Hamburg. Der Hamburger Schwergewichtsboxer Peter Kadiru kämpft am Sonnabend um die deutsche Meisterschaft – live in der ARD.

Die Nummer zwei zu sein, das ist nicht sein Anspruch. Aber was soll Peter Kadiru machen? Die Aussicht, der erste dunkelhäutige deutsche Meister im Schwergewicht zu werden, hätte dem Hamburger Profiboxer für seinen Titelkampf an diesem Sonnabend (23.15 Uhr/ARD) in der Magdeburger Getech-Arena eine große Portion Zusatzmotivation verschafft. Aber weil der Mannheimer US-Soldatensohn Charly Graf (68), den sie „Ali vom Waldhof“ nannten, im März 1985 durch seinen Abbruchsieg über den 2003 verstorbenen Frankfurter Reiner Hartmann den wichtigsten nationalen Titel gewann, muss Kadiru mit dem Status der Nummer zwei zufrieden sein.

Wobei „muss“ impliziert, dass das Duell mit Roman Gorst (31/Passau) ein Selbstläufer ist. Das Gegenteil, davon ist der in Altona geborene und aufgewachsene Sohn ghanaischer Eltern überzeugt, ist der Fall. Zwar ist der nur 186 Zentimeter große Bayer körperlich unterlegen und hat trotz des Altersunterschieds von acht Jahren erst sechs Profikämpfe – und damit drei weniger als Jungprofi Kadiru – bestritten. Dafür jedoch stehen gut 170 Amateurkämpfe in seiner Bilanz. „Ich habe nur 75 gemacht. Roman ist deshalb deutlich erfahrener als ich. Er ist ein gefährlicher Gegner“, sagt Peter Kadiru.

Im zehnten Profikampf den Titel zu holen, den auch schon Hamburger Boxidole wie Max Schmeling und Jürgen Blin trugen, bedeutet dem 23-Jährigen viel. „Für mich ist das eine Ehre, ein ganz besonderer Titel mit großer Tradition“, sagt er. Vor zehn Jahren, als er beim Ostsee-Pokal in Stralsund den ersten Turniersieg seiner Karriere erkämpfte, habe er davon geträumt, irgendwann einmal deutscher Meister bei den Profis werden zu können. Es folgten zwar mit der Goldmedaille bei den Olympischen Jugendspielen 2014 in Nanjing (China) und dem Gewinn der Junioren-Weltmeisterschaft im Januar dieses Jahres gegen den Tschechen Tomas Salek bemerkenswerte Meriten. „Aber“, sagt Peter Kadiru, „der deutsche Meistertitel wäre mein bislang größter Erfolg.“

Corona bremste Kadiru aus

Er wäre zudem der letzte Beweis dafür, dass der 194 Zentimeter große Normalausleger (Schlaghand rechts) den Schritt vom Junioren- in den Erwachsenenbereich geschafft hat. Seit März 2019 steht Kadiru, der bei der SV Polizei mit seinem Sport begann, beim Magdeburger SES-Team von Ulf Steinforth unter Vertrag. Seitdem hat er sich kontinuierlich weiterentwickelt. Das Junioren-WM-Duell gegen seinen Stallkollegen Salek war der erste richtige Prüfstein. „Da habe ich einen großen Schritt in meiner Entwicklung geschafft“, sagt Kadiru.

Corona bremste dann zwar auch den Vater einer fast zwei Jahre alten Tochter aus, allerdings bestritt er im Sommer immerhin zwei weitere Aufbaukämpfe und nutzte die Zeit, um mit seinem neuen Athletikcoach René Clasen seine physischen Grundlagen zu stärken. Schließlich steht am Sonnabend, so der Kampf über die volle Distanz geht, der erste Zehnrunder seiner Karriere an, den er mit einer deutlichen Erhöhung seiner Sparringsrunden vorbereitet hat. „Ich weiß, dass ich die Power für zehn Runden habe“, sagt er.

Cheftrainer Christian Morales (40) unterstreicht diese Beobachtung. Allerdings hat er auch noch eine andere Veränderung festgestellt: „Peter ist deutlich reifer geworden. Er ist auf dem besten Weg, die nötige Wettkampfhärte für größere Aufgaben zu erlangen, und mit dem Kampf gegen Roman wird er endgültig im Profiboxen angekommen sein.“ Manager Bernd Bönte (64), der schon den Weg der Klitschko-Brüder in die Weltspitze begleitete, sagt: „Peter entwickelt sich besser, als wir erwartet hatten, er setzt alles, was man ihm mitgibt, sehr gut um.“ Bönte arbeitet auch an Kadirus Umgang mit Medien und den Fans: „Ich spüre, dass er als sehr sympathischer, angenehmer Mensch anerkannt wird.“

Kadiru will das deutsche Boxen prominenter machen

Überzeugen will Kadiru aber hauptsächlich durch Leistung. Die Chance, dies am Sonnabend, wenn die ARD mit dem Kampf von IBO-Halbschwergewichtschampion Dominic Bösel (30/Freyburg) gegen den Münchner Robin Krasniqi (33) den Wiedereinstieg ins Profiboxen versucht, vor einem Millionenpublikum live tun zu können, weiß er zu schätzen. „Unglaublich, im zweiten Profijahr den zweiten Hauptkampf machen zu dürfen. Ich will helfen, das deutsche Boxen wieder auf die Karte zu packen.“

Was in den kommenden Monaten folgt, hängt von der Entwicklung der Pandemie ab. Dass sein Weg irgendwann in die internationale Spitze führen soll, ist ausgemachte Sache. Einen dunkelhäutigen Weltmeister im Schwergewicht hatte Deutschland noch nicht. Peter Kadiru wird alles dafür geben, sich diesen Nummer-eins-Status zu sichern.