damaligen französischen Managers Mehdi Ameur, der von großen Kämpfen fabulierte, aber nur Kleinkariertes anbot.

Mit dem Wechsel zu Manager Karim Akkar und Universum im April wollte der Normalausleger seiner Karriere einen neuen Kick geben. Die Pandemie verhinderte zwar einen Kickstart, zumal der Athlet im Juli selbst an Corona erkrankte, aber nur wenige Tage mit grippeähnlichen Symptomen zu kämpfen hatte. So konnte er im August erstmals in seiner Wahlheimat in den Ring steigen, wo er in Daytona Beach den US-Amerikaner Jason Bergman besiegte.

"Dieses Debüt fühlt sich etwas unwirklich an"

An diesem Sonnabend bestreitet Christian Thun endlich sein Deutschland-Debüt. „Natürlich ist das gesamte Drumherum etwas anders, als ich es mir vorgestellt hätte. Vor allem ohne Fans zu boxen ist sehr komisch, deshalb fühlt sich dieses Debüt etwas unwirklich an“, sagt er. Dennoch sei er voller Vorfreude und dankbar dafür, „dass Universum uns überhaupt ermöglicht zu kämpfen. Ohne Zuschauer zu boxen ist immerhin noch besser, als es überhaupt nicht zu tun.“

Christian Thun will sowohl auf dem US- als auch auf dem deutschen Markt seine Spuren hinterlassen, deshalb ist zum Jahresende ein weiterer Kampf geplant. 2021 soll es erstmals um einen wichtigen Titel gehen. Zunächst jedoch reist er am Sonntag erneut für eine Woche ins Joshua-Camp, danach zurück nach Miami zu Cheftrainer Dino Spencer. „Ich brenne darauf, endlich zu zeigen, was ich kann“, sagt Christian Thun. Sich mit den Besten im Wettkampf vergleichen, das ist es, was er möchte.