Hamburg. Die Crocodiles Hamburg wollen der Corona-Pandemie trotzen und in der Eishockey-Oberliga erneut die Play-offs erreichen.

Darf man sich freuen auf eine Saison, von der niemand weiß, ob alle Clubs sie überleben? Die möglicherweise komplett ohne Zuschauer ausgetragen werden muss? Und die, davon muss ausgegangen werden in Zeiten wie diesen, nicht ohne gehörige Verschiebungen im Spielplan vonstatten gehen wird? Natürlich darf man, findet Norman Martens. „Es ist für uns alle wichtig, dass wir endlich wieder aufs Eis dürfen. Mit all den Unwägbarkeiten müssen wir uns abfinden. Aber bei uns im Team sind alle heiß darauf, dass es losgeht“, sagt der Kapitän der Crocodiles Hamburg vor dem Start der Spielzeit 2020/21 in der Eishockey-Oberliga Nord, zu dem an diesem Freitag (20 Uhr) die Hannover Scorpions im Eisland Farmsen gastieren.

Ketzerisch könnte man sagen, dass es für Hamburgs wichtigsten Eishockeyclub keine Umgewöhnung wäre, sollte die Saison nicht wie geplant zu Ende gespielt werden können. 2018/19 verhinderte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Play-off-Teilnahme der Krokodile. Im März dieses Jahres endete die Spielzeit 2019/20 für die Farmsener, die die Hauptrunde auf Rang drei abgeschlossen hatten, wegen des Ausbruchs der Pandemie unverrichteter Dinge.

„Natürlich hoffe ich sehr, dass wir diesmal bis zum Schluss durchziehen können“, sagt Jacek Plachta, der in seine dritte Saison als Cheftrainer geht. Aber auch der 51-Jährige weiß: „Es wird eine außergewöhnliche Saison. Wichtig ist, dass wir alle gesund durchkommen und das Beste daraus machen“, sagt er. Was aus sportlicher Sicht das Beste wäre, ist angesichts der Ungewissheit über die finanzielle Situation der zwölf Konkurrenten schwer einzuschätzen.

Saisonziel ist das direkte Erreichen der Play-offs

Als Saisonziel hat Geschäftsführer und Sportdirektor Sven Gösch (48) das direkte Erreichen der Play-offs ausgegeben, wofür mindestens Rang sechs vonnöten ist. Der wegen Corona veränderte Spielmodus schreibt den Teams auf den Plätzen sieben bis zehn ein einziges Pre-Play-off-Duell um die verbleibenden zwei Viertelfinalplätze vor. In den K.-o.-Runden wird keine Verzahnung mit der Oberliga Süd vorgenommen, sondern bis zum Finale staffelintern gespielt. Die jeweiligen Staffelmeister ermitteln den Aufsteiger in die DEL 2.

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Das jedoch ist Zukunftsmusik. Im Vordergrund steht – nicht nur bei den Crocodiles – der Aspekt der finanziellen Absicherung. Regelmäßige flächendeckende Corona-Tests werden aus Kostengründen nicht durchgeführt. Gösch hatte schon in der vergangenen Woche betont, dass die Farmsener ohne Hilfsgelder die Saison nicht überstehen könnten, sollte über den November-Lockdown hinaus ohne Zuschauer gespielt werden müssen.

Über ihren Steuerberater haben die Crocodiles einen Antrag auf Unterstützung aus dem 200 Millionen schweren Hilfspaket des Bundes für Profisportvereine – und dazu zählen die Crocodiles, weil die überwiegende Mehrheit der Spieler ihren Lebensunterhalt mit der Ausübung ihres Sports bestreitet – gestellt. Auf der Basis des Vergleichszeitraums im Jahr 2019 hat Gösch einen Fehlbetrag von rund 180.000 Euro bis Jahresende aus dem Ticketing errechnet. „Aber das wird nicht reichen, wenn wir weiter auf Fans verzichten müssen“, sagt er. Schließlich kommen rund 60 Prozent des Gesamtetats (geschätzt 750.000 Euro) aus dem Eintrittskartenverkauf.

„Man muss schon zugeben, dass Eishockey in einer leeren Halle langweilig ist“

Trainer Plachta überlässt derlei Kalkulationen anderen. Der ehemalige polnische Nationalstürmer hatte in der auf vier Wochen verkürzten Vorbereitung genug damit zu tun, die fünf Neuzugänge zu integrieren und sein Team auf die veränderten Rahmenbedingungen vorzubereiten. „Man muss schon zugeben, dass Eishockey in einer leeren Halle langweilig ist“, sagt Kapitän Martens. Man habe in den Testspielen versucht, sich auf die Geisteratmosphäre einzustellen, „aber ich glaube, dass wir alle die Fans noch mehr schätzen lernen, während sie nicht da sein dürfen“, sagt der 34-Jährige.

Zwei einschneidende Veränderungen in der Kaderplanung hat es zu dieser Saison gegeben. Zum einen haben die Crocodiles keinen Nordamerikaner im Aufgebot. „Wir wollten zunächst den Markt der deutschen Spieler bearbeiten. Importspieler aus Nordamerika können wir immer noch dazuholen, wenn die Notwendigkeit besteht und wir das nötige Geld dafür haben“, sagt Plachta.

Zum anderen gibt es in dieser Saison keinen Kooperationsverein in der DEL 2, so dass der Austausch von Förderlizenzspielern wegfällt. „Das hat den Vorteil, dass ich meinen gesamten Kader immer beisammen habe, und den Nachteil, dass ich bei einer Krankheitswelle keine Hilfe von außen holen kann“, sagt Plachta.

„Die Stimmung im Team ist auf jeden Fall sehr gut."

Dennoch ist er optimistisch, dass die neue Mannschaft an die Erfolge der vergangenen Hauptrunde anknüpfen kann. „Wir haben versucht, noch mehr Tiefe in den Kader zu kriegen. Unser Plan ist, den Fokus noch mehr auf die Offensive zu legen, um die Defensive zu entlasten“, sagt er. Besonders der Sturmreihe mit den Neuzugängen Adam Domogalla (27/von Zaglebie Sosnowiec aus Polen) und Michal Bezouska (32/von den Saale Bulls Halle) neben Dennis Reimer traut er eine herausgehobene Rolle zu. „Die Stimmung im Team ist auf jeden Fall sehr gut. Die Jungs haben Spaß, wollen aber auch immer an ihre Grenzen gehen. Das gefällt mir“, sagt Plachta.

Norman Martens sieht das genauso. „Ich bewundere an diesem Verein, dass sich hier niemals jemand unterkriegen lässt. Egal, was kommt, wir stehen immer wieder auf“, sagt er. Diese Mentalität dürfte auch in den kommenden Monaten durchaus benötigt werden.